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AMA / F2
SAISON 2015 / 2016

ZUCKERWAFFEL UND FRISCHLUFT - ZUM ENDE DER HALLENSAISON

TURNIER BEI SCHWARZ-WEISS NEUKÖLLN

1. Platz

Endlich, der lang ersehnte Turniersieg! Zugegeben, unsere Gegner hatten nicht ganz das Format, das wir auf voran gegangenen Turnieren bei einzelnen Mannschaften erlebt hatten. Ein dritter oder ein vierter Platz war jedes Mal für uns drin in dieser Winterperiode, aber hier und da mussten wir uns doch geschlagen geben und anderen Teams zubilligen, die bessere Tagesform mitgebracht zu haben. Hätten wir sie dieses Mal geschlagen?

Wenn es darauf ankommt, darf einer Mannschaft kein Fehler unterlaufen. Das Aufbauspiel muss sauber aufgezogen sein, die Defensive muss sicher stehen. Ein Team darf sich durch nichts ablenken lassen – nur so marschiert es durch. Möglicherweise gewinnt hier und da auch diejenige Mannschaft, deren Trainer am lautesten von der Bank ins Spiel schreit – unter Androhung beängstigender Disziplinierungsmaßnahmen. Gott sei Dank ist das nur selten der Fall!

Fußball wird in der Altersklasse der F-Jugend bereits von einigen Vereinen leistungsorientiert betrieben. Die Spannweite zwischen individuellem Spaß und gemeinschaftlichem Erfolg, zwischen überdrehtem Trainer-Engagement, überhartem Körpereinsatz und einer allzu freimütigen Gelassenheit ist enorm. Was macht den Unterschied aus, warum gewinnen die einen häufiger, die anderen seltener? Was bedeutet ein Turniersieg? Sind Erfolg und Turniersieg eigentlich das gleiche?

Ein Ausnahmespieler kann durchaus den Unterschied machen - aber nicht immer, nicht in jeder Partie, nicht an jedem Tag und nicht über eine ganze Spielzeit. Das Gleiche gilt für individuelle Fehler: Auch sie können Spiele und Turniere entscheiden, aber nicht jedes und nicht immer und ausschließlich.

Am Ende gewinnt meist die Mannschaft, die sich am beständigsten zeigt, die ungebrochen an ihren Erfolg glaubt und sich durch nichts, durch keine Niederlage, durch keine Gegentore und durch keine emotionale Störung, die meist aus den eigenen Reihen kommt, aus dem Konzept bringen lässt. Freilich gibt es qualitative Klassenunterschiede, nicht nur spielerische, auch körperliche und mentale. In den meisten Fällen setzt sich dasjenige Team durch, das sowohl körperlich, als auch spielerisch präsenter ist als alle anderen Teams. Nur ganz selten entscheidet das Glück!

Zu Beginn eines Turniers weiß niemand, was ihn erwartet. Weder Spieler, noch Trainer. Oskar verlor auf einem Turnier während eines Spiels einen Wackelzahn und fand ihn nach zwei weiteren Spielen auf dem weiten Hallenboden wieder, auch so etwas kommt vor! Der Trainer hat die Verantwortung: Wie sind meine Spieler heute aufgelegt? Wer saß am Vorabend zu lange vor der Glotze? Wer kommt erst nach dem zweiten Spiel auf Betriebstemperatur? Was tun bei einem kollektiven Durchhänger?

Von der Trainerbank aus ein Spiel zu begleiten, ist im Grunde wie Fußballspielen mit modifizierten Mitteln. Das Ziel im Blick zu behalten, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, egal ob die Mannschaft gerade am Zug ist oder in Bedrängnis gerät, das ist für einen Trainer genau so wichtig und notwendig wie eine gute Ballbehandlung für jeden Spieler. Im übertragenen Sinne muss ein Trainer auch mal das Tempo wechseln und das Spiel verlagern können, um überraschende Effekte zu erzielen. Das gute Bauchgefühl und der feste Glaube an das Einstudierte sollten jedoch nicht auf dem Altar vorschneller Experimente geopfert werden. Hat sich ein System bewährt, sollte es nicht kurzerhand verändert werden.

Fußball ist extremes punktuelles Zusammenkommen von dynamischer Präsenz, mentaler Wachsamkeit und motorischen Automatismen – das alles vor dem Hintergrund einer stets labilen, immer gefährdeten Spielerseele. Jeder Spieler sollte auf das Ereignis „Spiel“ gut vorbereitet sein, körperlich und mental, und während des Spiels aufmerksam begleitet werden. Im Moment des Geschehens muss der Trainer dann die ganze Mannschaft zu sich selbst führen. Das ist die große Herausforderung – insbesondere beim Kinderfußball!

