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AMA / C1
SAISON 2021 / 2022

Wahre Helden ihr seid!

AMA U15 - BW Hohen Neuendorf U15

2 : 1

Wie vor zwei Wochen vor dem entscheidenden Spiel gegen Kladow lief mir am freitäglichen Abschlusstraining eine Gänsehaut über die Arme - dieses Mal aber nicht vor überwältigtem Staunen über dargebotenen One-Touch-Fußball, sondern vor Mai-Kälte und dem beklagenswerten Umstand, gerade mal sechs Spieler des gesamten 20er-Teams für den Folgetag vor mir stehen zu haben plus drei Probespieler und zwei Spieler, die noch gar nicht richtig angekommen sind bei uns. Zur Erinnerung: Es stand das Spitzenspiel gegen den Tabellenzweiten auf dem Tapet!

Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech hinzu - eine lange Liste versehrter Spieler, von Bänderrissen über Fiebersportverbote bis hin zu Daumen-Schnittwunden, nicht zu vergessen steife Nacken und langwierige Zehenbrüche. Das Ganze schraubte sich in einer bereits ungemein heiklen Woche beinahe täglich höher, neuer Trainingsverletzter, 2007er-Ausleihspieler aus der B-Jugend wegen Rot gesperrt. Letzte Hiobsbotschaft dann am Samstag in der Frühe, eineinhalb Stunden vor Spielbeginn: Ein Anruf, ein Vater, ein Hinweis auf den Sohn mit der obligatorisch mitgebrachten Freizeit-Erkältung. Als mir dann sechzig Minuten später im Anschluss an die erste Kabinenansprache ein Spieler verkündete, er habe seine Fußballschuhe vergessen, würde sie jetzt schnell holen gehen, nahm ich den absurden Schlag schon gar nicht mehr wahr.

Wie kann es sein, dass eine Aufstiegsmannschaft nur zwei Wochen nach einem Überangebot an fitten und heißen, spielbegierigen Kickern zum einzig interessanten Duell der Staffel nur noch 9 gesunde, wettkampffähige Spieler zur Verfügung hat? Welche böse Kraft hat da ihre Hände im Spiel? Schicksal? Zufall?

Vier hatten sich in die Freizeit verabschiedet, kann man sicher mal machen. Im Nachhinein auch keine große Sache, eben weil es so unwahrscheinlich gut ausging für diejenigen, die das Spiel trotz widrigster Umstände annahmen und letztlich sogar verdient und in grandioser Adaption eines sehr schwierigen Moments im Sinne des Teams für sich und alle anderen gewannen. Aber eine der Begründungen, sicher nicht die eigene, es käme ja jetzt nicht mehr drauf an, wird mir wohl oder übel im Gedächtnis haften bleiben, anders als die gesamte Erinnerung an eine extrem schwierige Woche mit einem allerdings unglaublichen und unerwarteten Ausgang. So wird dieses Spiel vor allem die Geschichte eines außergewöhnlichen Zusammenhalts und einer großen Moral erzählen, weniger die Perspektive auf den Fußball als zweitrangige Feiertags-Option.

Ich wünsche niemandem, der zum Geburtstag einlädt, dass sich seine Gäste nacheinander entschuldigen und der Feier fernbleiben, aus welchen Gründen auch immer. Ja, tatsächlich, wir hatten ein Geburtstagskind im Team, und wahrscheinlich konnte dieses Spiel kein besseres Geschenk mitbringen als sich selbst. Ein Spiel auf diese Weise zu gewinnen, gleicht dann tatsächlich einem erfüllten Traum, nicht jenem, den ich am Morgen des Spieltages aus Verzweifelung und in einer schon beängstigenden Assoziation mir selbst noch vorzustellen wagte: Die wollen dich doch nur an der Nase herumführen! Pass auf, die stehen plötzlich alle grinsend auf der Matte und rufen, ätsch, wir sind schon da! Reingelegt!

Natürlich waren sie nicht da, aber das Geschenk, das der Fußball-Götterbote dann per Überraschungspaket ablieferte, glich meine Verzweiflung über den kleinen Kreis der Verbliebenen alle Mal aus. So ein Paket gibt`s bei Amazon garantiert nicht! Immerhin drei von fünf Versehrten kamen zum Spiel, einer sogar auf Krücken, während ein anderer nur seinen Daumenverband hätte tragen müssen, sie feuerten an, sie fieberten mit, obwohl sie morgens noch annehmen mussten, dass die Party ziemlich bescheiden ausfallen würde, nur ein paar Wiener Würstchen aus dem Glas und nicht mal so viel Cola, wie man trinken möchte. Es war ja im Laufe der Woche kein Geheimnis, dass sich die Kader-Situation extrem zugespitzt hatte.

