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AMA / E1
SAISON 2018 / 2019

Gucci und Feuer

Mannschaftsfahrt II / Turnier Fürstenberg

1. Platz

Ein winterlicher See, umgeben von leicht verschneiten Kiefern, ein aufgehender Vollmond, hell und wach am Brandenburger Winterhimmel, das sind die Zutaten für eine andere Reise durch die Zeit, dessen Ferne gar nicht so unerreichbar ist. Als Kind nimmt man die Schönheit eines winterlichen Sees wahrscheinlich nur am Rande wahr, wenn überhaupt. Auch der aufgehende Mond, am hellen Spätnachmittag, haut einen Zehnjährigen nicht sonderlich um. Man muss schon eine Art alternder Werwolf sein, um sich der fantastischen Vorstellung hinzugeben, mit einer Rakete zum Mond zu fliegen und in wohltemperierten Raumanzügen ein paar ausgelassene Sprünge zu machen.

Um entschleunigen zu können, muss man allerdings erst mal ein paar Kilometer weit aus der Stadt rausfahren, etwas, wofür Kinder von Natur aus wenig Verständnis haben, weshalb sie sich notgedrungen auf mehr oder weniger anspruchsvolle Weise im kleinen Reisebus die Zeit vertreiben. Sie schlafen oder sie daddeln oder sie bringen kleine Plastikbeutel, die als Übelkeitshelfer gedacht sind, zum Platzen. Der eine oder andere versüßt sich die Fahrt, indem er seinen Nebenmann anständig durchkitzelt, gegen dessen Willen natürlich, dafür lange und genüsslich. Zu mehreren in einem gestandenen, hart gesottenen VW-Bus zu reisen, da findet sich eigentlich immer was, Hauptsache man kommt schnell voran.

Ist man angekommen, wollen die einen erstmal chillen, die anderen lieber kickern, wieder andere liegen schon mit neuen aufregenden, aus fremden Regalen gezogenen Comics auf der Matratze. In Nullkommanichts hat sich ein aufgeräumtes Kinder- oder Gästezimmer in eine wilde Matratzenkommune samt Gammelhöhle verwandelt. Einige schlüpfen direkt mal in ihren Schlafanzug, dabei ist es gerade erst Nachmittag. Der erste Ball fliegt durch die Luft. Der Kicker klackert. Jemand hat heimlich Schokolade ins Haus geschmuggelt, man erkennt es an der verschmierten Schnute. Aber nun betritt eine Autoritätsperson den Raum und befiehlt: Anziehen, rausgehen, ab zum See! Wieso denn das? Was sollen wir denn da? Öhh, wie langweilig? Wir wollen lieber etwas nickern!

Nix da! Aufstehen und raus jetzt! Gelegentlich muss man sich bei seinen eigenen Spielern außerst unbeliebt machen, sonst kommt der Haufen gar nicht mehr in Schwung, und es wird einem später nur auf der Nase herum getanzt. Ich nenne das in Ermangelung besserer pädagogischer Grundbegriffe einfach mal Hilfe zur Selbsthilfe. Und so fliegen die Türen des Hauses auf, der Wind zieht eisig hinein und eine Meute halb angezogener, nackthändiger, mützenloser Kinder rast schreiend in den Garten, um die zarte Pulverschicht von zweieinhalb Zentimetern Schnee in lose zusammenpappende Schneebälle zu verwandeln, die, kaum geworfen, noch vor dem Ziel, in der Luft zu glitzerndem weißen Staub zerfallen.

Herrlich, so ein Wetter! Gediehene Kälte bei klarem Winterhimmel, trockener Asphalt, schneebedecktes Gras, knackende Holzer und weich federnder Waldboden, und dann noch dieser fantastische Mondaufgang am Licht abnehmenden Tageshimmel, was will man mehr?

"Mir ist langweilig."
"Wieso ist dir langweilig?"
"Weiß ich auch nicht, mir ist eben langweilig!"
"Aber schau doch mal, dieser tolle Waldweg, diese leicht verschneite Landschaft, ist das nicht herrlich?
"Mir ist trotzdem langweilig!"
"Und diese frische Luft, und gleich sind wir schon am See!"
"Was wollen wir denn da?"
"Mir ist kalt!
"Ich will zurück zum Haus!"

