AMA Cup 2018
2. Platz
"Wir steigen in denselben Fluss und doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht."
Heraklit
Neuerdings üben die Kinder kurz vorgelegte und mit der Sohle gestoppte Freistöße aus extremen Winkeln. Jeder hundertste findet seinen Weg ins Tor. Neunundneunzig andere fliegen weit am Ziel vorbei. Kinder ahmen die großen Szenen der WM nach, auf diese Weise lernen sie Neues. Fallrückzieher stehen schon seit einigen Wochen hoch im Kurs. Der spektakuläre Fußball lebt!
Unsere Saison geht zu Ende, wir plätschern im allgemeinen WM-Fieber dahin. Noch ein bisschen Kicken, dann verschwindet ein jeder in den großen Ferien. Ich bin gespannt, welche neuen Star-Trikots zum Saisonauftakt der kommenden Spielzeit begrüßt werden dürfen? Zu meiner Zeit träumte jeder davon, den neuen Tango-Ball zu bekommen. Der Ball hatte ein völlig neuartiges Muster, er besaß offenkundig Wunderkräfte. Ein Jahr nach der WM in Argentinien brachte unser Trainer endlich einen mit. Er wurde als neuer Spielball eingesetzt. Zum Training nahmen wir nach wie vor den alten, der aussah wie eine abgenutzte Hafenboje.
Training, das bedeutete damals großes Spiel. Acht gegen acht, neun gegen neun. Man könnte auch sagen: Einer gegen alle, alle gegen einen. Mit zehn Jahren wechselte ich in die D-Jugend, wir spielten auf Großfeld. Der reinste Wahnsinn! Laufwege wie gefühlte Mittelstrecken. Torschüsse aus fünfundzwanzig Metern, denen man fünf Minuten hinterher schauen konnte, bis sie ihr Ziel erreichten, wenn sie es denn erreichten.
Heute ist vieles anders, aber die grundlegenden Dinge haben sich nicht geändert. Wer mit zehn Jahren den Ball noch nicht jonglieren kann, wird nie ein großer Fußballer. Allenfalls Freizeitkicker. Aber gut, man muss ja auch nicht alles können. Auch ich hatte viele Mannschaftskameraden, die früher oder später aus dem Fußballverein austraten, da sie dem Sport nichts mehr abgewinnen konnten. Ich spielte bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr nebenbei Tennis. Aber es bereitete mir keine große Freude. Das Training war stumpfsinnig, die Hälfte der Stunde musste man Tennisbälle in einen großen Einkaufswagen einsammeln. Zudem waren die Klamotten ziemlich peinlich. Das Beste am Tennis war immer noch der Getränkeautomat im Clubheim.
Das ist der große Vorteil am Fußball, man kann ihn immer und überall spielen. Tennis dagegen ist wiederum eine gute Schule, um das Zielen und die Selbstbeherrschung zu erlernen. Überhaupt muss man im Tennis sehr planvoll agieren, eine gute Technik besitzen und schnell auf den Beinen sein. Körperspannung pur! Das scheint im Fußball etwas anders zu sein, da kann man auch mal andere machen lassen. Glauben jedenfalls manche und kommen damit geraume Zeit durch. Doch dann kapieren sie, dass Hacke Spitze eins zwei drei in keinem Sport funktioniert.
Die Kinder wachsen jedes Jahr mehr und mehr in den Fußballsport hinein. Gleichzeitig müssen sie ihre technischen und taktischen Fähigkeiten ausbauen. Über die Saison haben sich die Entwicklungsstände der Spieler deutlich gesteigert. Mit jeder Altersklasse ändert sich das Spiel, es wird komplexer, schneller und anspruchsvoller. Das birgt Unwägbarkeiten innerhalb der Saison. Eine Mannschaft fängt niemals so gut an, wie sie aufhört. Jeder Spieler kann plötzlich von einem anderen überholt werden.
Der Augenblick, wenn die Ferien zu Ende gehen und das Training wieder aufgenommen wird, ist für mich immer sehr spannend. Wer kommt wie aus der langen Sommerpause zurück? Wer hat jeden Tag gekickt und sich ein paar neue Tricks drauf geschafft? Wer hat den Ball komplett in der Ecke liegen lassen? Vieles wird zu Anfang einer neuen Saison auf Null gestellt, aber so manches bekannte Muster und Psychogramm kommt schnell wieder zum Vorschein. So gesehen ist vor der Saison immer auch ein bisschen nach der Saison.
Auf unserem AMA-Cup zeigten wir noch einmal ein sehr gut aufgelegtes Spiel. Wir gewannen die Mehrzahl der Matches, verloren aber auch drei Partien. Insgesamt bewiesen wir, dass wir aus der Rückserie trotz kleiner und mittelschwerer Erschütterungen sehr gut und gestärkt hervorgegangen sind. Die Rückrunde hat uns zwar deutliche Grenzen aufgezeigt, aber auch neue Perspektiven eröffnet. Wir mischten in einer Liga mit, in der mit großem Aufwand und viel fußballerischem Knowhow leistungsorientiert trainiert und gespielt wird. Drei Mal in der Woche Training, zwei mal am Wochenende Wettkampf sind dort für einige Mannschaften ganz normal. Wir blieben bewusst darunter. Man muss es nicht übermäßig betonen, aber das Niveau in dieser Sonderstaffel war sehr hoch. Es bleibt abzuwarten, ob sich unser Erfolg in der nächsten Spielzeit wiederholen lässt. Vieles spricht dafür, dass sich Glück und Können erneut mit uns verbünden. Da der Züllichauer fertig gestellt ist, wird es auch endlich wieder bessere Trainingsbedingungen geben.
Nicht jedem unserer Spieler bekam die enorme Steigerung der Mannschaft zu Gute. Bereits in der Hinrunde passten zwei Spieler ob der rasanten Entwicklung und wechselten den Verein, zwei weitere gingen noch vor Ende der Rückserie. Die Lücken, die durch die Abgänge entstanden, konnten durch Neuzugänge gut geschlossen werden. Freilich bleibt immer ein bitterer Nachgeschmack zurück, wenn jemand aus Unzufriedenheit geht oder seine persönlichen Ziele innerhalb der Mannschaft nicht verwirklicht sieht. Zu einer Trennung gehören freilich immer Zwei. Auch in der nächsten Saison wird es nicht immer leicht sein, jeden Spieler restlos zufrieden zu stellen. Eine Mannschaft entwickelt sich, jeder lernt dazu, natürlich auch die Trainer.
Was bleibt?
Eine außergewöhnliche Saison, in der sich die Mannschaft zur Rückrunde mit den besten Teams ihrer Altersklasse in Berlin messen durfte, eine Saison voller Überraschungen, toller Spiele und Turniere, aber auch bitterer Niederlagen. Eine Saison, die einmal mehr aufgezeigt hat, dass im Sport vieles von einer gesunden und stabilen Gesamteinstellung abhängt und nur dann in allgemeine Zufriedenheit mündet, wenn die Einzelkräfte gut ausgewogen und präzise auf das gemeinsame Ziel hin ausgerichtet sind. Jeder sollte dabei seinen Anteil am gemeinsamen Erfolg spüren können. Dies ist uns leider nicht immer gut gelungen, doch im Großen und Ganzen können wir sehr zufrieden sein. Die Mannschaft hat etwas absolut Besonderes und Außergewöhnliches erreicht, von dem wir Anfang der Saison nicht mal zu träumen wagten.
In diesem Sinne: Bravissimo und da capo!
[AMA CUP / Samstag 23. Juni 2018]