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AMA / F1
SAISON 2016 / 2017

Eine runde Sache

RIXDORFER SV f1 - AMA f1

0 : 8

Zum zweiten Advent kann die Sonne, selbst wenn sie im Zenit steht, beängstigend tief stehen. In der Stadt ist das Phänomen nur schwer zu erkennen. Die Blockbebauung versperrt die Sicht auf die Bewegungen am Himmel. Ein Sportplatz kann die flache Winter-Kegelbahn der Sonne gut zum Vorschein bringen. Es ist ein Trost, auch wenn ein Sportplatz mitten in der Stadt, umgeben von Häusern und Straßen, für manch einen auch eine akustische Herausforderung ist. Trotzdem möchte ich behaupten, dass ein Kiez-Sportplatz mehr Solidarität und gesellschaftlichen Ausgleich stiftet als 10 neue Townhouses und 1000 Parkplätze für Privatwagen.

In Rixdorf wurde der Innsportplatz vor zwei Jahren aufwändig saniert. Die Bauarbeiten zogen sich in die Länge, weil man unter dem abgenutzten Kunstrasen Kampfmittel aus dem zweiten Weltkrieg fand. Auch das gehört zu Berlin: Unter dem Asphalt liegt nicht nur der Strand. Berlin ist ein guter Ort, um zu begreifen, dass das Leben nicht nur horizontal, sondern auch vertikal ausgerichtet ist. Von unten kann immer etwas Böses kommen, von oben kann immer etwas Schönes kommen!

Unser Team brachte sich von ganz allein auf den Weg an diesem Samstagmittag in Rixdorf bei eisigen Temperaturen und einem harschen, harten Kunstrasenbelag. Es zeigte ansehnlichen Fußball, es kombinierte viel und ordnete sich der gemeinsamen Spielidee unter. Keiner interpretierte seine Position anders als im Sinne des schönen Spiels, und so fielen die Tore nach einer zehnminütigen Findungsphase wie von selbst. Freilich überließ uns der Gegner auch sehr viel Platz und Raum und drückte so gut wie gar nicht auf unser Tor. Er gab sein Bestes, aber es war erneut eine ungleiche Paarung von Beginn an wie schon vor einigen Wochen zuvor gegen die Hertha 06.

Ich bewundere die Genügsamkeit und Geduld von Trainern, Betreuern, Spielern und Eltern, die sich über neun Liga-Spiele hin in einer viel zu starken Liga wissen, aber nicht aufgeben und stoisch darauf warten, mit Beginn der Rückrunde endlich die Spielklasse wechseln zu können. Ich war selber einmal in dieser Situation und kann nicht umhin, in diesem System der Ligen-Zusammenstellung eine ungenügende Vorbereitung des Spielbetriebs durch Verband und Vereine zu erkennen. Was ist so schwer daran, im Vorfeld einer Saison die F- und G-Jugend-Teams um eine Selbsteinschätzung ihrer Spielstärke zu bitten, um sie dann entsprechend zuzuordnen? Wenn solch ein prekäres Leistungsgefälle etwas Gutes hat, dann dass einem darüber bewusst wird, wie ungerecht machmal eine Gesellschaft aufgestellt ist und wie Chancengleichheit durch ähnlich fatales politisches Missmanagement den Bach runter geht. Bildlich gesprochen: Es würde uns allen, nicht nur den Politikern, gut tun, mehr Sport- und Sonnenkegelplätze in unseren Köpfen frei zu machen!

Es war ein Spiel, bei dem wir beweisen konnten, ob wir den Sinn von Fußball bereits begriffen haben? Haben wir im Grunde, auch wenn bei dem einen oder anderen nach dem Spiel doch wieder eine kleine Enttäuschung über den ausgebliebenen persönlichen Torerfolg heraus zu hören war. Was soll erst ein Torwart sagen, wenn es im Fußball nur darum ginge, wer die Tore schießt? Den je eigenen Anteil am Spiel und am Erfolg zu erkennen, um das Spiel als solches zu begreifen – das müssen wir also noch einmal vertiefen.

Ein Schritt dahin ist unser AMA-Gruß, der mehr und mehr zu einer konsistenten Form gerinnt. Zerfaserte er bislang immer in ein zufälliges und je vereinzeltes widerhallendes Mr. Bean, Trampolin, Halloween, Tamburin am Ende, reduziert er sich nun wie von selbst auf eine knackige Schlusswendung. Nichts gegen lautliches Austingeln auf der syntagmatischen Achse, aber ein auf den Punkt gebrachter pardigmatischer Abschwung am Ende des Melodiebogens gefällt meinem inneren Gadamer doch viel besser: „... UND WAS HEISST DAS? AMA BERLIN, AMA BERLIN – WIR SIND EIN TEAM!“ Auch hier ist weniger mehr, und die Kinder spüren mit einem Mal, was es bedeutet, einer Gemeinschaft zuzugehören.

Ein Runde Sache also, wie unser Spielgerät! Und da hinein passt auch der erste sauber heraus gespielte Kopfballtreffer dieser Saison – Julius T. auf Flanke von Oskar, genau in den Winkel. Aber bitte, immer daran denken: Die Welt gleicht ihrer Form nach eher einer Kartoffel als einer Kugel. Das sieht man zwar nicht - weder aus der Höhe, noch von ganz unten - ist aber wissenschaftlich belegt.

[9. SPIELTAG/ SAMSTAG, 3. DEZEMBER 2016]


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0:8 (0:4)
(3 x Julius T., 2 x Ion, 1 x Luca , 1 x Kolja, 1 x Luis)
Es spielten: Luis, Luca, Ion, Eli, Julius T., Arturo, Kolja, Oskar

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