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AMA / E2
SAISON 2017 / 2018

Das neue Ding beim 1. FC Wilmersdorf

1. FC Wilmersdorf e2 - AMa e2

3 : 2

Um was geht es eigentlich im Kinder- und Jugendfußball? Um Ergebnisse, Tabellenplätze, Klassenzugehörigkeit? Natürlich will jeder Spieler im Fußball gewinnen, das ist ja der Reiz an dem Spiel. Besser zu sein als ein Gegner, das tut dem Selbstwertgefühl gut, jemanden mit spielerischen Mitteln zu besiegen, beglückt. Nur fair sollte es zugehen, sonst ist der Erfolg nichts wert.

Der sportliche Wettkampf ist eine Erfindung der Antike, er sollte das sinnlose Prinzip von Rache und blutiger Gegenrache durchbrechen. Anstatt unentwegt gegeneinander Krieg zu führen, maß man sich in einem Wettkampf mit festgelegten Regeln. Da sich alle Beteiligten den Gesetzen und Regeln des Wettkampfes unterwarfen, musste kein Verlierer den Gewinner anschließend aus Scham oder verletztem Ehrgefühl umbringen. Alle Parteien verband der Glaube an die Gerechtigkeit der Wettkampfregeln.

Der Berliner Fußballverband hat sich ein besonderes Projekt einfallen lassen, um auch Kinder an das Schiedsrichterwesen im Fußball heranzuführen, denn der Nachwuchs fehlt. Es hat sich herumgesprochen, dass man auf den Fußballplätzen nicht unbedingt willkommen ist. Beleidigungen, Anfeindungen und sogar tätliche Übergriffe gegen Schiedsrichter finden jedes Wochenende statt. Beim Fußball scheint beinahe jeder das Gesetz des Wettkampfes und die richtige Anwendung und Auslegung der Regeln kenntnisreich für sich in Anspruch zu nehmen, jeder hat alles richtig gesehen, erkannt und kann es bewerten. Sich dem Urteil eines Unparteiischen zu unterwerfen, fällt dann vielen schwer: Zuschauern, Eltern, Trainern und Spielern. Im Zweifelsfall wird beleidigt, bedroht und tätlich angegriffen. Das Phänomen zieht sich durch alle Alters- und Gesellschaftsklassen. Niemand ist ausgenommen, jedes Wochenende kommen neue wahnsinnige Fälle hinzu, die Sportgerichte haben Hochkonjunktur.

Die Idee, Kinder vorsichtig an das Schiedsrichterwesen heranzuführen, ist sicher von großem Idealismus geprägt. Sie wird sich aber nur dann etablieren und durchsetzen, wenn die Verantwortlichen, die Erwachsenen, die Trainer, die Eltern, die Vereinsfunktionäre einen schützenden Rahmen um diese Kinderschiedsrichter bilden. Sie müssen dafür sorgen, dass die sportliche Fairness auf und neben dem Platz während eines Spiels gewahrt bleibt, unabhängig davon, ob der Kinderschiedsrichter richtig oder falsch handelt. Sie können die immense Verantwortung der richtigen Regelanwendung nicht in die Hände eines Kindes legen. Man kann von einem 13jährigen Schüler schlichtweg nicht erwarten, dass er sämtliche Situationen in einem Spiel richtig erkennt und folgerichtig ahndet. Er wird niemals eine souveräne Spielleitung bieten können, denn er steht nun mal ganz am Anfang seiner Ausbildung.

So wenig man von einem 13jährigen Spieler erwarten kann, dass er am Ball technisch perfekt ausgebildet ist, so verfehlt ist der Gedanke, ein Kinderschiedsrichter könnte ein emotional aufgeladenes E-Jugendspiel in ruhige Gewässer lotsen und für den fairen sportlichen Wettkampf sorgen. Dem Kinderschiedsrichter ist zwar ein erwachsener Schiedsrichterbetreuer an die Seite gestellt. Aber der nützt nur dann etwas, wenn er auch eingreift und kritische Situationen, die ein Spiel in die Eskalation treiben können, unterbindet und ahndet, eigentlich sollte er ihnen sogar präventiv zuvorkommen. All dies, bis auf den Kinderschiedsrichter-Debütanten, hat gefehlt an diesem traurigen Mittwochabend, als wir gegen die U10 des 1. FC Wilmersdorf spielten.

