AMA CUP TEIL 1
5. Platz
Es ist ehrenhaft, allen seinen 16 Spielern ein vorweihnachtliches Hallenturnier schenken zu wollen und daher neben dem regulären Spielbetrieb noch zwei Turniere an zwei aufeinander folgenden Wochenenden zu organisieren, so dass jeder Spieler mindestens einmal zum Halleneinsatz kommt. Aber letztlich kann man es doch nicht allen recht machen, und irgendetwas geht immer schief oder verfehlt die erhoffte Wirkung. Und außerdem ruiniert zu viel Perfektion die Gesundheit!
In der Nacht vor dem Hürtürkelspiel fragte ich mich noch, wie ich den nächsten Tag überstehen würde? Eine Erkältung hatte mich am Wickel, und ich fand nur schwer in den Schlaf. Aber dann fühlte ich mich doch einigermaßen fit am Morgen, wir gewannen sogar das brisante Liga-Spiel, und ich hatte im Anschluss noch Zeit für einen schnellen Kaffee und ein Schinkenbrötchen, um gleich darauf zu Event Nr. 2 zu eilen, das an diesem Tag stattfinden sollte: Dem AMA Cup, Teil 1.
Die Blücherhalle, unser Austragungsort, ist praktisch: Man fährt die Tribünen per Hand aus, stellt einen Kuchentresen auf, schmeißt die Kaffeemaschine an, begrüßt die eingeladenen Mannschaften und schon geht’s los! Von wegen, denkste! Ein Hallenturnier zu organisieren erinnert an eine Partie Minigolf, bei der jeder Schlag sitzen muss, sonst wächst das Handicap rasch in die Höhe. Fangen wir ausnahmsweise einmal mit dem Ende an, dem siebten Sieger, dem ein Päckchen Schaumküsse übergeben wurde aus Mangel an Pokalen. So etwas kann passieren, darf aber nicht! Ein Team, das längst zugesagt hat, rutscht aus dem Blickfeld, man geht von sechs Teams aus, besorgt entsprechend Pokale, und plötzlich sind es kurz vor Turnierstart doch sieben Mannschaften, aber der Zierblechfabrikant hat schon Feierabend.
Ironischer Weise gewinnt dieser aus dem Blickfeld gerate Teilnehmer dann auch noch das Turnier und heimst den größten der vorhandenen Pokale ein, womit die Farce erst richtig zur krönenden Verkehrung wird. Aber gut, ich bin ohnehin kein Freund der Blech- und Plastikkelche, ich würde lieber Medaillen vergeben oder von den Kindern selbst hergestellte Fantasiepokale aus Pappmaché. Von mir aus auch Trainingsequipment: ein Satz Leibchen, eine Stoppuhr, eine Trillerpfeife, denn diese retteten mir gestern das Leben.
Klingt dramatisch, aber so war es! Hätte ich nicht die kompletten dreieinhalb Stunden lang alle 21 Spiele hintereinander weg gepfiffen, wäre ich höchst wahrscheinlich an einem Cocktail aus Erschöpfung und verdrängter Erkältung zusammengebrochen. So hatte ich die ganze Zeit über ein festes Ziel und mehr oder weniger attraktiven Fußball vor Augen, was mich prima über die Runden brachte, wenngleich der Preis für mein egoistisches Schiedsrichteramt nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben war. Im Fernsehen am Abend, von dem ich mir eigentlich Entspannung erhoffte, lief nur Stuss, und ich wurde von eine Welle obskurer Schmerzen überrollt. Ich hatte keine Ahnung, wie mies und niedrig Fernsehen am Samstagabend sein kann!
Mein Rücken verspannte, mein Protein-C-Mangel ließ das Blut in den Beinen stocken. Ich lag flach auf der Couch und zappte durch die Programme. Ich erniedrigte mich sogar und guckte aus Mangel an Alternative bei den Privaten vorbei. Aber das war alles durch die Bank so unglaublich unterirdisch und brutal vor Blödheit, dass ich mir bereits wie unter einer zukünftigen Vize-Kanzlerschaft von Frauke Petry vorkam. Am Ende zog ich es vor, auch das zweite Auge zu schließen und mit Helen Dorn einzunicken. Ich erwachte Gott sei Dank erst kurz vor dem Ende. Aber ich wäre auch nicht unzufrieden gewesen, ganz aus dem Leben zu scheiden, denn am Vormittag hatten wir ja Hürtürkel geschlagen und mein Sohn hatte beim anschließenden Turnier einen Treffer erzielt, indem er den Torhüter den Ball frech durch die Beine schob - wenngleich nicht mit Absicht, wie er mir später verriet, aber das weiß ja niemand außer ihm und mir.
Ende gut, alles gut! Wir erspielten einen 5. Platz, bekamen einen dieser Blechpokale, der meinem Sohn auch noch mit nach Hause gegeben wurde, die Halle war schnell aufgeräumt, alle Gerätschaften weg geräumt, das Catering-Team, das sich so engagiert um den Verkauf der Kuchen und das atmosphärische Gelingen des Turniers gekümmert hatte, war bereits nach Hause gegangen, die Trikots zum Waschen übergeben, so stand ich noch kurz mit den Trainerkollegen draußen vor der Halle, plante die nächste Woche durch und verschwand dann in der rabenschwarzen Finsternis des vor-adventlichen Kreuzberger Abends und atmete viel frische, wohl tuende Luft. Es wäre untertrieben, wenn ich behaupten würde, in diesem Moment nicht äußerst zufrieden und sehr glücklich gewesen zu sein, denn wahrscheinlich war ich sogar überglücklich.
[AMA CUP 1 / SAMSTAG, 26. NOVEMBER 2016]