AMA u13 - BFC DYNAMO U13
5 : 3
Diese Geschichte muss vorweg erzählt werden: Udo Zuchantke, Jahrgang 1936, pfeift die Pokal-Begegnung Tasmania (D1) gegen BFC Dynamo (D1). Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter, der schon Spielern wie Beckenbauer und Netzer die gelbe Karte zeigte, ist immer noch unterwegs im Berliner Amateurfußball. Er pfeift nicht stehend vom Mittelkreis aus, sondern geht die Wege, im Jargon: Er läuft! Immer auf Ballhöhe. Wenn‘s draußen zu laut wird, ruft er die größten Schreihälse schon mal heran und erinnert sie an Respekt und Miteinander. Verwarnungen für Trainer inklusive.
Fair Play - eigentlich Ehrensache, aber der Fußball wird wohl immer eine gesellschaftliche Nische bleiben, in der sich Ideal und Wirklichkeit erst zublinzeln, um sich dann heftig ineinander zu verbeißen. Dazwischen immer der Mann in Schwarz, das Pendel über der schwierigen Beweislage. Buhmann für die einen, Streetworker für die anderen. Dynamo verlor unglücklich mit einem Gegentor. Schmuddeliges Wetter, seifiger Teppich, irgendwie nicht wirklich ein Gala-Abend. Aber der legendäre Schiedsrichter inmitten des Neuköllner Gefühlskessels schon wieder ein Erlebnis - mit dem beruhigenden Schuss Weisheit und Vorbild in der kochenden Brühe. Sportler durch und durch.
Was man sich so alles erzählt vor einem Freundschaftsspiel und nach englischer Pokalwoche. Austausch und Frotzeln über den einen oder die anderen, netter Talk über Fußball und seine Nebenwirkungen. Gefahren durch Corona und Bezirksverordnungen, auch das ist wie ein Stelldichein von Realität und Wahn. Vom bevorstehenden Match keine Spur, der Platz verwaist, endlich mal Zeit, der zweitschönsten Nebensache der Welt zu frönen: Klönen, sich unterhalten, austauschen, Witze reißen. Da schließt der Platzwart schon die Tore auf. "Na, dann wollen wir mal! By the way, habt ihr zufällig einen Schiri dabei? Besser ist‘s ja!"
Den Schiri macht dann ein ganz junger, ein guter alter 2007er von uns, wenn auch mittlerweile in einem anderen Verein spielberechtigt - aber genau das ist es ja: Immer eine Familie, wenn man es richtig denkt. Von Kreuzberg aus gesehen, Kreuzberger, von Berlin aus gesehen, Berliner - und so weiter und so fort. Ist doch eigentlich nicht so schwer.
Das ist das Schöne am Fußball: Mal gewinnt man, mal verliert man, aber die Welt geht davon nicht unter. Es gibt immer ein nächstes Mal, wenngleich das nächste Spiel immer das schwerste ist, wie es so schön heißt. Kann der Fußball Gelassenheit lehren? Bei allem Ernst und Ehrgeiz, das sollte er!
Dynamo hat mitgedacht und weiße Trikots eingepackt, es geht nichts über solide Spielvorbereitung. Ich hätte Leibchen in petto gehabt, aber so ist es natürlich viel schöner. Weinrot übernimmt sogleich die Initiative, spielt locker auf, und ehe sich Weiß gefunden hat, steht es auch schon Eins zu null für Weinrot. Wieder ein sehr gutes Zusammenspiel zwischen dem linken und dem rechten Angreifer, beherztes Dribbling, extrem gutes Auge, präzises Zuspiel in den Rückraum, trockener Schuss aus sieben Metern, Tor.
Aber Weiß denkt gar nicht daran, sich davon beeindrucken zu lassen. Gleicht sieben Minuten später aus. Dann das gewohnte lange Abtasten beider Teams mit je wechselnden Übergewichten im Mittelfeld und mehr oder weniger gelingenden Aktionen. Kurz vor der Pause dann noch mal ein energischer Durchbruch von uns mit einem satten Abschluss. Zwei zu eins. Nach der Pause wiederum schnell der Ausgleich. Irgendwie merkt man beiden Teams an, dass heute lockere Spielfreude überwiegt und nicht verbissener Kampfgeist. Ein bisschen Regenerationskicken nach den aufreibenden Pokalspielen.
Wir finden in unsere beste Phase und schießen drei Tore innerhalb von acht Minuten. Erst wieder einer dieser direkt verwandelten Freistöße aus gut und gerne dreiundzwanzig Metern, die beinahe immer etwas tölpelhaft wirken, aber dermaßen gewollt und präzise ins lange Eck gezirkelt sind, dass sie mich schon nicht mehr erstaunen. Den Trainerkollegen von Weiß allerdings schon - na, ich könnte ihm Geschichten erzählen: Eckbälle aus rechter Position mit rechten Fuß direkt ins lange Eck verwandelt (liest du hier!), unmögliche Dinger.
Das Geburtstagskind, das schon recht große, beschenkt sich selbst mit einem Treffer, ist perfekt mitgelaufen, bringt eine schöne Kombinationsfolge über vier Stationen zur Vollendung. Und dann ist da noch so eine Art halber Abstauber, denn zur anderen Hälfte wirkt der reaktionsschnelle Schuss aus kurzer Distanz beinahe wie angeschossen, aber auch das muss man erst mal hinbekommen und sah irgendwie auch ganz witzig aus.
Mit dem Vorsprung im Rücken fällt unsere Konzentration schon wieder etwas ab. Auch das ist wie im wahren Leben. Die Weißen indessen kommen auf und drücken deutlicher auf unser Tor. Folglich bringen sie den Ball noch einmal unter, sehenswert und mit schönem Tempo über die linke Seite vorgetragen.
Ja, tatsächlich, jetzt es ist es ein Fußballspiel, beide Teams sind drin im Match, das Ergebnis eigentlich Nebensache. Man merkt den Jungs an, dass sie einfach Spaß am Kicken haben und alles um sich herum vergessen an diesem frischen Samstagmorgen kurz vor Zehn Uhr. Es regnet nicht, die Sonne kommt später noch vor. Corona lässt uns gerade so in Frieden, auch wenn zu befürchten steht, dass alles wieder ganz schnell gehen kann. Shutdown NR. II, Abbruch der angespielten Saison. Aber noch ist alles im Lot, beinahe wie im Märchen.
Wie gesagt, das nächste Spiel ist immer das schwerste.
[Freundschaftsspiel / Sa. 10. Oktober 2020]