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AMA / D2
SAISON 2019 / 2020

Schon fast unheimlich

Rixdorf D1-Turnier

1. Platz

Die Halle in der Haarlemer Straße ist eine von vielen Berliner Funktionshallen, die sich im Grundriss und von der Innen-Architektur her ähneln, wenngleich jede ihren eigenen Geruch und ihr eigenes Licht besitzt. So wie sich Farben alter Gemälde unter einer Patina verstecken, wirken auch diese Hallen nach all den Jahren abgenutzt und bräunlich verfärbt. Es steckt eben viel Zeit und Schulsport in ihnen. Nur mit guter Pflege und zwischenmenschlichem Charme verwandeln sich diese Orte in angenehme, kurzweilige Stätten gemeinschaftlicher Wochenendgestaltung.

Fußball-Hallenturniere tragen nur bedingt zur Veredelung dieser Hallen bei. Ich weiß nicht, wie sich andere Sportarten benehmen. Aber im Fußball geben manche Teams je nach Altersklasse und Mannschaftsmentalität diesen Hallen den ästhetischen Rest. Kabinen und Waschräume sehen nach kürzester Zeit aus, als hätte am Vorabend eine derbe Party in ihnen stattgefunden. Klebrige Pfützen, entleerte Mülleimer, über den Boden kullernde, halb volle Plastikflaschen, blecherne Limo-Dosen, zerquetschtes Obst und Bananenschalen, mit Papier und anderem ekelerregenden Dingen verstopfte Waschbecken und Kloschüsseln. Es fehlt eigentlich nur noch etwas Kotze in der Ecke.

Es kann ja immer mal was umkippen oder aus der Hosentasche fallen. Dennoch ist es schon erschreckend, wie wenig Wahrnehmung für die Umgebung bei vielen Teams vorherrscht. Schon oft, wenn wir uns eine Kabine mit einem anderen Team geteilt haben, sah sie im Anschluss des Turniers aus, als hätte sich ein Gesicht in zwei Hälften geteilt. Auch unsere Spieler lassen gerne mal etwas liegen, aber am Ende gehen die Trainer dann durch und räumen zumindest das Gröbste weg. Und diejenigen, die meinen, etwas auf allzu bequeme Weise entsorgen zu können, lernen ohnehin ziemlich schnell die pädagogische Müllzange kennen, mit der sie umgehend ihre Spuren beseitigen dürfen. Alles in allem sind wir also recht ordentlich.

Abgesehen von verdreckten Kabinen bekommt man auf Hallenturnieren oft unfreiwillig weitere teaminterne Gepflogenheiten anderer Mannschaften mit. Man teilt sich nun mal den knappen Raum. So hörten wir gleich nach unserer Auftaktpartie gegen Tebe in der Nachbarkabine ein heftiges, immer wieder anschwellendes Gebrüll, das nicht mal ansatzweise die Grazie einer Schwitterschen Ursonate hatte. Mein neuer Freud Volker wütete und brüllte dort in bester Feldwebelmanier auf seine Schützlinge ein, weil sie zuvor eine deftige Niederlage gegen uns erlitten hatten. Ich fragte mich, wer in solchen Situationen eigentlich für wen da sein sollte? Ein Trainer für seine Spieler oder die Spieler für ihren Trainer? Dieser schien reichlich aufgestauten Dampf ablassen zu müssen, ohne dass seine Spieler irgendetwas davon hatten.

Fünf Minuten Geschrei für zehn vermasselte Spielminuten - das Ganze grenzte schon an eine Gefährdung des Kindeswohls, zumal sich der Vorgang nach einer weiteren Niederlage während des Turniers wiederholte. Nun gut, nicht unsere Baustelle! Leider begegnet man dieser schwarzen Pädagogik noch allzu oft im Kinder- und Jugendfußball. Nicht jeder Trainer lässt seine Spieler nach einer Niederlage ruhig aufbauend und sportlich gefasst wissen, was sie besser machen können. Dass die Stimme schon mal kräftiger wird, mag den eigenen Emotionen geschuldet sein und der Hilflosigkeit an einer vermasselte Partie. Aber genau diese beiden Haudrauf-Haubitzen sollte man als Verantwortlicher im Griff haben, wenn es für das eigene Team irgendwann mal besser laufen sollte.

Bei so viel beschämendem Ungemach, zu dem auch noch ein dreister Werbefuzzi für FIFA-Points zur Begrüßung der Mannschaften gehörte, war ich am Ende des Turniers einfach nur froh, dass wir durchgehend guten Fußball gespielt und somit, wie ich fand, der Veranstaltung durchaus zu etwas Glanz verholfen hatten.

Wir gewannen alle fünf Spiele sehr souverän und jedes auf neue berückende Weise. Für diese fußballerische Darbietung brauchte es kein einziges Gebrüll, keine einzig achtlos weggeworfene Limo-Dose, keinen einzigen depperten Kommentar von der Tribüne. Lediglich an der herzhaft duftenden Sucuk, die der Veranstalter kiloweise briet, taten wir uns gütlich. Einer durfte sein heißes Wurstbrot sogar auf der Heimfahrt im Bus weg mümmeln, allerdings nur mit einer Rolle Küchenpapier im Schoss. Ich hörte nicht mal ein Schmatzen.

Am Abend kam dann das Teamfoto herein geflattert. Ein Pokal auf dem Kopf des Keepers, eine Wasserflasche zufällig im Vordergrund, zwei Trainer und acht Spieler, beinahe wie zum Sittenbild aufgestellt, in Pose geworfen, symbolische Rollen einnehmend. Aber wo waren nur die Beine und Füße des einen Spielers geblieben, der in dem Bild ohnehin schon etwas in den Hintergrund geraten war? Hatte man sie etwa heraus retuschiert, weil er auf Socken zum Foto gekommen war?

Das wäre des Anstandes dann doch zu viel gewesen.

[Rixdorf D1-Hallenturnier / So. 15. Dezember 2019]


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1. Platz
Es spielten: Samy, Blerton, Levin, Noah, Luca, Bela, Albion, Fynn



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