Turnier & Mannschaftsfahrt
1. Platz
"Der Himmel ist genauso unter unseren Füßen wie über unserem Kopf."
Henry David Thoreau
Von meiner Heimat Burgdorf aus betrachtet, einer kleinen Stadt östlich von Hannover, ist Brandenburg das reinste Paradies. Die Landschaften ähnelt sich, aber in Brandenburg wirken Kornfelder, Seen, Kiefern- und Mischwälder drei mal größer, weitaus aufregender und viel intensiver. Brandenburg ist bestes Indianerland. Wenn ich Trapper wäre, würde ich direkt dort hin ziehen und Biber-Fallen aufstellen. Spargelanbau und Pferdezucht überlasse ich gern den anderen. Vielleicht ähneln sich sogar die Menschen, wenngleich beide, Brandenburger und Burgdorfer, dies vehement von sich weisen dürften. Jeder hat seine eigene Vorstellung von Identität.
Vormittags spielten wir ein kleines, aber sehr nettes Turnier in Gransee gegen 5 Teams aus dem Brandenburger Umland. Holperiger Rasenplatz, alte Stein-Wellblech-Tribüne, großer Grill und privat aufgestellte Lautsprecheranlage. Ein Sportfest auf einem erstaunlich gut ausgebauten Sportgelände mit moderner Turnhalle und vier Tennisplätzen sowie einem Hartplatz. Hüpfburg, Luftballons, Fallschirmspringer-Werbebus, Schlager-Potpourri vom Band und ein Großaufgebot der örtlichen Rettungsdienste rundeten das große kleine Familien-Sportfest ab. Alles war bestens vorbereitet auf den großen Kick.
Gespielt wurde auf der vorderen Hälfte des Stadionplatzes. Das große Tor stand direkt auf der Seitenauslinie des kleinen Spielfeldes, aber das störte offenbar niemanden. Wir steigerten uns von Spiel zu Spiel, wobei jedes wie eine Kopie des vorangegangenen wirkte. Stets wurde erneut eingelaufen, dem Publikum zugewunken, dann Aufstellung bezogen. Ich weiß nicht wie und warum, aber wir spielten immer auf das gleiche Tor direkt vor der Tribüne, und da fast alle Teams in Blauweiß antraten, bis auf ein grünes, kam es mir so vor, als wechselte nicht mal der Gegner. Da unser Spiel in jeder Begegnung komplett in der gegnerischen Hälfte stattfand und wir gut und gerne auf unseren Torhüter hätten verzichten können, kam auch von dieser Seite wenig Varianz hinzu.
Wir waren etwas unterfordert, so ehrlich sollten wir sein! Aber der Stimmung auf den Rängen tat dies keinerlei Abbruch. Im Gegenteil! Ein solch faires und Fußball begeistertes Publikum sucht man in Berlin vergebens. Für mich klang es, als wären wir mit einem Riesenanhang angereist. Jede unserer Aktionen wurde frenetisch bejubelt und beklatscht. Unterschiedslose Anerkennung für schöne Spielzüge und knapp daneben gegangene Torschüsse. Von solch einem Publikum träumt nicht nur der Kinderfußball! Es tat richtig gut, einmal völlig entspannt ein Turnier zu Ende zu spielen ohne Aufreger über etwaige Fehlentscheidungen, taktische Spielverzögerungen oder grobe Fouls. Einfach nur Kicken und Freuen, super!
Und dann noch der Siegerpokal, die Torjägerkanone und die vielen Goldmedaillen, die uns umgehängt wurden vor der großen Ehrentribüne, auf dem der Bürgermeister und der Vereinspräsident Platz genommen hatten. Dazu die vielen Komplimente über unsere Spielkultur und Fairness. Was will man mehr? Eine unglaubliche große Gastfreundschaft und Freundlichkeit, die uns zuteil wurde. Und so fuhren wir im Rausch dieses großherzigen Willkommens weiter, denn nach Hause wollten wir noch lange nicht. Ab an den geheimen Ort der kleinen großen Mannschaftsfahrt und schnell hinein in den wunderbar erfrischenden, kühlen See!
Man darf den Ort gar nicht verraten, so unentdeckt und paradiesisch ist er. Selbst auf dem Weg von unserer Unterkunft durch den Wald zum Wasser wurden wir uns dieser Einmaligkeit bewusst, denn plötzlich wurden wir von einer kleinen 3er-Wander-Gruppe angesprochen, denen unsere AMA-Trikots auffielen. Denn, ja, man wäre früher selber einmal AMA-Spieler gewesen, das sei schon lange her, aber was für ein Zufall! Das kann man wohl sagen, es schien beinahe so, als schicke unser Verein geheime Botschafter des Glücks und Zufalls durch alle Herren Länder, um solch unglaubliche Begegnungen zu ermöglichen. Beseelt und von angriffslustigen Mücken verfolgt, sprangen wir beherzt und laut kreischend in den See, ein wenig argwöhnisch beguckt von den übrigen kontemplativen Seegästen. Wir schwammen zum anderen Ufer und blickten auf Waldränder, die den Kulissen einer Lederstrumpf-Verfilmung glichen. Es fehlte nur noch Hutters Blockhütte in der Mitte des ruhigen, tiefen Gewässers.
Sagen wir einfach, diese Fahrt war von Anfang an von einer höheren Macht gelenkt und geleitet. Denn nicht nur der Ort mit all seinen Möglichkeiten, die er uns bot, Schwimmen im See, Tischtennis, Verstecken in Scheune, Stall und riesigem Obstgarten, Kickern unterm Dach, Grillen, WM-Gucken, Comics lesen, Bionade zischen, Matratzenlager konstruieren, dekonstruieren, Wachbleiben, bis der Mond müde wird - all das war schon weit mehr, als überhaupt in einen einzigen Tag passt. Es war, als pressten wir das Programm von sieben köstlichen Ferientagen in diesen einen einzigen, der sich so herrlich entfaltete wie eine Pfingstrose in ihren besten Stunden.
Man muss solche Tage und Erlebnisse tief in sich verkapseln - wie Samen, aus denen später die Blumen der Erinnerungen wachsen und blühen. Es ist gut, wenn etwas auf Anhieb gelingt, mag es auch noch so flüchtig aufscheinen und dann wieder verschwinden, so bleibt doch der Eindruck, den der einmalige Augenblick bereitet. Man muss nicht immer alles gleich in einen Dauerzustand des Glücks überführen wollen, um ein besonderes Erlebnis für immer festhalten zu können. Es reicht, wenn man die Sinne weit öffnet und die Welt mit all ihren Landschaften, Wäldern, Seen und Himmelskörpern vollständig in sich aufnimmt. Dann ist man mit dem Herzen immer dort, und es regnet nie.
[Turnier Gransee / Samstag 16. Juni 2018]