So ein See im Winter, so ruhig und weich, von ersten rötlichen Abendtönen bestäubt, wie ein unermesslich großes, weites Gemälde. Dann fliegen schon die ersten Stöckchen ins Wasser, es folgen immer größer werdende Steine, die glatte Seehaut bricht und wellt sich. Helle Stimmen schallen weit auf den See hinaus, am anderen Ufer plötzlich eine Bewegung in der Luft, die zügig nach rechts zieht. Sieben majestätische Schwäne, die mit pfeifendem, wie auf Fläschenhälsen geflötetem Flügelschlag, die Luft kräftig massieren und mit gestrecktem Hals sanft wiegend, vorwärts streben durch die Luft, horizontal am Waldsaum entlang. Ein, zwei Sekunden der hingebungsvollen Stille, dann wird erneut zur Attacke auf den See geblasen. Klatsch, Bumm, Peng! Wenn man mal draußen eine Plastiktüte braucht, ist sie leider nicht zu finden. Also rutscht man eben auf der Jacke die steile weiße Böschung hinab. Wurzelhöcker hin oder her, Hauptsache es rutscht und rockt.

Die frische Luft ist freilich ein Trick, sie macht später müde. Aber bis zum Zapfenstreich sind es noch zwei leckere Kuchen, reichlich Kakao, Obst und eine Partykracher-Packung schwedische Möbelwürstchen, wer mag, stopft sich noch Lasagne hinterher, alles schön vermengt mit Wasser und Saft. Dann wieder ab in den Garten, im Stockfinstren Verstecken spielen steigert die Erwartung, Treppe rauf, Treppe runter, ein Ball kommt geflogen, aber da sitzen sie plötzlich alle schon wieder an der langen Tafel und schauen ihre Fingernagel an. Wächst da was? Die Karten werden ausgeteilt, die Werwölfe sind bestimmt, die Blinzelfee blinzelt, die Hexe hext, Amor schießt seinen magischen Pfeil ab und verschwindet mit den Geliebten, ein paar arme unschuldige Dorfbewohner müssen dran glauben, bodysnatchermäßig aus dem Spiel geschubst, die gewitzten Werwölfe schlagen sich immer wieder geschickt ins Gebüsch der Unschuld, wie im wirklichen Leben! Interessant, interessant, welche Spieler welche Verwandlung durchleben, hier kann der Trainer noch einiges über sie erfahren!

Dann ist es soweit, nahezu zeitlupenfrei marschiert die deutsche Handballmannschaft gegen Island durch das Achtelfinale, unglaubliche Tore, beeindruckende mechanische Techniken, Hebel und Spinfedern, gedrechselte Würfe, geblockte Schüsse, abwehrende Fingerspitzen wie Adlerfedern, die den Ball noch im letzten Augenblick aus der sicheren Torbahn werfen und ins Toraus lenken. Obwohl ich in einem Verein groß wurde, dessen Handballabteilung seit Jahren in der Bundesliga spielt, kenne ich, im Gegensatz zu den Kindern, keinen einzigen Spieler der Handball Nationalmannschaft, nur den Torhüter. Als Sportreporter ungeeignet, würde ich sagen, aber immerhin begeisterungsfähig. Oh ja, der Handball kann fantastisch sein, spannend, mitreißend und das Publikum ist lange nicht so dumpf wie manche Fankurve im Fußball.

Trotzdem geht es jetzt ins Bett, denn am nächsten Tag steht ein Turnier auf dem Plan. Ein paar immergerne renitente Ausbrecher, die meinen, sie könnten den Tag noch ein wenig in die Nacht verlängern, während andere schon wie die Murmeltiere in den Schlafsäcken liegen, aber dieses Mal reichen eine kleine und eine weitere Ansage mit deutlichem Hinweis auf die gut gefüllte Ersatzbank des nächsten Tages, und schon ist Ruhe im geräumigen Oberstübchen. Für die Erwachsenen freilich noch lange nicht, die schauen im Salon noch ein bisschen ins Glas und lassen die Drohne der Unterhaltung genüsslich fliegen.

