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AMA / F1
SAISON 2016 / 2017

Einen Schritt voraus

AMA f1 - Hürtürkel f1

4 : 3

Das war es nun, das Spiel der Spiele. Eine vom äußeren Rahmen her hoch angesetzte und mental zugespitzte Partie, der extra ein Beobachter vom Berliner Fußballverband beigestellt wurde, um beide Teams sicher durch die potentiellen Untiefen eines F-Jugendspiels in der Landesklasse zu lotsen. Bis auf einen kleinen Einwechselfehler von Seiten Hürtürkels keine außergewöhnlichen Vorkommnisse zu vermelden! Allein das stellt schon mal einen großen Erfolg dar, und vielleicht ist dieser sogar höher zu bewerten als das glückliche, wenn auch nicht unverdiente 4:3 zu unseren Gunsten.

Dass sich auch Hürtürkel etwas vorgenommen hatte für das erneute Aufeinandertreffen konnten wir bereits daran erkennen, dass sie uns zur Begrüßung einen mitgebrachten Schiedsrichter präsentierten, der ihrem Wunsch nach das Spiel leiten sollte. Da er aber leider seinen Schiedsrichterausweis vergessen hatte und wir wenn, dann lieber mit einem neutralen Schiedsrichter gespielt hätten und nicht mit einem entfernten Verwandten eines Hürtürkel-Spielers, wurde der Vorschlag von uns skeptisch betrachtet und nicht unterstützt. Der ruhige, besonnene Beobachter vom BFV schlug deshalb vor, die Partie ohne Schiedsrichter beginnen zu lassen – ein salomonischer, weitsichtiger Vorschlag, denn so waren beide Teams angehalten, von sich aus auf ein angemessenes und faires Verhalten zu achten.

Nach einer nicht wirklich überzeugenden und fahrigen Eröffnung gerieten wir prompt mit zwei Treffern in Rückstand. Nicht, dass ich nicht vorher vor den schnellen Spitzen Hürtürkels gewarnt hätte. Hürtürkel erzielte ebenso viel Treffer wir wir in der laufenden Saison, wurden aber einige Male mehr überwunden. Sie spielen ein gutes Pressing, bei gegnerischen Abstößen stehen sie komplett in der gegnerischen Hälfte, sie erobern sich erfolgreich Bälle im Mittelfeld und spielen sie schnell in die Spitze. Zweimal kurz hintereinander liefen wir ins offene Messer dieses zweikampfstarken Mittelfeldpressings und wurden kompromisslos ausgekontert. Wir wirkten lange nicht so homogen, ballsicher und spielfreudig wie zuletzt. Einige unserer Spieler wirkten müde, andere versuchten es erneut mit der Brechstange, ohne zu einem Erfolg zu kommen. So griff ein Rädchen nicht ins andere, und es knirschte in unserem Spiel erheblich. Der Gegner hatte nur wenig zu schwitzen und profitierte reichlich von unser komplexen Ungenauigkeit.

Stand es zur Pause nun unentschieden oder lagen wir 2:3 zurück? Ich weiß es nicht mehr! Ich weiß nur noch, dass ich mich zum ersten mal in meiner Karriere als Kinder- und Jugendtrainer zu einem emotionalen Kraftwort in der Kabine verstieg, und dies noch nicht einmal absichtlich! Erst versuchte ich den Kindern aufzuzeigen, was sie besser machen könnten, dann stellte ich die Mannschaft um, sprach jeden einzelnen Spieler Mut zu, worauf es irgendwie aus mir heraus platzte. Ich glaube, ich hatte die Faxen einfach dicke mit diesem Hürtürkel und dem ganzen Drumherum, ich wollte die Sache ein für alle Male beenden und auf ein normales Niveau herunter brechen, und das ginge nur als Sieger in dieser Partie! Und so redete ich mich kurz in Rage und endete mit „... und jetzt gehen wir da raus und bumsen die weg!“

Kleines Gekicher aus der einen oder anderen Ecke der Kabine - „bumsen“, hihi! Aber wenn es doch hilft? Und so wirkten wir frischer in der zweiten Halbzeit, bauten endlich den nötigen Druck auf und rannten mehr als der Gegner, wir ließen endlich den Ball und den Gegner laufen und kamen vermehrt zu guten Torchancen. Allein der Ball wollte nicht in das schöne neue strahlend weiße Netz, dass uns der Senat (oder der Verein?) in der letzten Woche spendiert hatte. Ein Kopfball, der knapp neben das Tor ging (Fynn), eine vergebene hundertprozentige Torchance frei vorm Torhüter (Luca), mehrere abgewehrte oder das Tor knapp verfehlende Schüsse (Timo, Fynn, Luca). Zum Haare raufen! Aber dann, endlich, der erlösende Ausgleich durch Timo! Jetzt nur weiter, nicht aufgeben! Und hinten sicher stehen! Kämpfen, laufen, immer einen Schritt schneller am Ball sein als der Gegner, ihn unter Druck setzen, aber selber ruhig bleiben dabei, klug kombinieren und auf die eigene Spielkultur vertrauen.

Und tatsächlich, die Uhr ist schon beinahe abgelaufen, es ist die vorletzte Spielminute, noch einmal gewinnen wir den Ball im Mittelfeld, schalten blitzschnell um auf Angriff, kommen über rechts, passen perfekt flach in die Mitte, wo Timo mitgelaufen ist, den Ball annimmt und präzise und knackig abschließt: Baff, das Ding ist drin! Zum ersten Mal an diesem eisigen Samstagmorgen gehen wir in Führung, und es ist nur noch knapp eine Minute zu spielen. Kann man sich eine für uns perfektere Fügung für solch ein Spiel vorstellen?

Hürtürkel stemmt sich gegen die drohende Niederlage, sie rennen noch einmal an, erzwingen einen Eckball, die Zeit ist im Grunde schon abgelaufen, aber den Eckball geben wir ihnen der Fairness halber noch. Der Ball kommt hoch rein, er sucht einen Mitspieler, er wird lang und länger, aber er findet keinen Weg durch unsere Defensive, wir wehren ihn ab, der Ball rollt über die Seitenlinie, es sind exakt 40 Minuten und 38 Sekunden gespielt, als ich das Spiel im einvernehmlichen Blickkontakt mit dem Spielbeobachter abpfeife.

Gewonnen, faire Handshakes zwischen Spielern und Trainern, nur ein kleines Aufbegehren eines Hürtürkel-Spielers noch, der an unserem letzten Treffer ein vorausgegangenes Foul meint erkannt zu haben. Es ist ausgerechnet jener Spieler, durch dessen wiederholtes Foulspielen die letzte Partie im Frühjahr aus dem Ruder lief und vor dem Sportgericht endete, aber das ist jetzt vergessen und Vergangenheit, jedenfalls für mich.

Es wird wohl immer eine gewisse Rivalität zwischen beiden Mannschaften geben, weil beide Teams gewinnen wollen. Aber zum Fußball gehört auch das Verlieren können, und das hat Hürtürkel an diesem Tag ehrenwert bewiesen: Respekt! So gesehen ist nun jedes Team dem anderen einen Schritt voraus!

[8. SPIELTAG / SAMSTAG, 26. NOVEMBER 2016]


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4:3 (2:3)
(2 x Fynn, 2 x Timo)
Es spielten: Jaden, Yaron, Julius F., Kolja, Luca, Fynn, Levin, Timo

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