NFC Rotweiß U15 - AMA U15
0 : 12
An manchen Tagen habe ich für Fußball keine Resilienz mehr übrig, der Sonntag des NFC-Spieltages war so ein Tag. An sich schon eine lieblose Spielstätte, die vom Kanalufer aus betrachtet noch ihre besten Momente hat, stellte sich uns zum Warm-Up der hauseigene Zerberus der Ablaufordnung entgegen und verwehrte uns 40 Minuten vor Anpfiff den Zutritt zur Spielfläche. Grund war ein Mini-Fußballturnier, das sich mit vielen bunten Kegeln und Minitoren auf dem weitläufigen Platz ausgebreitet hatte, auf jeder Hälfte ein Achtel Platz Freiraum lassend. Diesen wollten wir eigentlich zum Warmlaufen nutzen.
Ich einigte mich mit dem Platzhirschen auf einen späteren Zeitpunkt, zu der wir den Freiraum gerne nutzen würden. Natürlich hielt er sich nicht an die Absprache, also ließ ich unsere Jungs, die sich bereits fünfzehn Minuten auf der Tartanbahn warm gejoggt und gepasst hatten, nun im Eck ein kleines Rondo aufziehen. Schon stand der vermeintliche Hausherr wieder Gewehr bei Fuß, wiederholte sein Mantra einer - wie er betonte - 30-jährigen Trainererfahrung und mutmaßte, unsere Mini-Spielform könnte den Mini-Fußball durch schlecht kontrollierte Bälle stören.
Dem war natürlich nicht so, und als er eine Viertelstunde vor Spielbeginn immer noch keine Anstalten machte, das Turnier langsam zu beenden, sich stattdessen mit einer Leiter zum Fangzaun aufmachte, um ein Werbebanner für eine Autohändlerwerkstatt über das Tor zu hängen, etwa in der Größe einer ihrer Werbe-Steckkarten, eröffnete ich auf dem freien Achtel ein weiträumigeres Dreifarbenspiel, um in Wettkampfrhythmus zu kommen. Schon stand er wieder da, aber seinen neuerlichen Hinweis zur 30-jährigen Trainererfahrung ließ ich nun an mir abperlen. Ich würde meine Spieler ganz sicher nicht kalt in ein Spiel gehen lassen, sie blieben jetzt im Achtel, ansonsten solle er von mir aus die Polizei rufen oder was auch immer.
Zehn Minuten vor offiziellem Spielbeginn räumte das Mini-Fußballturnier dann den Platz, hinterließ in der Nähe des Mittelkreises jedoch eine Sonnenblumenkernschalenakkumulation in der symbolischen Größe eben dieses sperrigen Wortes, die die C1-Jungs von Rotweiß mit großem Besen und kleiner Kehrschaufel erst beseitigen mussten, damit das Spiel beginnen konnte. Es setzte sich in etwa so leidenschaftslos und unansehnlich fort wie der gesamte Ablauf und Charme dieses eigentlich freundschaftlichen Nachbarschaftstreffens, zumal es 70 Minuten lang zugedröhnt wurde von einer stumpfen Dauermusikbeschallung aus dem Casino, in dem der Aufstieg einer Herrenmannschaft oder dessen Spätvormittags-Kater nachgefeiert wurde. Als die Trackliste auch noch The Final Countdown von Europe über den Platz schickte, hatte ich mein Thema für den Spieltag gefunden.
Sollte ich jemals Probleme haben, den Absprung vom Fußball endgültig zu schaffen - einmal war ich ja schon für zweieinhalb Jahrzehnte raus -, muss ich mich nur an die Atmosphäre dieses Spiels erinnern. Der Gegner in allen Ehren, auch das Ergebnis irgendwie annehmbar, aber alles andere dann doch so, wie ich es sicher nicht vermissen würde: Eine Ereignis- und Charme-Offensive wie aus der Zeit gefallen, als Zeitreise in die Vergangenheit ins liebloseste Nachkriegsdeutschland. Dann lieber stramme Fahrradrunden um das Tempelfeld, angetrieben von windzerzausten Sounds eines Sommer-Festivals, begleitet von gigantischen, aber unnatürlich stabilen Sommerwolken - alles ist besser als dieser mentale Rückfall in allerschlimmste Provinz-Stimmungen.
Dass die Spannung abfallen würde nach unserem Staffelsieg, war zu erwarten. 18 Spiele gewonnen, keinen einzigen Punkt abgegeben, nicht mal zehn Gegentreffer kassiert, dies obwohl wir anfangs noch ohne Torhüter da standen. Das alles mit einem 3/4 jüngeren Jahrgang, da kann man dem Team einen leicht uninspirierten Abschluss-Kick nicht anlasten! Wenn man hinzurechnet, wie viele Verletzungen, Ausleihen und andere unfreiwillige Ausfälle die Saison begleiteten, erhöht sich die Gesamtleistung ohnehin und damit das Fazit: Verdient aufgestiegen und viel zu oft von einer uns nicht angemessenen Liga unterfordert worden.
Hier ließen wir den Ball leider etwas mäßig laufen, verstrickten uns allzu oft in Soli und andere Dribbelmaschen, die nicht unbedingt von Torabschlüssen zusammengehalten wurden. Das Ganze glich einem unruhigen Strickwerk, dass ungleichmäßig, schief und von großen Löchern durchsetzt wirkte. Der Gegner verteidigte beherzt, ging in der letzten Reihe stets mit drei Spielern auf den Ballführenden, wir bissen uns daran fest, statt geschickte spielerische Lösungen zu suchen und zu finden. Unser Keeper begann nach geraumer Zeit zum Beat eines Song zu tanzen und zu wackeln, in der ganzen ersten Halbzeit musste er keinen einzigen Schuss aufs Tor parieren, weshalb er sich zur zweiten Hälfte ins Feld einwechseln ließ und zwei Buden einheimste.
Die Tore fielen entweder mühselig und nur durch erheblichen Zeitaufwand oder viel zu leicht und schnell hintereinander. Zum Ende der zweiten Halbzeit fragte ich mich, ob wir eventuell doch noch die 100er-Tordifferenzmarke knacken würden. Nein, dies gelang uns nicht mehr, die Luft war insgesamt schon zu sehr raus. Wie auch immer, ein müder Kick, ein solides Saisonfinale. Im Grunde sind wir mit dem Kopf schon woanders!
[26. Spieltag / S0. 12. Juni 2022]