Viktoria 89 Neujahrsturnier
Irgendwo zwischen 5 und 8
Dass die Welt Kopf steht, kenne ich vornehmlich vom Karneval. Hosen werden zu Mützen, Bettler zu Königen. Bei mir steht derzeit auch manches Kopf. So wurde mir gestern Abend bewusst, zum ersten Mal in meinem Leben nicht zu wissen, wo die kommende Fußball-Europameisterschaft stattfindet. Wahrscheinlich bin ich so eine Art Papst der Ahnungslosen.
Das Prinzip Verkehrung setzte sich auch bei unserem Jahresauftakt in Szene. Wann standen die 2008er von Hertha BSC jemals nach einer Gruppenphase auf dem letzten Platz? Zwei Niederlagen, ein Unentschieden, so schlecht war nicht mal der spätere Turniersieger, die Füchse, die in der anderen Gruppe nach der Vorrunde ebenso auf dem letzten Rang standen. Ohnehin eine interessante Gruppe: Auch mit negativem Torverhältnis konnte man dort Gruppensieger werden, wie Lok Leipzig bewies. Damit aber nicht genug. Am Ende standen ausgerechnet eben die beiden Letztplatzierten der Gruppenphase im Finale und hatten die jeweiligen Erstplatzierten im Viertelfinale ausgeschaltet. Aber auch im Finale bestätigte sich die verkehrte Welt, denn es siegten nicht, wie mancher erwartet hätte, die Hertha, sondern die Füchse.
Waren sie mal wieder schlauer? Anything is possible!
Bis zur vierten Minute unserer Viertelfinalbegegnung gegen eben diese Füchse verlief bei uns eigentlich alles wie gewohnt - gute Spiele, sehr gute Platzierung. Unser erster Sieg gegen die Hertha hatte uns absolut positiv gestimmt und überrascht, aber auch nicht sonderlich umgehauen. Dann aber erfuhren wir einen totalen Spannungsabfall. Der Zucker aus der eilig gegen die Frühjahrs-Müdigkeit herbei geholten Cola war verflogen. Wie aus dem Nichts erstarben Konzentration und Kraft. Statt Leichtfüßigkeit sahen wir teigige Beine und käsige Gesichter. Leichtfertig gaben wir die Führung gegen die Füchse her und verspielten den traurigen Rest unser Turnierzeit. Innerhalb von wenigen Minuten stürzten wir aus dem Tabellenhimmel in den Staub des rutschigen Hallenbodens. Boing! Als einzige Mannschaft mit drei Siegen aus der Gruppenphase waren wir zugleich die Erste, die ihre Tasche auch schon wieder packen und nach Hause fahren durfte. Na, super!
Ich kann mir vorstellen, dass diese Erfahrung einer plötzlichen Verkehrung des Gewohnten nicht die letzte ihrer Art gewesen sein wird, ich befürchte es sogar. Man muss ja nur nach Australien blicken, um zu kapieren, was alles über einen kommen kann. Ja, ich lasse mich dazu hinreißen, allmählich zur Panikfront überzuwechseln. Angst ist zwar ein schlechter Ratgeber, wie es so schön heißt, aber alle anderen Krisenmanagements erscheinen mir auch nicht gerade beruhigender - zumindest im Augenblick. (Und dann auch noch dieser Verrückte mit der gelben Haartolle, der in bester Altmännermanier einen außenpolitischen Zwist vom Zaun bricht, um sich innenpolitisch zu festigen.)
Mir jedenfalls fällt es schwer, daran zu glauben, dass es nicht so schlimm kommen wird, wie ich denke. Wo die nächste Weltmeisterschaft stattfindet, weiß ich übrigens auch nicht. Katar?
Alarm, Alarm!
[Viktoria 89 Neujahrsturnier / So. 5. Januar 2020]
