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AMA / D1
SAISON 2020 / 2021

Ein starkes STück

Aufreger der Woche

Hertha 03 erhebt Einspruch

Ok, ich bin selber ein ziemlicher Kontrollfreak, einer der gefährlichsten Sorte. Allerdings nur in bestimmten Lebensbereichen, nicht in allen. Eine sozial-pathologische Ursache dafür dürfte in der gefährlichen Mischung aus angelerntem Misstrauen und antrainiertem Perfektionismus bei mir sein, ideell gekontert vom frommen Wunsch nach absoluter Gerechtigkeit.

Im Grunde bin ich ein abergläubischer Ungläubiger, was insofern stimmt, als dass ich als Katholik in einer protestantisch dominierten Kleinstadt Norddeutschlands aufwuchs. Außerdem bescherte mir das Lebensglück feuerrote Haare, was in den Siebziger Jahren noch ein gewisses Aufsehen erregte. Derart zweifach geadelt, konnte ich sehr leicht zu einem renitenten, unangepassten Gerechtigkeitsfanatiker werden.

Lange Rede, kurzer Sinn: Der Aufreger der Woche war der absurde Einwurf des Leiter Spielbetriebs von Hertha 03, es habe bei unser Pokalbegegnung gegen seine 2008er-Schützlinge von Seiten der Amateure eine unzulässige Anzahl eingewechselter Spieler gegeben. Der Spielbericht müsse offiziell geprüft und der Gewinner durch das Sportgericht neu bestimmt werden.

Nichts leichter als das!

Laut Spielbericht, den der junge Schiedsrichter des Spiels zu verantworten hat, wechselten wir sechs Spieler ins Spiel, was die zulässige Anzahl um einen Spieler übersteigt. Es ist also zunächst nicht verwunderlich, dass dem Leiter Spielbetrieb von Hertha 03 im siebentägigen Nachgang des Spiels diese formale Unzulässigkeit auffallen musste und er Kraft seines Amtes an höherer Stelle um Klärung bat. Ob es dann allerdings gleich notwendig ist, direkt Einspruch zu erheben und sich einer Sportgerichtsverhandlung zu überantworten, sei dahin gestellt. Ein bisschen kafkaeske Bürokratie bringt immerhin die köstlichsten Absurditäten zur Welt!

Fakt ist: An der besagten Partie wirkten von unserer Seite insgesamt 11 Spieler aktiv mit, ein zwölfter saß das gesamte Spiel auf der Einwechselbank. Wie viele Hertha-Spieler mitgewirkt haben, kann ich leider nicht sagen, aber es dürften sicherlich nicht weniger als 11 oder mehr als 13 Spieler gewesen sein, soviel kann ich ruhigen Gewissens behaupten. Und selbst wenn es mehr oder weniger gewesen wären, wäre es mir auch egal. Wie kann es nun aber geschehen, dass der vom angesetzten Schiedsrichter ausgefüllte Spielbericht insgesamt 14 eingesetzte AMA-Spieler aufführt und damit im Nachgang eine formal-rechtliche Intervention des Leiter Spielbetriebs von Hertha 03 provoziert?

Meines Erachtens liegt der Fall ziemlich klar auf der Hand und lässt sich auch widerspruchslos erklären. Wie zu jedem Ligaspiel muss vor dem Spiel eine Aufstellung in die digitale Maske des DFB-Net eingegeben und spätestens zwanzig Minuten vor Anpfiff freigegeben werden. Freizugeben bedeutet, dass das, was dann vom Mannschaftsverantwortlichen oder Assistenten eingeben wurde, im System nicht mehr verändert werden kann. Sollte sich also ein Spieler kurz vor dem Anpfiff dummerweise den Fuß verknacksen und nicht mitspielen können, würde er immer noch in der digitalen Aufstellungsliste stehen bzw. auf der digitalen Ersatzbank sitzen.

