picture
loading

AMA / C1
SAISON 2021 / 2022

Exquisiter Pausenstand

AMA U15 - Frohnauer SC U15

7 : 1

"Fußballspielen ist einfach, aber einfachen Fußball zu spielen, ist das Schwierigste überhaupt."

(Johan Cruyff)


Im Anschluss an die freundliche Begrüßung erwähnten die beiden Gästetrainer, sie seien nicht mit der spielstärksten Formation angereist, würden in dem Testspiel gerne etwas ausprobieren und Spieler testen. Schade, dachte ich, das mindert die Spannung etwas, aber gut, schauen wir mal. Gehört ja manchmal zum kleinen taktischen Einmaleins dazu, vor dem Spiel tiefzustapeln.

Meine Annahme, die Frohnauer würden den Borsigwaldern der Vorwoche mit etwas mehr Spielkultur folgen, ging zwar nicht ins Leere, traf aber auch nicht ins Schwarze. Das fußballerische Niveau, das ich mir von dem Match erhofft hatte, erreichten wir nicht ganz. Es fehlte ein wenig an Schneid und Intensität. Ich gebe zu, ich war ein wenig enttäuscht, wohingegen ich äußerst froh war, dass die Frohnauer überhaupt spontan als Gegner eingesprungen und zu Besuch gekommen waren. Ein sympathisches Team, wenn auch etwas basslastig in der Kabine. Aber direkt neben einem ehemaligen zivilen Luftschutzbunker darf man eine Beatbox sicher schon mal maximal aufdrehen.

Wir dominierten die Partie und legten bis zur Pause fünf Treffer auf, im Grunde war der Drops da bereits gelutscht. In der Kabine erklärte ich, alles gesehen zu haben, der Job sei eigentlich erledigt, wir könnten nun munter experimentieren, egal in welche Richtung. Aber das Team wollte lieber weiterspielen wie in der ersten Hälfte, treffsicher und mehr als einmal ziemlich elegant im Abschluss. Daraus wurde freilich nichts, denn die Spannung sauste nach Wiederanpfiff direkt in den Keller, wie so oft nach einer exzellenten ersten Halbzeit.

Die Frohnauer agierten nun griffiger, gingen energischer in die Zweikämpfe. Doch die besseren Torchancen erspielten weiterhin wir, nur trafen wir nicht mehr so spektakulär wie in der ersten Halbzeit. Durch die etwas robustere Gangweise im Mittelfeld kam der Spielfluss leicht ins Stocken. An seine Stelle traten Freistöße und kurze Unterbrechungen. Dennoch war es erstaunlich, wie fair beide Teams insgesamt spielten und jegliche Übertretung der Fairness missbilligten, sogar innerhalb der eigenen Reihen, weshalb die Partie ganz ohne Schiedsrichter auskam, wovor ich meinen Hut ziehe, denn das nenne ich großartige Spielkultur.

Ein Verhalten, das man nicht hoch genug bewerten kann angesichts all der anderen Verrücktheiten, die in dieser Altersklasse auf und neben den Rasen stattfinden. So erreichte mich zwei Tage vor dem Match erneut eine Kontaktmail einer Scouting-Abteilung eines überregionalen Vereins, die in ewig gleicher schnöder Floskel von: "einige ihrer Spieler sind uns sportlich positiv aufgefallen" kündete. Man würde gerne "eine sportliche Perspektive aufzeigen" und sich "dahingehend" mit mir "und den Eltern besprechen". Ob ich "bereit" sei, die "Anfragen an die Familien weiterzuleiten?" Auf meine kurze schriftliche Nachfrage, um welche Spieler es sich denn handele, klingelte zehn Minuten später mein Telefon.

Aber ich nahm den Anruf nicht an. Schon beim letzten Scout, der für einen norddeutschen Traditionsklub in Berlin und Brandenburg unterwegs war und sich mit mir am Telefon besprechen wollte, hatte ich während des Gesprächs das Gefühl, er wolle mir nicht nur einen Spieler abnehmen, sondern nebenbei noch ein neues Haus verkaufen.

