SG Großziethen u13 - Ama u13
2 : 6
Meist hält die Wirklichkeit eine unerwartete Alternative bereit und denkt gar nicht daran, sich einer voraufgegangenen Vorstellung von ihr anzupassen oder gar unterzuordnen. Und auch dieses Mal nahm sie einen parallelen Weg ins Ziel, wenngleich sie genau jener Vision folgte, die ich mir im langen Vorlauf der Partie von dem Spiel gemacht hatte.
Seit der Auslosung im Februar fragte ich mich, was ich von dem Team aus Großziethen halten dürfe? Würde es ein Gegner sein, der uns mit Glück und Können aus dem Rennen um den Edeka Cup wirft? Eher nicht, aber irgendeinen Haken gibt es ja immer, zumal in Pokalwettbewerben.
Zuletzt trafen wir vor über zwei Jahren aufeinander, lustigerweise am gleichen Ort, dem immer feuchten und herbstlich duftenden Rasenplatz in Waßmannsdorf, direkt hinter der Bahnlinie nach Süden. Es war seinerzeit das erste Gruppenspiel eines Sommer-Turniers kurz vor der vermaledeiten Fußball-Weltmeisterschaft in Russland, das wir trotz des unglücklichen Starts eben gegen diese Großziethener am Ende noch souverän gewannen. Eins zu null bezwangen sie uns im ersten Match des Tages, und ich weiß noch, wie idiotisch diese Niederlage war. Drückendes Spiel unserseits, aber eine irrwitzige Gedankenlosigkeit hinten im Verbund mit einer grandiosen Abschlussschwäche vorne sorgten für den frühen Turnierschock. Einige Jungs, damals wirklich noch Kinder, weinten und waren am Boden zerstört. Ich erklärte ihnen, das man von einem verlorenen Spiel nicht auf das ganze Turnier schließen dürfe. Am Ende rockten sie den Cup und sammelten zwei Extra-Trophäen ein. Fette Beute nannte ich das damals.
Eben diese Niederlage kam mir nun wieder in den Sinn, und jeder Fußballer kennt das von Pokalspielen, die ihre eigenen Gesetze besitzen. Sie sind einfach nicht auszurechnen. Hinzu kam plötzlich eine täglich länger werdende Liste der für den Spieltag säumigen Spieler. Familienfeiern, Reisespaß, Erkältungen, plötzliches Fieber sowie ein an der Hand verletzter Torwart. Plötzlich schrumpft ein großer Kader auf eine dünne Minimalbesetzung zusammen. Zum Glück konnte ich spontan einen Spieler aus der zweiten Mannschaft überreden, an alte Wirkungsstätte zurückzukehren und uns auszuhelfen. Zwar schienen dabei der Platz und die interessante Bahnlinie weitaus verlockender als Argument zu wirken als die Gelegenheit, nach langer Zeit einmal wieder in der leistungsorientierten ersten Mannschaft zu spielen. Aber von Aushilfe konnte dann am Ende wiederum auch keine Rede sein.
Hier war volle Einsatzbereitschaft gefragt, und die zeigte der Spieler durchaus und, wie ich finde, sehr eindrucksvoll und technisch versiert. Insofern war es die schwierige Vorbereitung zum Spiel absolut wert, ihn mitgenommen zu haben, nicht nur im Sinne des ganzen Teams, sondern auch für den Spieler selbst, denn das Versprechen, bei positiven Spielergebnis für den gesamten laufenden Wettbewerb eine Fahrkarte zu ziehen, gilt. Mitgekommen, Platz genommen! Wie gesagt, die Wirklichkeit hält immer einer überaschende Version bereit.
Was mich besonders freute am Ende dieses langen Spiels, das durch Corona einen Vorlauf von sieben Monaten hatte, war nicht nur der vor allem in der zweiten Halbzeit sehr souverän heraus gespielte Sieg, sondern die gesamte Flexibilität und Verantwortungsbereitschaft der verbliebenen Spieler, die sich für ihren engagierten Einsatz am Freitag-Spätnachmittag selbst belohnten. Der Witz ist, in der guten Version des Tages hatte ich mir den Spielverlauf genau so vorgestellt, nur die konkreten Bilder dazu hatten gefehlt.