Aber die verbrannte Grillwurst der Verantwortung des Einzelnen im Teamsport will ich gar nicht servieren, zumal ich nur extra-scharfen Senf im Kühlschrank hätte. Wenn einer nicht kann, kann er eben nicht. So habe ich das immer gehandhabt. Man kann die Welt nicht besser machen, als sie nun mal ist. Ich gebe allerdings auch ehrlich zu, dass ich vor dem Spiel, ich war als Erster am Platz, die Aufstiegslogos am Zaun verloren und irgendwie auch ziemlich traurig hängen sah und ernsthaft daran dachte, mir beim Platzwart eine Kneifzange zu besorgen. Wie ein plakativer Aufstiegsheld fühlte ich mich in diesem beschämenden Augenblick eines sich selbst überlassenen Spitzenspiels wahrlich nicht mehr.

Meistens hilft in solchen Momenten nur kruder Humor, irgendetwas, das die drückende Atmosphäre und die Atem nehmenden Ketten sprengt, eine absurde Auflockerung. Zum Glück hatte ich nicht mal giftigen Sarkasmus parat. Insgeheim liebäugelte ich damit, meine Absage für die Rostock-Fahrt vorzubereiten, und ich würde nach dem Spiel demonstrativ die Banner abnehmen. Dann überredete ich mich jedoch selbst zu einer rein fußballerischen und alle Nebensächlichkeiten ausblendenden Haltung und ersann einen potentiellen Matchplan, etwas, das vielleicht funktionieren könnte, immerhin waren wir ja ein spielfähiges Team mit sehr guten Kickern und echten Charakteren, die sich diesen Geburtstag niemals verderben lassen würden.

Und so schwenkte ich in der Kabine um auf Sport, auf Fußball, auf Teamsport, auf diese märchenhaften Tugenden von Gemeinsamkeit und Einer für alle, alle für einen, auf Alles reinwerfen, war wir haben, niemals aufgeben und vor allem klug vorgehen, sich auf die Stärken und vorhandenen Möglichkeiten besinnen, das Glück beschwören, den Vorteil im Nachteil suchen, den Gegner auslesen, entsprechend schlau handeln und mal den Rhythmus wechseln - kurz um, es war eine mittellange Ansprache mit einem guten Schuss Dopamin und Serotonin gegen die eigene drohende Depression. Wenn dann deine Spieler am Ende der Rede aufschreien und sich von selbst gegenseitig anfeuern, weißt du, dass sie wach sind und es packen wollen und auf ihre Weise auch packen werden, dann hast du im Grunde deinen Job als Coach erledigt und der Ruhm gehört nun ihnen, denn sie gehen auf den Platz und setzen exakt das um, was als großartiges Potential in ihnen steckt!

Aber natürlich sah es zunächst sehr bescheiden und ziemlich grotesk aus, als wir mit elf Spielern und zwei Coaches zum Warmup den Platz betraten, ein Spieler musste ja noch seine Schuhe holen. Davon drei etwa in der Größe von älteren D-Jugendspielern, während sich auf der anderen Seite ein schneidiges, best bestücktes blauweißes Team bereits raumgreifend die Bälle zuschob und in breiter Linie vor einer Trainer-Quadriga ein Lauf-ABC zelebrierte, so dass die Aufstiegs-Plakate dahinter noch einmal zehn demütige Zentimeter tiefer rutschten. Ich fragte mich, ob die Neuendorfer jetzt denken würden, ob wir sie etwa auf den Arm nehmen wollten? Diese Gartenzwerge und Mini-Restetruppe sollen die Staffel dominiert haben? Na ja, der Witz an diese Stelle war: Wir hatten tatsächlich weitgehend unsere Größten im Team mit an Bord - bis auf ein oder zwei Ausnahmen, aber wir sahen dennoch nicht nach einer überragenden Leistungsklasse aus. Wie der Schein doch trügen kann!

Einer (der größeren) stieß dann sogar im Laufe des Spiels noch hinzu, nicht der schnelle Hase mit den vergessenen Fußballschuhen, der freilich auch, sogar rechtzeitig, sondern jener, der frühmorgens erkältet gemeldet wurde. Der Trainer-Kollege hatte ihn einfach per Anruf zum Platz zitiert, genau richtig: Handeln - statt hadern! Dass uns der Schiedsrichter dann auch noch im Stich ließ, passte letztlich perfekt ins Bild. Was ist schon ein Bezirksligaduell zwischen Staffelsieger und Staffelzweiten, wenn abends im Fernsehen ein CL-Finale zwischen Liverpool und Real Madrid ansteht (leider falscher Sieger)? Überhaupt, den freien Tag will man sich nicht vermasseln, zumal das Wetter schon bescheiden genug war. Von Hohen-Neuendorf wollte indes niemand pfeifen, ich hatte auch keine Lust, so mussten es die Jungs selber regeln, bekämen sie schon hin. Bekamen sie hin - durchaus fair auf beiden Seiten, großes Lob!

