AMA U15 - Fc Hertha 03 U14
0 : 1
Kurz vor dem Saisonhöhepunkt, jedenfalls im spannendsten Jahresbereich, scheint die Kurve steil nach unten zu ziehen wie ein Kamikaze auf selbstmörderischem Angriffskurs. Viele Verletzte haben wir zu beklagen, Spieler, denen wir in der B-Jugend vielleicht doch zu viel zugemutet haben, Bänderverletzungen, Schnittwunden, gebrochene Zehen, Zwicken in der Achillessehne, dazu andere Ausfälle in Form von obligatorischen Campern, Paddlern und anderen Himmelfahrtkommandos, die die Reihen für den kommenden Spieltag lichten. Zum Glück ist nach gelungenem vorzeitigen Aufstieg das Spiel gegen den Tabellenzweiten nicht mehr von Bedeutung.
Nicht mehr von Bedeutung?
Ich erinnere mich nur allzu gut, wir waren am vorletzten Spieltag aufgestiegen und erwarteten im letzten Ligaspiel der A-Jugend den direkten Konkurrenten und Tabellenzweiten zum Heimspiel. Großes Aufgebot an Honoratioren: Bürgermeister, Präsident, Jugendleitung, Presse, Freundin, Schwiegereltern in spe. Vor dem Spiel Ehrung und Blumen, Pressefotos, der ganze Kram. Dann das Spiel, das wir unglaublich beschämend und abgelenkt vom vielen Klimbim drumherum sang und klanglos verloren. Zuhause, als vorzeitiger Staffelsieger und einziger Aufsteiger: Such a shame!
Soll mir kein zweites Mal passieren - aber wenn es passiert, sage niemand, ich habe euch nicht gewarnt! So etwas bleibt hängen, ein Leben lang, das kann ich jedem in die Tasche versprechen. Klebt wie Sportplatz-Kaugummi unter geriffelter Schuhsohle!
Aber so ist das Leben, man kann nicht alles haben, das bewies auch das erneute Date mit einem Berliner Nullachter-Team bei uns auf dem Körte, das wir knapp mit null zu eins verloren, wenngleich kein Klassenunterschied zu erkennen war. Erste Halbzeit ging klar an den Gast, zweite Halbzeit wiederum an uns. Turbulente Schlussszenen, zwei Mal Aluminium in fünf Sekunden, dann Abpfiff. Ein guter alter Freund und Spieler als Jungschiedsrichter im luftleeren Raum zwischen Gegenwart und Zukunft, letztes Jahr noch AMA, dann Hertha 03 - und in der nächsten Saison?
Die zukünftige Hertha03-Regionalliga-Delegation: Hübsch allein schon diese Team-Ansicht im dfb.net! Sieben Spieler mit Foto, neun ohne. Bedeutet nichts anderes, als dass die neun Gesichtslosen noch gar nicht bei der Hertha sind, aber wohl dorthin wechseln werden. In der C-Jugend Landesklasse lernt man gut das Einmaleins der Zweitklässler: 22 aktuelle Hertha03-Spieler minus 7 verbleibende Spieler macht 15 Spieler, die jetzt irgendwo im freien Raum der ach so hoch gelobten Berliner Talentförderung schweben.
Vielleicht landen sie ja bei der Viktoria, denn von dort fliegen gerade wegen drohender Verbandsliga viele ab. Malediven adé!
So ungefähr, müssen wir nicht auf den Punkt genau berechnen. Reicht zu wissen, es mit dem lustigen Wechselkarussell zu tun zu haben, dem ganz normalem Wahnsinn in dieser Altersklasse, im Grunde ein völlig mediokrer und langweiliger Überehrgeiz von Eltern, Spielern und Verantwortlichen. Wollen alle ganz hoch hinaus - einmal Freefalltower 330 feet high, bitte!
Wie lautete das Argument eines Union-Verantwortlichen, weshalb ein talentierter Spieler zum größeren Club wechseln müsse? Man würde sich nur in der höchsten Liga gut entwickeln! Ach so! Komisch nur, dass der betreffende Spieler, dem dies soeben gesagt wird, noch nie in der höchsten Liga gespielt hat und sich trotzdem so gut entwickelt konnte, dass er nun für Union plötzlich interessant ist. Besser kann man sich selber wohl nicht widerlegen.
Ach, ich freue mich schon auf den Tag, an dem ich diesem ganzen Wahnsinn endlich wieder den Rücken zukehren kann, ich die Scharte ausgewetzt habe, die das vermaledeite Spiel gegen den Tabellenzweiten damals in meine dünne Selbstgewissheitsmembran ritzte. Ich muss es wirklich niemandem mehr beweisen, ich hatte meine Chancen, hab sie genutzt, mehr oder weniger, darauf kommt es im Fußball, wie im Leben, auch gar nicht so sehr an.
Beides überdauert jeden, löst sich irgendwann von einem, spätestens wenn die Knochen nicht mehr mitmachen. Fußball lebt in einem nur solange, wie man selber noch zum kurzen Sprint ansetzen und den Ball ein bisschen jonglieren kann. Das geht sicherlich auch noch mit achtzig Jahren, aber für viele ist schon mit fünfundfünfzig Schluss.
Hat jemand die letzten Bilder von Maradona vor Augen, wie er schmerzverzerrt als Trainer in Mexiko noch einmal zu einer kleine Finte im Training ansetzt? Sein Körper war vollkommen hinüber, doch dieser innere Drive, zum kurzen Sprint anzusetzen, war noch da. Nur sein Körper war schon lange nicht mehr da - aber Maradona brachte ihn dennoch zum Move!
Das Einzige, das nicht vergeht im Fußball, sind die noch nicht gespielten, die unerreichten Spiele.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, heißt es, bedeutet aber nicht nur Abschluss des zuletzt Erlebten und mentaler Vorgriff auf das Kommende, sondern es unterstreicht allzumal die Unwiederholbarkeit des Gespielten selbst, das nun abgeschlossen hinter einem liegt, es kommt nicht mehr zurück, es lässt einen nie mehr los.
Es wurde gespielt, die Geschichten dazu sind hoffentlich geschrieben.
[Testspiel / So. 22. Mai 2022]