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AMA / C1
SAISON 2021 / 2022

Weniger ist mehr

Tebe U14 - AMA U15

0 : 2

Zwei Langzeitverletzte, zwei kurzfristig Verletzte, ein Erkrankter, drei Verreiste, zwei Spieler, von denen ich bis heute nicht weiß, weshalb sie fehlten. Ergo ein Kader von 12 Spielern gegen einen Gegner aus der Landesklasse, dessen Team in der nächsten Saison in der Regionalliga antreten will. Umso erstaunlicher, dass die Verbliebenen das Spiel rockten, es mit zwei zu null gewannen mit nur zwei 1 Jahr älteren Spielern auf dem Feld, einer von ihnen wiederum ein Keeper-Feldspieler und bei beiden Treffern auf der Bank.

Machte überhaupt jemand den Unterschied?

Zumindest war einer der 2007er am ersten Tor beteiligt, indem er einen direkten Freistoß abfälschte und den Ball überraschend ins Tor lenkte. Aber um ehrlich zu sein, ich konnte bei keinem Spieler einen wesentlichen qualitativen Unterschied erkennen, alle waren in etwa gleich stark, gleich wach, gleich talentiert, gleich gut ins Team integriert. Der Erfolg gebührte mal wieder der ganzen Mannschaft, also in diesem Fall den wenigen Spielern, die gekommen waren, auch wenn der eine oder andere sicher ein paar Kilometer mehr in den 70 Spielminuten gelaufen und ohne Verspätung zum Treffpunkt erschienen war. Aber auch das ist im Grunde nichts Neues.

Das Neue ist immer nur das, was in sechs bis acht Wochen passiert, in diesem Fall wenn für uns hoffentlich die Frage geklärt sein dürfte, mit welchen Spielern wir in die neue Saison starten dürfen und mit welchen nicht? Werden wir dann noch 22 Spieler im Kader sein? Oder dauerhaft nur zwölf? Davon zwei Keeper?

Das Wechselkarussell der Berliner 2008er hat ordentlich Fahrt aufgenommen. Es gibt allerhand Gerüchte, die sich auf Nachfrage sogar in etwa bestätigen. Einige Spieler-Namen sind ohnehin omnipotent präsent, andere wiederum werden an der Chip-Kasse noch konspirativ gehandelt. Sogar Trainer und ganze Mannschaftsteile sind aufgesprungen. Das Saisonfinale wird freilich pikant, da einige renommierte Berliner Regionalliga-C1-Teams auf den Abstiegsplätzen gelandet sind oder landen werden. Das tut der Nachwuchs-Spieler-Seele natürlich weh, wenn es heißt: Nächste Saison 'nur' Verbandsliga!

Ich halte diese hysterische Wechselei ohnehin für übertrieben. Beim Spiel begrüßte mich ein alter Bekannter, dessen Sohn nun schon beim dritten Verein innerhalb von vier Jahren angekommen ist. Mal sehen, wo ich die beiden im nächsten Jahr treffe? Bislang profitierten wir selber gut von Zugängen, wobei wir nicht aktiv Spieler aus Berlin & Brandenburg anwerben, sondern eher nach Möglichkeiten suchen, uns generell positiv zu präsentieren und durch Qualität interessant zu machen - werben durch gute Leistungen, sympathisches Auftreten und eine regelmäßige Quote an Spielern, die schließlich zu den großen Clubs wechseln. Neulich stellten wir mal spaßeshalber jenes virtuelle Team zusammen, das wir hätten, wenn all diese Talente nicht gegangen wären. Das sah auf dem Papier ziemlich beängstigend aus! Für die Gegner!

Aber Namen allein machen ja noch kein Team.

Ob ich gar nicht wolle, dass meine Spieler Profis werden, wurde ich im Anschluss an das Spiel gefragt. Natürlich wünsche ich mir generell vieles, auch wenn ich weiß, dass nur weniges davon jemals eintreten wird. Sollte es ein Spieler tatsächlich schaffen, die Fußballstiefel ganz weit oben zu schnüren, wäre ich wohl der Letzte, der sich darüber nicht freuen würde. Aber Leistung, Motivation, Förderung allein reichen da nicht aus, es muss schon die Glücksfee mit im Spiel sein. Richtige Mannschaft plus richtiger Trainer plus richtige Zeit am richtigen Ort plus Gesundheit plus grundsätzliches Wohlbefinden plus günstiger launischer Zufall - eine Gleichung mit mindestens zehn Unbekannten. Ohne die Statistik erneut zu bemühen, die ohnehin jedem Aspiranten bekannt sein sollte, mir geht es gar nicht um das Argument der minimalen Zahl an Talenten, die es tatsächlich schafft, sondern generell um die Sichtweise des vermeintlichen Prinzips: Höher wäre besser und weiter!