Als ich nun das Spiel am Donnerstag Nachmittag, wie es so schön heißt, freigab, war der Anpfiff noch etwa zwei Stunden hin. Einer meiner Spieler sagte mir kurz daraufhin per SMS ab, weil er sich in der Schule eine Nasenverletzung zugezogen hatte. Laut Spielbericht wurde er wunderlicherweise jedoch in der 27. Minute eingewechselt, und dies, obwohl er nicht einmal auf dem Sportgelände zugegen war. Ein zweiter Spieler erklärte mir direkt zum Treffpunkt eine halbe Stunde vor Anpfiff, dass er noch nicht spielfähig sei aufgrund einer Verletzung. Auch dieser stand jedoch in der digital freigegeben Spielerliste und wurde laut Spielbericht dann sogar in der 36. Minute eingewechselt, was insofern jedem hätte auffallen müssen, als dass er stark humpelnd und mit einer grünen Joppe über das Spielfeld gerannt wäre - laut Spielbericht sogar bis zum Ende des Spiels. Wahrscheinlich sah man ihn nur deshalb nicht, weil er so dermaßen schnell humpelte, sodass ihn niemand zu Gesicht bekam. Leider schoss er kein Tor, was wiederum sehr günstig war für das formal-rechtliche Verhängnis falscher Einwechselangaben durch den Schiedsrichter, wie sich zeigen wird.

Wir traten also insgesamt mit 12 Spielern zum Spiel an, obwohl 14 Spieler in der DFB-Maske freigegeben waren. Nun geschah folgendes: Das Spiel begann und wir wechselten im Verlauf, wie das im Fußball so ist, Spieler ein und Spieler aus, erst einen ersten, dann einen zweiten, dann noch einen dritten Spieler. Der vierte zur Verfügung stehende Spieler kam leider nicht zum Einsatz, wenngleich er laut Spielbericht schon ab der 14. Minute agierte und auch nicht mehr ausgewechselt wurde.

Der Schiedsrichter notierte sich bei jedem Wechsel zumindest die Wechselzeiten, wie mir schien, aber - und hier liegt der Hase im Pfeffer - dabei wohl nicht die jeweiligen Nummern des eingewechselten und ausgewechselten Spielers. Da in dem Spiel mehrmals ein- und ausgewechselt wurde, kamen in der Summe durchaus sechs Wechsel bei uns zustande, aber eben nicht mit sechs zusätzlich zu den acht von Beginn an aufgestellten Spielern, sondern lediglich mit drei Spielern.

Nach dem Spiel füllte der Schiedsrichter nun den Spielberichtsbogen aus. Er erfasste Tore und Torschützen wie auch die Einwechslungen und Auswechslungen - doch eben bei der Eingabe der Wechsel nahm er es mit der Wirklichkeit nicht mehr ganz so genau. Er wählte wahllos aus der digitalen Aufstellungsliste Spieler, die er ein- und auswechselte, so auch jene drei Spieler, die an dem Match keine einzige Minute mitgewirkt hatten.

Immerhin wechselte er so genau, dass keine logischen Systemfehler mit etwaigen eingetragenen Torschützen entstanden, denn ein eingetragener Torschütze macht sich nicht unbedingt besonders gut, wenn er laut Wechselangabe kurz zuvor ausgewechselt wurde. So kamen jedoch gerade dadurch Spieler für die virtuellen Wechsel in Betracht, die kein Tor geschossen hatten, was bei Spielern, die gar nicht mitgespielt haben, in der Regel immer ganz gut passt. Klar soweit? So geschah das, was ich als Eintritt einer ungewollt eingetretenen uneigentlichen Wirklichkeit auf dem Papier bezeichnen möchte. Es kamen laut Spielbericht Spieler zum Einsatz, die sich weder auf dem Platz noch in einem Fall überhaupt auf dem Sportgelände befunden hatten. So etwas kam man wahrscheinlich nur mit biblischen Wundern erklären.

Wenn man sich den Spielbericht und die Wechsel im Detail anschaut, hätten also zwei Spieler, die gar nicht spielfähig waren, wovon einer nicht mal auf dem Sportgelände war, der andere immerhin in Freizeitkleidung, an dem Spiel teilgenommen. Ein dritter Spieler wurde angeblich schon früh eingewechselt. Seltsamerweise erhielt ich noch am Abend eine Mail von dessen Mutter, die mir mitteilte, dass ihr Sohn etwas geknickt sei, weil er in dem Match keine einzige Minute lang mitwirken durfte. Aber es kommt noch dicker. Sämtliche anderen Wechsel des digitalen Spielberichts liegen in ihrem Wahrheitsgrad zur Wirklichkeit nicht viel besser. Demnach wurden Spieler ausgewechselt, die wiederum von sich selbst behaupten, das gesamte Spiel durchgespielt zu haben. Standen sie unter Drogen? Andere wiederum kamen laut Spielbericht zu einem Zeitpunkt zurück ins Spiel - was sie sich selbst sicherlich sehr gewünscht hätten, was aber leider auch niemals so geschehen war.