Es gilt, das launige Auf und Ab von unterschiedlichen Leistungskurven zu einem gemeinsamen Strang zu bündeln. Kinder können ohne Probleme von Powerfußball auf Zuckerwaffel umschalten, warum sollten sie zwischendurch nicht mal für eine kleine Form der Meditation empfänglich sein? Zwischen den Spielen für eine oder zwei Minuten zu sich selbst kommen: „Setzt euch, schließt die Augen, verbindet Zeigefinger und Daumen und denkt an eure Aufgabe im Spiel: Was ist meine Position, worauf muss ich achten? Vergegenwärtigt euch: Ihr seid nicht alleine auf dem Platz – jeder ist am Spiel beteiligt, jeder macht mit, auch wenn er auf der Bank sitzt!“

Wir gingen vor jedem Spiel an die frische Luft, das war im Grunde noch besser als Meditation. Und siehe da: Wir spielten beständig und nahezu fehlerfrei! Bis auf den ganz frühen Anfang, das erste Spiel: Anstoß des Gegners, Angriff - Tor! Unsere Antwort darauf prompt und überwältigend: Anstoß, Angriff - Ausgleich! Das alles innerhalb von 60 Sekunden. Im Grunde war uns da schon klar, dass wir einen guten Tag erwischt hatten!

Unser Torhüter bekam herzlich wenig zu tun, er tat einem schon Leid. Am gefährlichsten wurden für ihn noch die eigenen Angreifer – zwei von insgesamt drei Gegentreffern fielen durch Eigentore: Kolja gleich im Doppelpack! Einmal per Fuß, einmal per Kopf - sauber über Luis hinweg gelupft. Eigentore können so wunderschön sein - man muss sie nur als Kuriosum betrachten! Ein Freund berichtete mir einmal von einem Spiel mit geistig Behinderten. Ein Torhüter rannte jedes Mal schnell hinter das Tor, wenn ein Gegner auf sein Gehäuse zu hielt und freute sich dann wie ein Schneekönig, wenn das Tor fiel.

Beim Aufwärmen bereits Selbstbewusstsein tanken - ganz wichtig! Sich konzentrieren, sich ernst nehmen, sich bemühen, dabei aber nicht verkrampfen. Beim Aufwärmen wird schnell erkennbar, welcher Spieler noch im Schlummer liegt oder anderweitig abgelenkt ist. Bei Spielern, die eine kleine Anregung aufnehmen und direkt umsetzen, weiß man, dass sie im Aktivitäts- und Wahrnehmungsmodus sind. Sie werden an diesem Tag gut spielen!

Was aber tun, wenn beim Aufwärmen gleich vier oder fünf Beruhigungstabletten über den Hallenboden kullern und Spieler sich wie verspielte Hunde im Jenseits der Übung um den Ball streiten? Das ist etwas, dass unsere Kinder noch lernen müssen: Respekt vor sich selbst, der Übung, dem eigenen Können, aber insbesondere Respekt vor dem Ereignis Spiel und der Mannschaft!

Ein Spieler sollte auf seine individuellen Fähigkeiten genauso vertrauen können wie auf die Unterstützung durch seine Mitspieler. Fußballerische Selbstsicherheit fällt nicht einfach so vom Himmel. Um sie zu erreichen, muss sich jeder ein wenig anstrengen und bemühen, so kommt auch Zuspruch zu einem zurück. Das Aufwärmen bringt Ballsicherheit. Wer zum Aufwärmen bereits zu spät kommt, verpasst im Grunde den gesamten Wettkampf. Das gilt übrigens auch für jedes Training!

Niemand will verlieren oder einen Haufen Tore kassieren – aber gerade in solchen Momenten ist es wichtig, dass das Team sich aufrappelt und jeder einzelne Spieler sich auf das Gemeinschaftliche besinnt: Nur gemeinsam kann eine Mannschaft etwas Großes erreichen! Seiner persönlichen Enttäuschung ungehemmt freien Lauf zu lassen, bedeutet nichts anderes, als der Mannschaft eine weitere Bürde aufzuerlegen, wodurch alles noch schwerer wird, als es ohnehin schon ist. Emotionen und Tränen müssen und sollen raus, ganz klar – aber es nützt nichts, sich derart aufzuregen, dass von einem selbst nichts mehr übrig bleibt. Wenn eine Ampel auf rot steht, kann man nicht einfach aufs Gaspedal treten, auch wenn man es eilig hat!

Zwei Teams waren an diesem Wochenende unterwegs, das eine schnitt sehr gut ab, das andere nicht ganz so hervorragend. Für jeden Spieler, jeden Trainer, jedes Elternteil gab es genügend neue Anreize, sich weiterhin im und für das Team zu engagieren. Drei einfache Regeln, die Orhon seinen Spielern mit auf den Weg durch das F4-Turnier in Schöneberg gab, von denen ich durch Ruben am nächsten Tag erfuhr und von denen wir alle noch etwas lernen können:

Erste Regel: „17 Tore schießen!“
Zweite Regel: „ 27 Tore verhindern!“
Dritte Regel: „ 37 Blickkontakte zu den Mitspielern suchen!“

Weiter so!

[HALLENSAISON 15/16 - TURNIER SCHWARZ-WEISS NEUKÖLLN - 27. FEBRUAR 2016]


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