AMA II – FRIEDENAUER TSC II
17 : 0
Wenn eine Mannschaft eine andere Mannschaft mit Siebzehn zu Null Toren nach Hause schickt, dann ist irgendetwas schief gelaufen in dem Spiel. Eine derartig ungleiche Verteilung der fußballerischen Kräfte bewirkt nichts anderes als eine Verlagerung des Spiels in die Liga der Sinnlosigkeit. Wem oder was nützt solch ein Spiel? Dem eigenen Selbstbewusstsein? Dem paritätischem Trefferkonto? Dem Ego klug aufstellender Trainer? Es ist ein Nicht-Spiel! Es bedeutet nichts! Ein Rausch, der am Abend verflogen ist und bei allzu häufigem Erleben nur süchtig macht.
In meiner eigenen Jugend erlebte ich als C-Jugend-Spieler zwei schmerzhafte Niederlagen gegen die 1. Mannschaft von Hannover 96. Einmal verloren wir glatte Null zu Zehn, das Rückspiel zum Glück nur Null zu Sieben. Ich glaube nicht, dass einer meiner damaligen Gegenspieler je eine Profikarriere hingelegt hat, aber vielleicht freut er sich heute noch über die sieben oder zehn Buden, die ihm gegen uns gelangen.
Ein Jahr zuvor führten wir in der gleichen Spielklasse mit einem stärkeren Jahrgang gegen eben diese Roten – sogar auswärts, im großen Eilenriedestadion – mit sagenhaften 1:0 zur Pause! Was für ein Ereignis: Wir sahen die Roten verzweifelte Befreiungsschläge aus der eigenen Hälfte abfeuern, ehe sie am Ende doch mit viel Mühe und Not mit 2:1 gewannen. Nie werde ich vergessen, wie wir 1:0 in Führung gingen, wer unser Tor schoss und wie wir die 96er an den Rand der Verzweifelungstränen brachten. Sie hielten es schlichtweg für unmöglich, im eigenen Stadion gegen eine lächerliche Truppe aus dem Umland in Rückstand zu geraten.
Das einzige Positive an hohen Siegen ist, dass man sie vom Ergebnis her nicht ganz vergisst. Ist das bei hohen Niederlagen etwa anders? Ganz im Gegenteil – ich glaube sogar, dass hohe Niederlagen weit über das hinaus gehen, was einem ein hoher Sieg bringt. Der Schmerz überwiegt die höchsten Freuden! In meiner letzten Bezirksoberligapartie, die ich je als Herrenspieler absolvierte, erzielte ich gleich drei Treffer. Wir gewannen mit Acht zu Eins - wenn ich mich richtig erinnere. Es war unser höchster Saisonsieg, und obwohl wir es nicht für möglich hielten, stiegen wir direkt nach dem Spiel ab. Uns fehlten lächerliche 3 Tore, um die Klasse zu halten. Was ich damit sagen will: Unterschätzt mir niemals die Wirkung von Niederlagen und reitet nicht zu lange auf hohen Siegen herum!
Luca mit einem lupenreinen Hattrick in der ersten Halbzeit, je ein Treffer von Fynn und Kolja - mit glatten Sechs zu Null in die Pause. Doch für immer wird mir in Erinnerung bleiben: Der spektakuläre Volleykracher von Trucky-Oskar, den er aus drei Metern über die gegnerische Latte knallte. Genau das ist Fußball: Die unmöglichen Bälle! Genau die bleiben hängen, genau an die wird man sich erinnern.
Man hat mir lange nachgetragen, einen Schuss aus fünf Metern annähernd frei vorm gegnerischen Tor über die Latte katapultiert zu haben, einen Hundertprozentigen. Wie mir das gelang, wusste niemand, selbst ich habe bis heute keine Erklärung dafür. Alle meine katholischsten Beteuerungen noch während des Spiels, der Ball sei auf dem holperigen Rasen (Gegner war der S.V. Germanania Grasdorf!) leicht versprungen und mir dadurch vom Flunken gerutscht, brachten nichts, aber auch rein gar nichts ein. Ich war der Jovel der Partie. Ich rackerte, was das Zeug hielt, ich holte sogar einen Elfmeter heraus, ich machte einen Scorerpunkt, wir gewannen am Ende mit 2:1, aber ich blieb aufgrund der vergebenen Hundertprozentigen für lange Zeit der Idiot der Familie.
Ich erinnere mich sehr genau an ein Tor von Frank Mill: Besser gesagt, an ein Nicht-Tor! Wer erinnert sich daran? Frank Mill dribbelt alles aus, sogar den Torhüter, er braucht den Ball nur noch rein zu drücken aus drei Metern Entfernung. Und was macht er? Er setzt den Ball allen Ernstes an den Pfosten! Mill, selber so perplex, den Ball an den Pfosten gesetzt zu haben, verpasst sogar den Nachschuss. Der Torhüter greift sich den Ball, das Spiel geht weiter. Mit diesem Nichttor wurde Frank Mill weltberühmt. Dennoch wird niemand ernsthaft behaupten, Frank Mill sei der personifizierte Chancentod gewesen.
Was bedeutet es schon, wenn in einem Spiel beinahe jeder Schuss ein Treffer ist? Es stechen einem nur noch die Schüsse ins Auge, die nicht reingehen! Kann sich jemand erinnern, wer heute seine Chancen nicht verwertet hat? Ich weiß es noch, aber ich werde mich hüten, irgendjemanden zu nennen. Weitere Torschützen in der zweiten Halbzeit: Julius T., Fynn, Luca, Niklas, Luis. Schoss Oskar das letzte Tor? Wer weiß es noch? Wenn jemand die genaue Reihenfolge im Kopf hat, nur her damit!
Wir werden weiterhin gemeinsam üben, bis alles klappt: Passen, Position halten, Pressing und vor allem: Abspielen! Ich bin überhaupt sehr, sehr froh, dass heute nicht alles geklappt hat in diesem höchst einseitigen Spiel, dass es immer noch etwas zu verbessern, zu lernen und zu optimieren gibt. Allerdings hätten ich und mein bescheidenes inneres Ego nicht im Geringsten etwas dagegen, wenn wir zur Rückrunde auch meine Sportfreunde aus Lichtenrade (IV + V) auf ganz ähnliche Weise auf die Heimreise schickten, so wie heute den tapfer verteidigenden Friedenauer TSC!
Zehn, zwanzig Buden, auf dass die Schwarte nur so kracht! Jeder Schuss ein Treffer, das will ich in der Rückrunde sehen! Und einen Volley-Bumms von Oskar obendrein - genau in den Winkel! Das muss so richtig wehtun, kapiert! Und zu diesem Zweck melde ich an dieser Stelle schon mal die komplette Besetzung des heutigen Tages für die komplette F4-Rückspielrunde an! Und sollte ich die famose Truppe nicht jeden Samstag bekommen, liebe Trainerkollegen, liebe Eltern, trete ich mit sofortiger Wirkung von allen Ämtern zurück und ziehe umgehend an den Rand von Hannover zurück.
„Ich habe fertig!“
[SAISON 15/16 - NACHHOLSPIEL - 5. DEZEMBER 2015]