Seltsam war, dass Hohen Neuendorf uns zunächst die Initiative überließ, das passte nicht recht gut in mein kurzfristiges Matchbild. Wir waren doch hier der Außenseiter, nicht umgekehrt! Aber gut, dann machen wir mal! Es dauerte eine gute Viertelstunde, bis sich der Gegner besann und merkte, dass es hier und da in unseren Reihen kleine Schlupflöcher gab. Aber zunächst einmal musste er sich sortieren, denn einmal hatte es schon in seinem Kasten geklingelt, aber der Treffer sollte aus einem Abseits heraus entstanden sein und wurde nicht gewertet. Ich dachte, ist okay, geben wir ihnen mal, wird später vielleicht noch unser Vorteil sein, dann können wir in einer entscheidenden Szene ebenso die Hand heben und auf Abseits plädieren.

Der Wind blies uns solide forsch nach vorn, die Devise war, die Bälle schnell auf unsere schnellen und schneidigen Spitzen zu schicken, keine Faxen mit aufwendigem Kombinieren und dergleichen, dazu fehlten uns ein klein wenig die Mittel, einfach nur pragmatisch in die gegnerische Hälfte gelangen und sich dort dann nach Möglichkeit festsetzen. Gelang gut! Wir erarbeiteten uns Gelegenheiten und bekamen schon den ersten Eckball. Achtung!

Der flog so genial gezirkelt und vom Wind scharf gedrechselt in die Box, dass der Leih-Spieler aus der zweiten Mannschaft den Ball nur noch über die Linie drücken musste, zumal er ihn ziemlich genial antizipiert hatte. Gegen dieses Tor gab es nun keine Einwände! Einsnull!

Den Rest der ersten Halbzeit verbrachten wir mit kleinen Schaudern, immer dann, wenn die Hohen Neuendorfer einmal eine Lücke fanden und über rechts in die Tiefe vorstießen, ähnlich den schnell herbeifliegenden dreckig grauen Wolken am Himmel, die dann aber auch wieder schnell verschwanden. Die Null stand, und vorne ging etwas - das hatte ich so vor dem Spiel nicht für möglich gehalten!

In der Pause dann eine 10.000-Zeichen-Suada mit postverbalem Heiserkeitseffekt, ein Einbimsen von unendlicher Anschubmotivation, Leute, wir liegen vorne, wir müssen nur die Null halten, jetzt noch mal alles, alles, alles geben, was drin ist, Räume perfekt schließen, dem Gegner wie `ne Nähmaschine auf die Füße sticheln, jetzt nicht wörtlich gemeint, ihn immer wieder beschäftigen und bei Balleroberung schnell auf Vertikale stellen, steil, steil, immer nur steil nach vorn, keine Querpässe, immer nur direkt nach vorn! Kühlen Kopf bewahren, Räume eng machen. Laufen, laufen, laufen! Null halten!

Gelang so là là, denn die Neuendorfer besannen sich nun ihrer Spielkultur und rückten etwas höher vor, drängten mächtig und kombinatorisch gut in unsere Hälfte hinein. Es begann ihre Aufholjagd, die sogar schnell Früchte trug, denn nach zehn Minuten nagelten sie einen Ball wuchtig von der Strafraumgrenze ins Netz, wir hatten zu wenig Druck auf den Ballführenden ausgeübt, der Schuss kam hart und unerwartet für den Keeper, der keine Zeit hatte, die Hände hoch zu reißen. Sollte das nun die Wende sein?

Nö, nicht unbedingt! Irgendwie kamen wir wieder besser ins Spiel, wir ackerten einfach mehr im Mittelfeld, die Spitzen kamen ungemein hilfreich mit hinzu und zurück, nun wurde wirklich um jeden Ball gekämpft, keinen Zentimeter Luft und Raum ließen wir dem Gegner mehr, doppeln, dreifachen und dann holten wir uns den Ball und zack, ab ging`s, steil in die Spitze, Entlastung auf ganzer Länge und der Geruch von Rost und Knochen über grünem Kunstteppich, hier war noch alles drin. Und plötzlich standen wir schon wieder komplett frei vor dem Keeper, aber dieser Konter war es noch nicht! Es dauerte noch eine Ecke der Neuendorfer, bis ...