Dieser löcherigen und irreführenden Art stellt sich also der digitale Spielberichtsbogen dar: Er ist voller falscher Angaben und digitaler Behauptungen, die der erlebten Wirklichkeit von mehr als zwei Teams und geschätzten achtzig Zuschauern einfach nur Hohn spotten. Er behauptet eine Wirklichkeit, die so niemals stattgefunden hat. Aber immerhin lässt sich daraus eine kafkaeske Sportgerichtsverhandlung herausschlagen, die nun klären soll, welcher Mannschaft das Weiterkommen im Wettbewerb gebührt. Als wenn das überhaupt für irgendjemanden, der bei diesem äußerst spannenden Spiel zugegen war, zur Diskussion stünde?

Die Frage ist, wie verfährt nun das angerufene Sportgericht? Befragt es lediglich den Schiedsrichter? Und wird dieser wohl wahrheitsgemäß antworten? Wird er, indem er sich selbst belastet, zugegeben, es bei der Eingabe der Wechsel nicht ganz so genau mit der Wirklichkeit genommen zu haben? Oder darf auch einer der vermeintlich eingewechselten Spieler zur Äußerung kommen und seine tatsächlich erlebte Wirklichkeit gegen die behauptete verteidigen? Ist immerhin eine ziemlich harte Existenzprobe, wenn ein Spielberichtsbogen behauptet, man habe an einem fantastischen Spiel teilgenommen, an dem man leider gar nicht teilnehmen konnte, weil man verhindert, verletzt oder gar nicht eingewechselt wurde. Das grenzt schon an strafrechtlich relevanten Identitätsdiebstahl!

Kurzum: Ich würde mir wünschen, dass das Gericht von sich aus salomonisch genug ist, schnell zu erkennen, dass auch einem erfahrenen jungen Schiedsrichter in komplizierten Corona-Spielbetriebs-Zeiten durchaus mal ein kleiner, wenn auch praktischer und eher unbürokratisch gedachter Eingabe-Fehler unterlaufen kann, der bei bestimmten sensiblen Leitern Spielbetrieb allerdings zu irreführenden formalen Annahmen und natürlichen Überreaktionen führen kann, die wiederum eine verfängliche Kette der Sportgerichtsbarkeit in Gang setzen - ganz im Sinne eines kafkaesk adaptierten Bühnenstücks.

Ich persönlich habe jedenfalls keinen Zweifel daran, dass das Gericht und der Leiter Spielbetrieb von Hertha 03 recht schnell einsehen werden, dass nicht nur die sportliche Rechtmäßigkeit des Sieges der Berliner Amateure über die Hertha 03 an diesem Abend außer Frage steht, sondern sogar die formelle. Weder gab es eine unzulässige Anzahl eingewechselter Spieler, noch wurden vierzehn Trikots frisiert, wenngleich der fehlerhafte Spielbericht für Außenstehende etwas anderes suggerieren mag. Es gibt allerdings immer noch viele Menschen, die wortwörtlich an das glauben, was in der Bibel oder in der Zeitung steht. Auch das gehört nun einmal zur Wirklichkeit. Ich wünschte, ich könnte das vor einem Sportgericht einmal verhandeln lassen.

Mein Tip: Am besten beim nächsten Mal einfach mitkommen zum Spiel und sich von der begeisternden Woge eines solchen Pokalabends weit in die Woche tragen lassen - auch wenn man als Verlierer den Platz verlassen muss. Denn eines stand für mich ebenso außer Frage: Beide Teams hätten aufgrund ihrer sportlichen Leistung das Weiterkommen verdient. Die Amateure schossen jedoch ein Tor mehr, und dies sogar mit einem Spieler weniger auf dem Platz. Genau so war es und nicht anders!

Wem die Posse als solche noch nicht reicht, hier noch mal der herrliche Fußball der Philosophen. Mag sich jeder selber aussuchen, welches Team des Pokalabends welchem Philosophenteam entspricht.

P.S. Angesichts des juristischen Nachgangs des Spiels bekommt die Theaterpremiere von Ibsens Gespenster am BE am selben Abend, deretwegen mein CO-Trainer das Spiel vorzeitig verlassen musste, noch einmal eine ganz besonders exquisite Note.

[Nice Youth Cup - 2. Runde / Do. 8. Oktober 2020]


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4:3 (3:1)
(2x Albion, 1x Blerton, 1x Arda)
Es wirkten laut Spielbericht mit: Samy, Bela, Blerton, Albion, Feris, Arda, Femi, Jonas, Luca, John, Timo - sowie die Geisterspieler: Noah, Levin und Kolja.



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ERGEBNISSE ANSCHAUEN
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