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AMA / D1
SAISON 2020 / 2021

Rauschende Brandung

AMA u13 - Fc Hertha 03 u13

4 : 3

"Die Welt war zwar kein Fußball, aber im Fußball, das ist kein Geheimnis, findet sich eine ganze Menge Welt."

(Ror Wolf)


Es gibt nicht oft diese Spiele, in denen es beiden Teams gelingt, über die Dauer des gesamten Spiels eine derart hohe Spannung zu erzeugen und am maximalen Limit zu halten. Wenn ich insbesondere das in der zweiten Halbzeit beständig rauschende Auf und Ab beider Mannschaften auf das jeweils gegnerische Tor mit etwas vergleichen wollte, dann wohl am ehesten mit der nie nachlassenden Brandung an einigen Stränden der französischen Atlantikküste.

Immense blaue Wellen mit weiß schäumenden Gischtkämmen vor Mimizan Plage. In ungeheurer Geschwindigkeit raste die Hertha von Beginn an auf uns zu. Es konnte einem Angst und Bange werden bei diesen Anläufen. Aber den Spaß, sich genau in diese heranrollenden Brecher zu stürzen, sie förmlich zu stehen, zu durchschlagen oder geschickt unter ihnen hindurch zu tauchen, gar geschmeidig auf ihnen dem Strand entgegen zu surfen, ließen wir uns nicht nehmen. Einige Male wurden wir heftig durchgerüttelt, verloren kurz das Gleichgewicht, gingen in dem Angriffsstrudel der Hertha unter. Aber insgesamt kam mir das Spiel durchaus beherrschbar vor. Uns durfte nur kein Fehler zu viel unterlaufen.

So zwang uns die Hertha zwar mit dem Anpfiff in unsere Hälfte, doch gelangen uns nach gut zwei Minuten die ersten Durchbrüche und schnellen Angriffe auf ihr Tor. Gleich der erste konnte nur durch ein Foul gestoppt werden: Strafstoß in der dritten Minute - auch das kommt nicht alle Tage vor. In dieser Partie war Pfeffer, das war zu spüren. Unser Schütze blieb eiskalt, nicht umsonst hatten wir zwei Tage zuvor das Training mit einem Neunerschießen beendet. Drei Minuten später bereits der nächste Durchbruch. Wieder befreiten wir uns geschickt vom Druck der schnellen und wachsamen Blauen und drangen in die Tiefe vor. Die Zuspiele saßen, das Kombinationsspiel passte, unsere Nerven blieben glatt und geschmeidig, ein gezielter Schuss aus der halbrechten Position ins lange Eck, schon stand es Zwei zu null.

Ein wenig stellte der Spielstand das Gleichgewicht der Kräfte auf dem Platz auf den Kopf. Aber irgendwie hatten wir das Glück auch geschickt erzwungen. Die Hertha war durch ihr rasantes Pressing ein wenig zu hoch ins Risiko gegangen, wir hatten uns geschickt befreit und schnell zwei Mal zugeschlagen. In den nächsten 14 Minuten sollten sich beide Teams intensiv abtasten und versuchen, jeweils ihr Spiel durchzubringen. Immer wieder kam die Hertha druckvoll und mit klugen diagonalen Pässen auf ihre schnellen Spitzen in unsere Hälfte, behaupteten dort den Ball und dribbelte bis zur Strafraumgrenze. Noch fehlte uns der Zugriff im Mittelfeld, aber mit großer Leidenschaft und hohem Einsatz gelang es uns, ihre Angriffe ins Toraus oder zur Seite abzuwehren. Gleichwohl blieb einem jedes Mal der Atem stehen, wenn wieder eine dieser formschönen blauen Wellen auf uns zukamen.

In der zwanzigsten Minute dann die Kopie des Angriffs aus der dritten Minute, und wieder konnten wir nur durch ein Foul gestoppt werden. Das machten wir sehr klug: Nicht immer gleich wahllos auf das Tor schießen wie noch in den Spielen zuvor, lieber immer einen Ticken näher herankommen und noch ein Zuspiel suchen, bis ein Spieler endlich aussichtsreich genug in Position kam. So erzwangen wir die Strafstöße förmlich. Der nächste Schütze trat an. Als hätte ich ihn per Sender bestimmt, schnappte er sich den Ball und trat an. Ich war mir ziemlich sicher, dass er trifft. Zum Glück tat er es auch!

Drei zu null, eigentlich ein Polster, auf dem man solch ein Spiel geschmeidig nach Hause bringen könnte. Aber dann zeigten wir uns für einen Moment extrem nachlässig, was die Hertha umgehend ausnutzte. Ein dummes und ärgerliches Gegentor, so kurz vor der Pause, das nur dem Gegner Aufwind gab, uns dagegen als Schreck und Warnzeichen in die Glieder fuhr.

In der Pause dann der Versuch, die Spielausgangslage für die zweite Halbzeit taktisch klug zu erfassen und exakt zu bestimmen. Nicht zu hoch ins Risiko gehen, lieber einen langen Ball mehr spielen, als in Schönheit zu sterben. Aber vor allem nicht nachlassen oder dem Gegner gar das Feld kampflos überlassen - im Gegenteil, viel mehr erste Bälle behaupten, weiterhin engagiert Fußball spielen und den Ball laufen lassen, Angriffe mutig zu Ende spielen.

