AMA F1 - Hillaspor F1
5 : 4
Der Reiz eines Testspiels liegt insbesondere darin, sich von nichts anderem anstecken zu lassen als von absoluter Gelassenheit. Das Testspiel ist seinem Wesen nach ein Spiel des Studiums, es offeriert eine Stunde der Aufmerksamkeit und erzeugt innere Ruhe, die Wahrnehmung öffnet sich. Ein Testspiel kann gelesen und betrachtet werden wie ein klassisches Gemälde. Was sehen wir, was geschieht? Was tut jede einzelne Figur, wir wirkt das Ensemble zusammen?
Im Vergleich zum Ligaspiel ist das Testspiel sogar das interessantere. Denn in einem Ligaspiel herrscht Beobachtung in einem zwanghaften Modus, der Wettkampf verzerrt, ein positives Ergebnis ist angestrebt. Diese Faktoren wirken unmittelbar auf die Wahrnehmung ein, man ist permanent versucht, ins Spielgeschehens einzugreifen, um die Geschicke zu lenken. In einem Ligaspiel kann das Zustandsbild nur schwer in aller Ruhe studiert und betrachtet werden, denn im Grunde wird es gerade hastig gemalt. Ein falscher Strich, ein falscher Tupfer – schon ist das Bild missglückt!
Das Testspiel dagegen verlangt nach Fehlern. Es lebt von der Ungenauigkeit, welche es noch während des Spiels zu vermerken und zu analysieren gilt. Alles, was schief läuft, kommt aufs Konto der Zukunft. Von diesem Konto werden die nächsten Trainingseinheiten bezahlt, von diesem Konto fließt auch der spätere Gewinn. Trainer und Spieler werden sich ins Zeug legen müssen, das ist die immer währende Quintessenz des Testspiels. Aber währenddessen kann man herrlich entspannen. Und den Stimmbändern tut es auch gut.
Der erholsame Raum, in den hinein sich das Testspiel ergibt, wird abgelöst von der harten Trainingsbahn, auf der sich neue Arbeit türmen wird. Nach dem Testspiel ist quasi vor dem Training. Jetzt wird es sich zeigen, wer aus seinen Fehlern gelernt hat oder lernen wird. Hat der Trainer etwas erkennen können, das es zu verbessern gilt, wird er neue Ideen kreieren, um seine Vorstellung vom schönen Spiel zu vermitteln. Auf die Stunde der Erholung folgt die intensive Phase der Betreuung und Detailarbeit.
Zwar haben wir heute mit fünf zu vier Toren gewonnen, aber die Liste der kleinen und größeren Fehler, die uns unterlaufen sind, ist nicht unerheblich. Das Konto der Notwendigkeiten ist erst mal voll. Wir werden viel in solide Technik und Ballbehandlung, aber auch einiges ins individuelle Spielverständnis investieren müssen. Aber keine Angst, das ist völlig normal! Wer in diesem Stadium der Entwicklung nicht in die Basics investiert, den frisst die Inflation der Körperentwicklung bald auf, der gerät unter die Räder der fortschreitenden Zeit und des allgemeinen Wettbewerbs. Denn niemand bleibt in seiner Entwicklung stehen, auch die anderen verbessern sich.
Vielleicht ist es an der Zeit, die Kinder einmal mit sich selbst zu konfrontieren: „Was glaubst du, worin bist du bereits gut, und worin könntest du dich noch verbessern?“ Auf diese Weise projizieren sie sich selbst einmal in den Raum und finden dadurch möglicherweise einen Angelpunkt für ihr eigenes Engagement. Sie lernen, sich selbst zu betrachten und ihre Wahrnehmung zu bündeln und auf die eigene Leistung auszurichten. Ohne Zwang natürlich, denn das Lernen und Fußballspielen soll weiterhin Spaß machen.
Das Leistungsgefälle innerhalb der Mannschaft ist nicht zu übersehen, aber genauso wenig ist zu übersehen, welche positiven Anlagen jeder Spieler mitbringt und in die Waagschale der Mannschaft legt. Jedes Kind ist anders, alle müssen noch viel dazu lernen. Zu sehen, wie aus einer Ansammlung heterogener Charaktere und Begabungen allmählich ein funktionierendes Ensemble wird, ist neben Bilder anschauen beinahe so schön wie selber wieder Fußball zu spielen. Aber auch nur fast!
Man sollte diese Zeit voller Wunder, Finten und Tore so lange genießen, wie es nur geht! Ganz ehrlich: Fußball ohne Kindheit ist nur ein schnöder Sport mit bedenklichem Bierkonsum auf der einen und mit viel zu hohem Leistungsdruck auf der anderen Seite des Stadionzauns. Kindheit ohne Fußball dagegen nur eine von unzähligen Möglichkeiten, glücklich zu werden. Im Grunde ist das ganze Leben ein Training, und erst am Ende erkennt man, dass es ein echtes Spiel war - von Anfang an. Testspiele ausgenommen!
[TESTSPIEL / MITTWOCH, 30. SEPTEMBER 2016]