Einen Turniertag beginnt man am besten mit frühem Aufstehen, einer Art Kinderhahnkrähen, um dann sogleich mit einer extrem guten Idee aufzuwarten: "Wo wollt ihr denn hin?" - "Wir gehen jetzt raus, joggen! Bis später, tschüss!". "Später" ist ein relativer Begriff. Während der eine schon nach drei Minuten eine Bauchkrampf erleidet, weil er auf nüchternen Magen losgerannt ist, drehen andere noch eine Extrarunde und lassen sich von wild bellenden Hunden aus der Nachbarsiedlung auf dem Laufweg stellen. Da gehört schon mehr als eine Portion Mut dazu, sich gegen solcherlei bissige Hausfellmeister vorzuwagen, aber mit vereinten Kräften geht auch das. Von Brötchen gestärkt, einer fragt gar nach einer Portion Lasagne, bleibt noch etwas Zeit, um in den Garten zu gehen und unter verschneiten Obstbäumen auszupotten, oder es wird in der oberen Etage Catchball gespielt, bis dann langsam die Sachen gepackt werden und der gesamte Tross Richtung Spielort geleitet werden kann. Aber zuvor werden in großer Runde noch ein paar stille Botschaften von Ohr zu Ohr verschickt, quasi als mentale und kognitive Einstimmung auf das Turnier: Gucci ist teuer, Gucci isst Ungeheuer, Gucci frisst Manuel Neuer, Gucci funkt bläuer, Gucci unkt vom Gemäuer, Gucci ist echt hundsteuer, Gucci und Feuer!

Bande ringsum, Tore fünf Meter breit, eine gewaltige Trommel auf der Tribüne und eine Kabine voller Essen, eine Halle gleißendes Lichtes, Turnierplan handschriftlich am Reißbrett. Hier kann man es aushalten, hier muss man es sogar aushalten, denn hier spielen wir ein bisschen Fußball, kombinieren uns durch den Tag und bestaunen interessante gegnerische Teams. Wir legen immer wieder einem bestimmten Spieler von uns auf, damit er nur ja die Torjägerkanone kassiert, wir stopfen uns mit Buletten voll, die wie angelaufene Goldklumpen in einer eisernen Schatzkiste schlummern, wir mampfen blecheweise köstlichsten Kuchen und beißen in knackige Äpfel. Alles von der unbekannten Ferienhaus-Nachbarin unseres Reisemanagers zubereitet, das nenne ich wahrhaftige Gastfreundschaft. Behaupte noch mal jemand, in Brandenburg wären Auswärtige nicht willkommen!

Das mit der Torkanone klappt, auch der Turniersieg bleibt ungefährdet, nur einmal stehen wir wirklich neben uns und nicht hinter dem Gegner, stellen uns etwas dumm an, aber gut, letztlich geht es um den Spaßfaktor, auch wenn ein paar Lerneffekte nicht unerwünscht sind. Wir bekommen Beifall und Komplimente von allen Seiten, es sind sogar einige Eltern extra von Berlin zu uns herausgefahren, der schmucke metallicblaue Siegerpokal geht wie schon vor einem dreiviertel Jahr an unsere Gastgeber - das kommt davon, wenn man große Wandflächen eines ehemaligen Dorfgasthauses nackt belässt, das schreit förmlich nach greller Pokalbrettsammlung. Nein, kleiner Scherz, über guten Geschmack lässt sich nicht streiten, auch dieses Mal haben wir uns alle pudelwohl gefühlt, herzlich aufgenommen und königlich bewirtet. Schöner, angenehmer und netter kann es gar nicht sein!

Rückfahrt im Dunklen mit Brandenburger Nacht-Serengeti: Rehe, Hasen, Wölfe, sogar ein Elch am Waldesrand, aber dazu musste man schon genau hinschauen. Ein naturtalentierter Spieler, der nicht nur in wenigen Endspiel-Sekunden entscheidende Tore auflegen kann, sondern uns auch verrät, dass er Pfannkuchen backen und durch die Luft schleudern kann, gewendet und wieder aufgefangen. Nun ja, da haben wir ja schon einen famosen Mannschaftskoch für die nächste Fahrt, das freut uns sehr!

Was soll ich noch sagen? Ich habe mich schon kurz gefasst! Eine tolle Fahrt war´s mal wieder, echt klasse!

[Mannschaftsfahrt II - Turnier Fürstenberg / 19.-20. Januar 2019]


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1. Platz
Es fuhren und spielten: Albion, Samy, Timo, Blerton, John, Kolja, Levin (Torjägerkanone), Bela, Noah, Feris, Fynn


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