Der Ball flog in den Strafraum, wurde abgewehrt, gelangte halb hinaus, da fällt ein Neuendorfer, aber es gibt da weit und breit kein Foul, das Geburtstagskind schnappt sich den Ball, zieht wie von der Tarantel gestochen los, zehn, fünfzehn Meter, dann ein langer präziser Ball auf den vorn lauernden Neuner, der in seiner unglaublichen Dynamik und robust-spindelhaft-wirbelnden Technik den Ball annimmt und mit ihm als Oklahoma-Tornado durch die Reihen der Neuendorfer zieht, alles überläuft und platt walzt, was im Wege steht, Gegenspieler, die wie aufgewirbelte Fahrzeuge hinter ihm durch die Luft fliegen und sich heftig überschlagend zurück auf den Boden krachen, bis er endlich vollständig frei gedribbelt ist und freie Bahn hat und auf das Tor zurennt und mit der Kaltschnäuzigkeit eines unerbittlichen Klimawandels das Ding als blitzeblanken weißen Golfball unter die Latte drischt: Buff, Zweieins!

Beckerfaust, ich wusste gar nicht, dass ich die noch habe ... so eine Explosion und ein so dermaßen geiler Treffer, dass es zum Platzen war, genau im richtigen Moment, hammerhart und eiskalt, fair zudem, absolut klar und dynamisch vollendet - der Klassiker: Gegner hat Ecke, verliert den Ball, ab geht die Luzie, in einem Zug durchs Mittelfeld, ohne Bremse, ohne Rückwärtsgang, Vollgas, bummm, die Kugel hart ins Netz, Weltmeister!

Dann aber noch zehn Minuten zu spielen. Ein Spieler war noch nicht auf dem Platz, ein dritter Treffer müsste her. Da ist der Erkältungsinni plötzlich am Ende, will allen Ernstes raus, doch nicht jetzt! Wieder der Trainerkollege: "Zehn Minuten durchhalten, Junge! Das geht schon noch, eben nur das Nötigste, wird schon reichen!" Gesagt, getan! Leichtes Aufbäumen der Hohen Neuendorfer noch mal, aber jetzt haben wir das Spiel gut im Griff, finden immer wieder Entlastung, können sogar etwas kombinieren.

Da schon wieder ein Durchbruch, dieses Mal das Geburtstagskind himself, holt sich noch sein ganz eigenes Präsent ab! Es sieht gut aus, er schüttelt den ersten Gegenspieler ab, der fällt und verlangt sogleich Spielunterbrechung, pfhhh, also, wenn wir nach so einem kleinen Stolperer schon aufgegeben hätten in dieser Woche, an diesem Tag ... weiter geht`s im Dribbling, nur noch eine Reihe vor sich, und auch da durch, jetzt nur noch der Keeper, ja, schieß doch, schieß! Aber nein, doch nicht mit dem starken Fuß, der Ball liegt doch auf dem schwachen! Trau dich! Der Keeper wehrt ab, der Ball springt noch mal leicht vor, also noch mal ran, der Fuß findet ihn sogar, den Ball, aber der Keeper ist jetzt doch auf dem Posten und kann zur Ecke klären. Ach, schade, echt schade - aber trotzdem unvergesslich!

Und so wird es leider und extrem schweren Herzens nichts mehr aus der Premiere des letzten, des dreizehnten Spielers an diesem denkwürdigen Tag! Mea Culpa! "Aufstiegshelden ihr alle seid!", spricht Meister Yoda. Und gesetzt auch für das letzte Punktspiel gegen NFC Rot Weiß, wie überhaupt jeder, der an diesen unglaublichen Fight an diesem geschichtsträchtigen Himmelfahrtsamstag teilgenommen hat.

Alle anderen dürfen freilich gern beim nächsten Training vorspielen - demütig vor der grandiosen und herzzerreißenden Leistung ihrer Teamkollegen. Ich hoffe, ihr seid beim Paddeln, Zelten und was weiß ich so richtig schön nass geworden!

Absolut wahrhaftige AMAufstiegshelden!

[25. Spieltag / Sa. 28. Mai 2022]


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AMA U15 - BW Hohen Neuendorf U15
2:1 (1:0)
(1x Jaden, 1x Lamin)
Es spielten: Eddie, Bela, Lamin, Timo, Felix, Luca, Gigi, John, Jakob, Emil, Levin, Jaden, Omar.


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TABELLE ANSCHAUEN
EINBLENDEN / AUSBLENDEN