Um es kurz zu machen, ich weiß nicht, welchen existentiellen Grund es gibt, drei- bis vierzehnjährige Teenager aus intakten Teams und Familien zu locken, um sie in irgendwelche wie auch immer aufgestellte NLZ-Internate zu stecken und zu vermeintlichen Profis auszubilden. Das Vorgehen ist mir suspekt, und ich denke, das vom DFB an die Clubs delegierte System der NLZ-Talentförderung ist ganz sicher nicht ausschließlich zum Wohle junger Spieler gedacht, sondern mindestens zu gleichen Teilen in ein dubioses und nicht immer solventes Leistungs- und eher fragwürdiges Geldsystem verstrickt.

Klar, ein paar von den U14-Jungs, die jetzt von Viktoria 89 zu Leipzig oder zu Wolfsburg oder mit ihrem Trainer von Tebe zu Hertha Zehlendorf wechseln oder aus ihren Kiezen bis zu fünf Mal in der Woche durch die komplette Stadt juckeln, werden irgendwann einmal einen Einsatz in einer Bundesliga-Mannschaft bekommen und für ein paar Jährchen ein paar Euros verdienen oder vielleicht sogar mal ein Länderspiel bestreiten. Aber die meisten von ihnen werden am Ende ihrer kleinen Fußballerkarriere ein ebenso stinknormales Leben führen müssen wie die meisten anderen fußballerisch nicht so gut ausgebildeten Menschen auch - mit dem gravierenden Unterschied, ihre komplette Jugend vornehmlich auf einem Areal von etwas weniger als einem Hektar stumpfen Kunstrasens verbracht zu haben. Nun gut, immerhin bei frischer Luft und egal welchem Wetter!

Wenn man einmal einen Vertreter einer Fußball-Nachwuchsabteilung fünfzehn Minuten am Telefon oder in einer Fortbildung dozieren hört, glaubt man am Ende tatsächlich, die mehr oder weniger traditionsreichen Clubs böten modernste Eliteschulen für Sport & Leben mit großen Sorglospaketen für Spieler & Familie. Dabei bringt man den konkurrierenden Jugendlichen dort vornehmlich bei, einen immer gleich großen Ball möglichst gekonnt ins immer gleich große Tor zu befördern, wenngleich dieser Vorgang auf hohem Niveau recht komplex vonstatten geht und eine Menge Zeit, Disziplin und ständige Wiederholung erfordert. Klar, wer den ganzen Tag nur in Geschichtsbüchern schmökert, bewegt seine Augen auch nur immerfort von links nach rechts.

Die Welt des NLZ-Fußballs ist durchaus nicht hinterwäldlerisch und sehr komplex organisiert, so viel ist sicher. Aber eben deshalb darf sie auch kritisch hinterfragt werden. Der Fußball insgesamt ist mittlerweile so tief in die Gesellschaft verstrickt und in das gesellschaftliche Leben eingeflochten, dass er in der Praxis etliche Fach-Disziplinen parallel beschäftigt. Er könnte im Grunde an jeder Uni der Welt einen eigenen Fachbereich unterhalten.

Zumindest lassen uns dies die Clubs auf professioneller Ebene wissen. Wenn man die fokussierende Leselupe aber einmal beiseite legt, ist der Fußball im Grunde auch nicht mehr als ein geglückter Doppelpass im großen Spiel des Lebens selbst. Er kann wohl dabei helfen, es zu gewinnen, sollte es tatsächlich darauf ankommen.

Zu spielen, ist alles - das Leben ein wenig zu verstehen, ist immerhin schon ein exquisiter Pausenstand.

[Testspiel / Sa. 30. April 2022]


***

AMA U15 - Frohnauer SC U15
7:1 (5:1)
(1x Bela, 2x Lamin, 1x Julius, 1x Jonas, 1x Nuri, 1x Eigentor)
Es spielten: Eddie, Julius, Bela, Jonas, Lamin, Arda, John, Timo, Emil, Hasan, Femi, Levin, Levi, Nuri.



***

TABELLE ANSCHAUEN
EINBLENDEN / AUSBLENDEN