Der Kinderschiedsrichter begleitet in der Regel Spiele der eigenen Kindermannschaften des Vereins. In den meisten Fällen wird er zweifelsfrei eine Bereicherung des Spieltages und des Wettkampfes sein, in bestimmten Fällen jedoch wirkt seine Anwesenheit eher kontraproduktiv. Es kommt darauf an, welches sportliche Ziel die aufeinander treffenden Gegner haben und mit welchen Mitteln sie es durchzusetzen versuchen. Die einen denken langfristig, für sie ist jedes Spiel eine Lehrstunde, das numerische Ergebnis ist ihnen ziemlich egal. Sie wollen den Kindern und Jugendlichen den Spaß am Sport vermitteln und sie Altersklasse für Altersklasse zu guten individuellen Fußballern ausbilden. Sie setzen sich kleine inhaltliche Ziele für jedes Spiel, die das Team erreichen soll. Andere denken wiederum kurzfristig und ergebnisorientiert, von Spiel zu Spiel, von Sieg zu Sieg, sie eilen am liebsten von Turniersieg zu Turniersieg, von inoffizieller Meisterschaft zu Meisterschaft. Vielen Vereinen gefällt das. Das einzig Beständige an ihrer Arbeit ist der unbedingte Wille, jedes Spiel zu gewinnen und mit dem Team ganz nach oben zu kommen.

Obwohl in der Trainerausbildung des Berliner Fußballverbandes rege das Prinzip der Altersgerechtigkeit gelehrt und darauf hingewiesen wird, die Kinder viel spielen zu lassen und ihnen in allen Belangen ein soziales und moralisches Vorbild zu sein, scheint es in der Praxis ganz anders zuzugehen. Die freie Spielkultur wird von kurzfristigen, schnell brennenden, aber völlig ineffizienten Ergebniserwartungen und taktischen Anweisungen überlagert - und dies beginnt nicht selten bereits in der F-Jugend.

Der Kinder-Fußball ist ein perfekter Spiegel des Gesellschaftlichen, in ihn wird alles hineinprojiziert, was den verantwortlichen Erwachsenen, aber auch vielen Kindern außerhalb der Wettkampfbahn fehlt: Soziale Anerkennung, ein Gefühl von ausgleichender materieller Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Liebe und Wertschätzung des eigenen Wesens. Was jemand draußen nicht bekommt, holt er sich über den Sport. Die Kinder nehmen die Geschenke des Größenwahns der Erwachsenen gerne an: Wechsel zu vermeintlich besseren Mannschaften oder großen Vereinen, überzogene Erfolgsversprechen, erträumte Karrieren und blühender Starruhm.

Drei Mal in der Woche zitiert man Kinder zum Training, nebenbei absolvieren sie vielleicht noch weitere Individual-Einheiten, um etwa an der Schnelligkeit zu arbeiten. Insbesondere Eltern lassen sich den Traum vom Traum der Profi-Karriere des Kindes etwas kosten, sie investieren große Summen in die fußballerische Ausbildung der Kinder, obwohl ihnen jeder Experte sagen kann, dass es raus geschmissenes Geld ist. Denn nur die allerwenigsten schaffen es in den Profibereich. Und ob man dort ein glücklicher Mensch wird, steht ohnehin nicht erst seit Per Mertesackers Londoner Volte in Frage. Anstatt die Kinder auf ein eigenständiges Leben in kreativer Vielfalt und selbstgenügsamer Gelassenheit vorzubereiten, hofft man von ihnen, sie könnten der neue CR7 werden.