Und wieder rollten die Blauen auf uns zu, schickten ihre ungeheuer dynamischen Spitzen auf die Reise, drückten sogar aus der Tiefe wuchtig und wendig hinterher, so dass wir allen Mut und allen Schneid aufbieten mussten, vom ersten bis zum letzten Spieler, um diesen lautlos heran schnellenden wuchtigen Angriffen standzuhalten. Wann immer es ging, nahm ich das Tempo raus, sei es durch einen Wechsel oder durch beruhigende Zurufe. Der Druck erhöhte sich, doch kamen wir immer wieder auch gut über die Mittellinie mit langen Bällen, die unsere Spitzen geschickt festmachten und im Spiel hielten. Entlastungsangriffe, die sogar zunehmend zur Gefahr für die Hertha wurden, und tatsächlich, nach einigen guten Möglichkeiten passte es endlich wieder, der Ball wurde nach feiner Vorarbeit und klugem Pass des Linksaußen vom mitgelaufenen Sturmkollegen trocken über die Linie gedrückt. Vier zu eins, und ich war nun der Meinung, jetzt hätten wir sie!

Denkste.

Schon im Gegenzug wieder eine dieser schrecklichen Konzentrationslücken. Eine heftig von hinten heran rollende Woge, plötzlich direkt über uns, wir noch beseelt vom vierten Treffer, haut sie uns direkt in den Rücken und macht unseren schönen neuen Vorsprung zunichte. Anschluss: Zwei zu vier - und damit vor allem neuer Motivationsschub für die Hertha.

Von da an nur noch ein einziges Auf und Ab beider Teams, ein unentwegtes Rollen und Gegenrollen. Wir mit langen Eröffnungen und intensivem Pressing im Mittelfeld, die Hertha mit schneidigen tiefen Pässen auf die von Außen ins Zentrum sprintenden Spitzen. Dann plötzlich ein Pfiff. Ich meinte, wir hätten den Angriff des Gegners sauber vor der Strafraumgrenze geklärt, unser Spieler hatte beim Tackling deutlich zuerst den Ball gespielt, aber der Schiedsrichter stand wohl besser. Neuner für die Hertha, zehn Minuten vor Schluss. Herrjeh!

Treffer, jetzt wird es eng! Der Trainerkollege hat Theaterkarten, muss das grandiose Schauspiel zugunsten eines anderen verlassen, er kann sich kaum losreißen. Ein ausgewechselter Spieler hält es nicht mehr an der Seitenlinie aus, tigert auf und ab, redet wie entgeistert vor sich hin. "Ich kann nicht mehr, ich halt‘s nicht mehr aus, ich halt‘s nicht mehr aus!" Die Angriffe rollen, die Schüsse kommen aufs Tor, unser Keeper hält und wehrt alles ab zu den Ecken. Dann wieder Entlastungsangriffe auf der anderen Seite, auch dort wächst der Keeper weit über sich hinaus. Eine Bude nur, eine einzige Bude noch, so oder so! Die Zeit tickt, dehnt sich unerträglich lang, hier ist noch nichts gegessen, es kann jederzeit passieren, in die eine wie auch in die andere Richtung.

Die Spannung ist voll am Anschlag, immer noch vier Minuten, wir gewinnen jetzt ein ganz klein wenig Raum zum Atmen, aber die Hertha behält ihre gespannte Konzentration, das ist beinahe noch gefährlicher als emotionales Überkochen, sie brauchen nur diese eine winzige Lücke, schon kämen sie durch und wären im Neunerschießen, vielleicht sogar noch mehr. Einwurf, gleich noch mal Einwurf, wieder fünf Meter Raumgewinn, ein dritter Einwurf, noch mal fünf Meter, sieht gut aus, auch wenn‘s nicht gut aussieht, weiter so: Entlastung, Ruhe, Luft schöpfen, konzentriert bleiben! Alles ist so eng und gespannt - es bleibt nicht mal mehr Zeit und Raum für einen letzten Wechsel.

Ecke, Angriff, langer Ball, Sprint in die Tiefe, Abwehren, selber neu ansetzen, Ball nach vorne, hin und her, aber langsam spüre ich, dass sich das Spiel seinem Ende nähert. Jetzt einfach nur solide stehen, keinen Angriff mehr zulassen, cool bleiben, dann wird es reichen. Wir sind bereits in der Nachspielzeit, die Hertha kommt noch einmal auf, gibt nichts verloren, bleibt dran, wir schließen die Linien, wehren ab. Der Ball rollt ins Seitenaus, da pfeift der Schiedsrichter das Spiel ab! Jubel bricht aus! Wir haben gewonnen, was für ein Spiel! Einige Eltern an der Seitenlinie sind verwirrt: Wieso jubeln die Jungs? Steht es denn nicht unentschieden?

Ungaublich - wie kann man nur solch ein Spiel im Bewusstsein eines falschen Ergebnisses erleben? Das hätte Ror Wolf gefallen!

Eigentlich müssten beide Teams für diese hervorragende Leistung an diesem regnerischen Donnerstag Abend im Oktober belohnt werden und weiterkommen. Aber so gnadenlos ist nun mal Pokal.

Diesmal waren wir die Glücklichen, wer wird es beim nächsten Mal sein?

[Nice Youth Cup - 2. Runde / Do. 8. Oktober 2020]


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4:3 (3:1)
(2x Albion, 1x Blerton, 1x Arda)
Es spielten: Samy, Bela, Blerton, Albion, Feris, Arda, Femi, Noah, Jonas, Luca, John, Timo



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ERGEBNISSE ANSCHAUEN
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