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AMA / D1
SAISON 2020 / 2021

Spätsommerliche Hitze

VfB Einheit zu Pankow u13 - Ama u13

0 : 17

Vor knapp viereinhalb Jahren war ich schon einmal dort - an einem frühen Sonntag Morgen im April. Der Rasen glänzte nass, die Luft schmeckte frisch. Die Autos parkten neben großen Pfützen am unbefestigten Seitenstreifen in der heimeligen Siedlung neben dem Waldstadion. Wir hatten uns etwas verfahren.

Ich weiß noch, wie beeindruckt ich von der Weitläufigkeit des Platzes war. Er erinnerte mich an Orte, an denen ich in der Jugend gekickt hatte. Großartige Waldstadien, deren verschwenderische Weite von einer eigenwilligen Ruhe und Gelassenheit getragen schien. Plätze, die eine Aura versprühten, als betrete man ein andächtiges Gelände. Waldstadien sind die perfekte Verbindung von Wettkampfarena und englischem Landschaftsgarten. In einem Waldstadion kommt zum Fußball immer noch etwas hinzu - so eine Art natürliche Seelenmassage.

Ich kann mich an keine bittere Niederlage in einem Waldstadion erinnern. Vielleicht, weil sich eine Niederlage in einem Waldstadion niemals wie eine Niederlage anfühlt. Ganz im Gegensatz zur schmerzhaften und demütigenden Niederlage auf einem matschigen Dorfacker oder in einem engen, vor Emotionen überkochenden Hexenkessel. Es muss mit den beruhigenden Kräften der Bäume und der Weitläufigkeit der Orte zusammenhängen. In einem Waldstadion ist man quasi mit dem Betreten des Rasens bis in die Tiefe entspannt. Der saftige Naturrasen saugt alle Nervosität aus einem heraus.

Diesmal kamen wir nicht mit dem obligatorischen VW-Bus an, sondern neben den Familienkutschen in einem charismatischen roten Peugeot-Cabriolet aus den 90ern, eskortiert von einem ultramodernen weißen BMW-I8 mit Flügeltüren. Nicht zu vergessen das Tourenrad, auf dem ein Elternteil hinaus geradelt war als stattlicher Beweis für urbane mobile Vielfalt, an der man, wie ich finde, den demokratischen Grundsatz unserer Freiheit noch am besten ablesen kann. Ganz nach dem Motto, die mobile Würde des Menschen ist unantastbar, was leider von vielen motorisierten Verkehrsteilnehmer erheblich ignoriert wird.

Leben und Leben lassen also, auch wenn die Kräfteverhältnisse auf dem Platz dem auf der Straße auf erschreckende Weise glichen. Es dauerte nicht lange, da gingen wir in Führung und legten schnell weitere Tore nach. Der Gegner überließ uns mit dem Anpfiff das Spiel und stellte sich devot hinten rein, leider jedoch nicht kompakt genug, als dass wir nun dynamisch über die Außen hätten kommen müssen. Nein, selbst durch die Mitte war noch ausreichend Platz. So fragte mich der nette Kollege von Pankow nach dem vierten Gegentreffer, ob wir denn nun so stark oder sie so schwach seien?

Wir hätten einfach Glück, antwortete ich, gab aber auch zu verstehen, dass sein Team uns nicht gerade unter Druck setzen würde und sehr verhalten agiere. Im Grunde wirkte dessen Spiel, als wollte es partout vermeiden, überhaupt über die Mittellinie hinaus zu gelangen. So hätte auch unser an der Hand verletzter Keeper mitspielen können. Ja, eigentlich hätten wir ganz auf einen Keeper verzichten können. In den 60 Spielminuten bekamen wir keinen einzigen Schuss aufs Tor.

Wie soll man an so einem Spiel etwas Sinnvolles oder Konstruktives ablesen? Wieder einmal schossen wir reichlich Tore und ließen den Ball verhältnismäßig gut laufen, jedoch brachte uns das keinerlei neue Erkenntnisse über uns selbst ein. So unterhielt ich mich im Verlauf des Spiels zunehmend mit dem Heimtrainer, oder er mit mir, als wollte er mich - oder sich selbst - auf diese Weise ablenken und an der Seitenlinie ausdribbeln. Ich schaute dem Spiel zu, war aber nicht mehr konzentriert. Die Tore zogen an mir vorbei wie Autos an einer Straße. Der Gegner hatte lediglich einen Auswechsler, wir dagegen fünf - auch das entsprach dem asymmetrischen Kräfteverhältnis.

Immerhin erfuhr ich interessante Dinge wie zum Beispiel, dass der neue Torhüter von Empor, dem wir letzte Woche sieben Buden zimmerten, der alte von Pankow sei. Was mich schon ein wenig ärgerte am gemeinen Wesen der idiotischen Club-Hierarchien im Berliner Fußball. Denn der alte Torhüter von Empor ist ja nun der neue vom FC Union.

Nun gut, es ist sicher keine große Fußball-Kunst (genauso wenig wie unser Sieg gegen Pankow), Saison für Saison die stärksten Spieler aus allen kleinen Clubs aufzusammeln und in seine Teams zu stecken, um sie dann unter Leistungsdruck zu setzen und indirekt mit Rauswurf zum Saisonende zu drohen, falls sie sich nicht wie gewünscht entwickeln. Dafür bekommen die Spieler dann schöne Trikots mit dem großen Namen und werden sogar mit altersgerechten Kindersitzen für engagierte Spielfahrten ins Überregionale ausgestattet. Nur leider verschiebt sich das allgemein Sportliche nach unten hin ins nahezu Bodenlose. Irgendwann wird es dann wohl keine Waldstadien mehr geben, weil der Fußball am Stadtrand ausgestorben ist.

Bleibt die Erkenntnis, dass die wirklich progressiven gesellschaftlichen Veränderungen immer noch von unten ausgehen, niemals von oben.

In diesem Sinne: Fahrt mehr Rad und traut euch über die Mittellinie!

[Nike Youth Pokal 1. Runde / 12. September 2020]


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0:17 (0:6)
(3x Jonas, 3x John, 3x Timo, 3x Bela, 2x Albion, 2x Blerton, 1x Femi)
Es spielten: Bela, Blerton, Albion, John, Feris, Luca, Arda, Femi, Timo, Noah, Levin, Kolja, Jonas



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