Füchse U13 - AMA u13
gleich stark, gleich auf
Ein bisschen beschämt war ich am Ende schon, als meine Mannschaft die Glückwünsche des gegnerischen Kollegen nicht annahm oder wenigstens höflich erwiderte. Aber verdenken mochte ich meinen Spielern die abweisende Reaktion auch nicht. Sie hatten über die drei mal dreißig Minuten eine leicht übertriebene Härte und einige heftige Fouls hinnehmen müssen, ohne dass ihnen auf dem Platz jemand wirksam zur Hilfe gekommen wäre.
Es ist ein leidiges Thema, auch wir haben Spieler, die in bestimmten Zweikampfsituation dazu neigen, die Hände zur Hilfe zu nehmen, um den Gegenspieler ein wenig von hinten zu schubsen und somit aus dem Gleichgewicht zu bringen. Hier und da gehen dem einen oder anderen sogar die Nerven durch und er neigt zum Revanche-Foul.
Es sind dies fußballerische und charakterliche Automatismen, die sehr schwer zu durchbrechen oder gar abzustellen sind. Unendlich oft können sie angesprochen oder angemahnt werden. In der Hitze einer Spielsituation kommen sie rasch wieder zu Tage. Insbesondere dann, wenn sie durch ähnlich gelagerte Automatismen des Gegner an sich selbst erinnert werden. Meistens kommt es dann im Spiel zu dem ewig sinnlos hin und her gerufenen Vorwurf: Ihr schubst und foult doch auch!
Der beste Weg ist meist ein Schiedsrichter, der dem Spiel eine klare Linie vorgibt. Der Schiedsrichter bestimmt den Grad der zulässigen Härte, an dem sich alle ausrichten können. Bei dem einen ist ein kleiner Schubser von hinten noch lange nicht strafwürdig. Ein anderer pfeift ihn konsequent ab.
Als schmächtiger Spieler habe ich gegen körperlich große Kanten sicherlich schnell ein Nachsehen, weil ich wie eine Fliege an der Wand abpralle. Wenn die Wand dann auch noch Hände bekommt, mit denen sie ein bisschen schubst und arbeiten kann, fliege ich nur so durch den Raum. Dies könnte ich wiederum gut nutzen, um ziemlich beeindruckend durch den Strafraum zu segeln. Und wenn ich es besonders geschickt anstelle, sieht es sogar derart gefährlich aus, dass ich sogar schnell einen Strafstoß zugesprochen bekomme. Mit anderen Worten, die Linie der kleinen Tricks und irregulären Vorteilsnahmen kann sowohl in die eine als auch in die andere Richtung verschoben werden.
Im Kinder- und Jugendfußball ist es meist so, dass die Teams, die mit größerer Härte agieren, das Spiel der anderen recht schnell zerstören können. Wird ihre Gangart nicht unterbunden, bekommen sie rasch Oberwasser und perpetuieren ihre kleinen Grenzüberschreitungen. Diese Einstellung führt wiederum dazu, dass sich allmählich eine immer härtere Gangart bei allen Teams durchsetzt. Sie wird von den meisten Trainern letztlich sogar verlangt, um weiterhin im Wettbewerb bestehen zu können. Denn wer lässt sich schon Spiel für Spiel einfach so aus dem Rennen schubsen? Dann wird eben entsprechend gegen gehalten.
Bis zu einem gewissen Grad kann man einer übertriebenen Härte im Spiel durch rein fußballerische Mittel begegnen. Dazu muss man allerdings extrem handlungsschnell und ballsicher sein. Wenn ich den Ball innerhalb der eigenen Reihen so geschickt laufen lasse, dass der Gegner unentwegt mit Laufarbeit beschäftigt ist, wird er seine Härte nicht mehr vollends ausspielen können. Wenn er es dann doch versucht, wird er höchstwahrscheinlich selbst den großzügigsten Schiedsrichter nicht mehr auf seiner Seite haben. Aber welche Jugendspieler sind zu solch einem ballsicheren, schnellen Spiel schon in der Lage?
So bleibt es ein Dilemma, denn der Sport als solcher ist nun mal nicht kontaktlos. In jedem Match wird die Grenze des Körperlichen neu abgesteckt. Als Spieler muss ich lernen, genau auf diesen körperlichen Druck entsprechend klug und fußballerisch zu reagieren. Aber selbst dann bin ich nicht gefeit vor gefährlichen Attacken gegen meine Knöchel oder andere Körperstellen. Als Fußballer muss ich damit leben lernen, dass ich jederzeit gefoult und schwer verletzt werden kann. Wenn ich das nicht will, muss ich mir wohl oder übel eine andere Sportart suchen. Die wenigsten tun dies, wenngleich es viele gibt, denen der generelle Umgang untereinander und die Gepflogenheiten des Milieus auf Dauer komplett abgehen, weshalb es ihnen auch nicht mehr schwer fällt, dem Fußball mit einem gleichgültigen Achselzucken den Rücken zuzuwenden. Sollen die sich doch ihr Leben kaputt kloppen und brüllen!
Gleichwohl ist es für die Sportbegeisterten eigentlich nicht zu akzeptieren, dass Spieler in den eigenen Reihen, die zu unverhältnismäßigem und regelwidrigem Verhalten neigen, durch das Argument der Gegenseitigkeit weiterhin in ihrem Fehlverhalten legitimiert werden. Spielt ein Spieler wiederholt Foul, sollte man ihn einfach vom Feld holen und per se nicht mehr einsetzen. Dazu allerdings sind nur die wenigsten Trainer bereit, denn oft hieße dies zugleich, eines ihrer gefährlichsten Mittel im eigenen Spiel gegen ein anderes Team freiwillig zugunsten eines höheren Ideals zu opfern. Wer ist dazu schon bereit?
Der Heimtrainer nahm einen seiner Spieler nach dem zweiten harten Foul direkt vom Platz, ich finde, allein dafür hätte er unseren Respekt verdient. Auch er bemüht sich unentwegt darum, dass seine Jungs die Schönheit des Spiels lernen, nicht die unschönen Seiten des Sports.
Dieser Einsatz wird sich langfristig lohnen, denn letztlich ist sportliche Fairness genau jene Basis, die später einmal darüber mitbestimmt, inwieweit ein Jeder das plumpe Naturrecht des Stärkeren tatsächlich als ein legitimes allseits anwendbares Handlungs-Paradigma hält oder eben nicht. In einem Jugendfußballspiel steckt somit weit mehr sozialpädagogischer Sprengstoff, als den meisten Akteuren klar sein dürfte. Hier kannst du als Aktiver lernen, dich rein affektiv und affirmativ zu verhalten oder eben charakterlich über bestimmte Handlungs- und Reaktionsmuster hinaus zu wachsen, um etwas Neues und Tiefergehendes zu kreieren.
Im Ursprung des Sports steht nicht nur die Steigerung von körperlichen Fähigkeiten, sondern vor allem das angedachte Mittel zur Durchbrechung der Blutfehde. Wenn wir nur Rache nehmen wollten in einem Spiel, könnten wir auch weiterhin Krieg führen. Wir wollen aber unsere Kräfte am anderen messen und ihn nicht töten.
In diesem Sinne: Lasst den Ball laufen und nehmt die Hände weg!
[Freundschaftsspiel / Sa. 17. Oktober 2020]