Natürlich wird ein Bundesligaspieler besser spielen als ein Bezirksligaspieler. Und ein Weltmeistertitel ist sicherlich bedeutender als ein Stadtderby-Pokalgewinn. Und ganz sicher verdienen durchschnittlich begabte Profis heutzutage weit mehr als sämtliche Stars von gestern und vorgestern. Es gibt auch ausreichend positive Beispiele, die beweisen, wie es gelingen kann. Und im NLZ lernt man sicher nicht nur professionell Murmelspielen. Ich will auch wirklich niemandem seine Träume nehmen, zumal ich jemanden kenne, der ihn auf ungewöhnliche Weise verwirklicht hat. Aber höher ist bei mir noch lange nicht notwendig besser oder weiter!

Höher bedeutet zunächst einmal nur höhere Ansprüche an den Spieler. Die einen entwickeln sich dabei besonders gut, die anderen nicht ganz so gut. Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, dass viele Talente nur deshalb nicht entdeckt werden, da sie nie ausreichend Gelegenheit bekommen, sich unter komplexeren Bedingungen kontinuierlich zu beweisen. Ihre Potentiale bleiben schlichtweg unausgeschöpft oder sogar unentdeckt wie beim Relativ Aged Effect, demnach es kein Zufall ist, dass die Mehrheit der Profis im ersten Halbjahr eines Jahrgangs geboren ist. Sie waren in der Entwicklung den Spätgeborenen im Team stets einige Monate voraus und wurden deshalb intensiver gefördert, weil bevorzugt aufgestellt. Dies ist freilich wieder ein Argument für diejenigen, die gern sagen, lieber auf sehr hohem Niveau spielen als darunter, denn nur so kann man alles aus sich herausholen. Mag sein, aber man kann auch heftig auf die Schnauze fallen, wenn das Tempo plötzlich zu hoch ist. Beispiele dafür gibt es leider auch zur Genüge.

Dass höherklassig nicht automatisch gleich besser bedeutet, sollten wir in dieser Saison bereits hinlänglich bewiesen haben. Selbst ein Regionalligist holte sich gegen uns nur ein einziges Tor ab, wenngleich es zum Weiterkommen im Pokal reichte.

Oft wird das Argument der professionellen Strukturen bemüht, dann heißt es ganz zeitgemäß und modern: Neben dem Platz ist nicht auf dem Platz. "Ganz genau!", sage auch ich! Man denke nur an die Anfahrtswege, und dann noch die leidige Schule nebenbei. Dass dieses Neben dem Platz weit mehr ist als nur vorgegebene Professionalität in allen Fitness-, Spieltaktik- und Ausstattungsbereichen, unterschätzen viele. Sie sehen nur Klassenzugehörigkeit und Vereinsemblem, das verheißungsvolle Ziel, nicht aber die Konsequenzen, die durch viermaliges Training pro Woche auf sie zukommen. Wochenenden und Auswärtsspiele respektive romantische Autobahnstunden nicht mitgerechnet. Für seinen Traum muss man zunächst einmal ein paar andere real existierende Dinge aufgeben. Aber gut, wenn man es nie anders kennen gelernt hat, ist weniger auch nicht unbedingt schlechter. Dann aber steht das alljährliche Neusichten der Teams an samt individueller Bewertung der eigenen Leistung durch den Trainerstab oder andere Verantwortliche im Verein. Im schlimmsten Fall heißt es dann doch unerwartet Abschied nehmen vom großen Traum oder zumindest vom ersten kühnen Entwurf.

Was dann? Traum ganz aufgeben? Woanders durchbeißen? Zurück zum kleinen Heimatverein?

Irgendwas wird schon kommen, und wenn`s im Fußball nicht klappt, dann gelingt es hoffentlich mit etwas anderem. Die Welt ist zum Glück voll mit wunderbaren Träumen und Dingen! Was ist da schon Fußball? Meine Meinung: So lange man sich überhaupt in hoher Intensität und in großer Regelmäßigkeit frei bewegen kann, ist schon extrem viel gewonnen.

Den großen Rest nennt man übrigens Leben.

[Testspiel / Sa. 7. Mai 2022]


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Tebe U14 - AMA U15
0:2 (0:2)
(1x Levi/Lamin, 1 x Djamal/Levi)
Es spielten: Eddie, Julius, Bela, Lamin, Arda, Timo, Femi, Levi, Felix, Hasan, Luca, Djamal



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