Diese Reise über den Rand von Berlin hinaus wird uns in guter Erinnerung bleiben, nicht nur ob der spätsommerlichen Landschaftsbilder vor und nach dem Spiel, wärmstes Licht zur Hinfahrt, ein Pferd im Obstgarten, beglückende blaue Stunde zur Rückfahrt, angenehm nachwirkendes Glimmen von schönen Spielszenen und grandiosen Toren, selbst die versteckten Blitzer auf den schmalen Dorfstraßen bleiben unvergessen.
An guten Tagen sind wir derart flexibel und vielseitig, dass uns kaum etwas aus der Bahn wirft, weder Verletzungspech, noch der Ausfall von vielen Spielern. Die zehn, die mitgereist waren, brachten es hervorragend auf den Platz. Mochte die Präzision und das Schussglück in der ersten Halbzeit noch gefehlt haben, so nahmen wir ähnlich wie im Spiel gegen Empor zu Beginn der zweiten Halbzeit enorme Fahrt auf. Und wieder war es Timo, der für die spielentscheidenden zwei Sekunden sorgte: blitzschnell reagiert, präzise zugestochen, da hatte sich die halbe Stunde im Tor in der ersten Halbzeit doch gelohnt.
Allein diese Tatsache: Ein Spieler, der noch nie regulär im Tor stand, aber nichts anbrennen ließ, absolut gar nichts. Der Gegentreffer zum Eins zu eins Ausgleich in der ersten Halbzeit ging ganz auf die Kappe der Vorderleute, die es nicht schlau genug anfingen, den knappen Vorsprung zu sichern. Wir taten uns noch etwas schwer im Abschluss, die Präzision fehlte, der letzte entscheidende Zug. Ich wurde an der Seitenlinie unruhig. Sollte hier die Schreckensvision zum Zuge kommen? Guter Beginn, aber dann ein leichtfertiges Kippen des Spiels zugunsten des Gegners?
Doch in der zweiten Halbzeit lief es dann. Drei schnelle Tore kurz nach Wiederanpfiff, die uns genügend Polster verschafften. Tore, sehr schön heraus gespielt oder mit gutem Auge und grandiosem Fuß aus spitzem Winkel ins lange Eck geschlenzt, begeisternd! Ein kurzzeitiges Aufbäumen der Gastgeber noch, die zum Zwei zu vier verkürzten. Aber dieses Mal blieben wir konsequent, schnell wurde das Mittelfeld wieder verstärkt, und der Express Richtung Großziethener Gehäuse nahm erneut Fahrt auf. Noch zwei weitere schöne Treffer mit großen Druck und hoher Präzision heraus gespielt. Dem Gastgeber gingen darüber die Kräfte vollends aus, er war geschlagen. Ein kleines verbales Scharmützel noch nach dem Spiel, weil zwei Spieler ihre Fehde auf dem Platz nicht anders lösen konnten. Aber alles in allem doch ein sehr faires und freundschaftliches Spiel, natürlich mit großem körperlichen Einsatz auf beiden Seiten geführt.
Später, schon bei vollständiger Dunkelheit, die lange absurde Namensliste der kleinen leuchtenden Läden auf der Sonnenallee, die die Jungs hinten im Bus in ihren Reisekoffer packten, denn ja, auch ohne Mobils läuft es bei uns viel, viel besser.
Am Ende spielten wir genauso, wie ich es mir erhofft hatte - allerdings ohne die große Not eines geschrumpften Kaders. Umso schöner festzustellen, dass wir derart flexibel und vielseitig sind an guten und schwierigen Tagen.
Träumen wir also weiter von der großen Finalrunde in Hannover im Sommer 2021. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg.
[Edeka Cup 1. Runde / 18. September 2020]