Es ist völlig normal, in der Kindheit Helden zu haben, denen man nacheifert. Jedes Fußball spielende Kind träumt davon, Profifußballer zu werden. Man ahmt seine Helden nach, man will so sein wie sie, aussehen wie sie, die gleichen Schuhe tragen, die gleiche Frisur. Davon profitieren Sportartikelhersteller und andere Anbieter. Kinder eifern der Welt der Erwachsenen nach und träumen sich in sie hinein, und die dummen Eltern gehen mit. Aber spätestens dann, wenn ein Kind ein anderes mit dem Messer bedroht, ist der Moment gekommen, in dem man den Unterschied zwischen Spiel und Realität aufzeigen sollte. Im Kinderfußball haben unsportliche Mittel wie Schubsen, Foulen, Treten, Beleidigen und sich selber Eckbälle zuzusprechen, die keine sind, einfach nichts zu suchen. Wenn Trainer auf Spieler, die solche Mittel anwenden, nicht mehr mäßigend einwirken, sondern sie sogar zu weiteren fragwürdigen Aktionen und Hochleistungen anstacheln, verwechseln sie das Spiel mit der Realität. Sie verhalten sich wie Kinder, die andere mit dem Messer bedrohen.

In jedem Trainer steckt ein verkappter Spieler, der leider nicht mehr aktiv mitwirken kann, aus welchen Gründen auch immer. Jeder Trainer ist stolz auf sein Team, wenn es gewinnt. Aber wenn es so weit kommt, dass der Erfolg zum Selbstzweck wird und mit allen Mitteln erreicht werden soll, dann hat leider niemand gewonnen, am wenigsten die Kinder.

Zum Spiel: Wir gingen nicht unverdient nach etwa 12 Minuten in Führung und hielten das Ergebnis bis in die Mitte der zweiten Halbzeit standhaft und geschickt, wenn auch in zwei Szenen mit viel Glück. Die Wilmersdorfer machten das Spiel stets breit und tief, kamen aber nicht wirksam vor unser Tor, weil ihnen so gut wie kein inspirierender Spielzug einfiel. Ihre Fernschüsse verpufften, in den Zweikämpfen zeigten sie sich bissig bis über die Grenze des Zulässigen hinaus. Je länger die Partie dauerte, desto größer wurde ihr Frust, desto härter und verzweifelter agierten sie gegen die drohende Niederlage.

Ein Ausgleich Mitte der zweiten Halbzeit wurde ihnen aberkannt, weil sie zuvor einen unserer Spieler durch einen absichtlichen Tritt in die Leiste verletzt hatten, er konnte nicht mehr mitwirken. Mit zunehmender Dauer wurde das Spiel unkontrollierter. Unser Torwart hielt die geballte Ladung beschämender verbaler Entgleisungen der Heimeltern direkt hinter seinem Tor aus.

Nach dem Ausgleich legten wir rasch nach und gingen erneut in Führung. Es kam zu weiteren Ruppigkeiten, durch die wir zwei Spieler verletzungsbedingt verloren. Nach einem fragwürdigen Eckstoß glich Wilmersdorf erneut aus und erzielte etwa vier Minuten vor Schluss einen dritten Treffer. Nachdem ein weiterer Spieler von uns durch gegnerisches gefährliches Spiel in Kopfhöhe mit blutender Nase ausschied, beschlossen wir, das Spiel aus Mangel an spielfähigen Spielern zu beenden.

Der Jubel der Heimmannschaft hatte den Lichteffekt einer schnell verglühenden Tageszeitung. Ihre Spielweise und ihre Einstellung zur Fairness glichen dem Ruß und der dünnblättrigen Asche, die nach einem solchen Feuer übrig bleiben. Man kann nur hoffen, dass dem Kinderschiedsrichter diese Mannschaft in Zukunft erspart bleibt.

[1. Spieltag Rückrunde / 14. März 2018]


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3:2 (0:1)
(2 x Fynn)
Es spielten: Albion, Blerton, Fynn, Samy, Levin, Kolja, Timo, Luca, Ion


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TABELLE ANSCHAUEN
EINBLENDEN / AUSBLENDEN