AMA U15 - Tasmania Berlin U15
4 : 3
Was für ein Spiel, das neue Wellen der Aufmerksamkeit in den obligatorischen Scouting-Abteilungen der großen und mittelgroßen Clubs schlagen wird. Die ersten Feinaugen standen bereits wieder mit gezücktem Papier und Stift am Spielfeldrand. Kein Gegner ist so übermächtig wie das Angebot der großen Clubs.
Aber zunächst steht für uns die Frage im Raum, weshalb wir eine Halbzeit lang derart überzeugend aufspielen, in der anderen Halbzeit jedoch umso deutlicher unseren Faden verlieren und kaum mehr zu unserem Spiel finden konnten? Waren die anderen plötzlich doch um so vieles besser? Welche Kräfte gingen uns schneller aus - die mentalen oder die physischen?
Und doch reichten sie dieses Mal für eine tolle Teamleistung. Sogar die Nicht-Nominierten standen uns am Spielfeldrand bei. Diese und die fantastische Unterstützung auf den Tribünen hatten wir auch bitter nötig, begrüßte uns doch am frühen Morgen bereits ein vom Gast weitläufig aufgestellter Hütchen-Warmup-Parcours auf dem Platz - direkt mal ein paar Meter über die Mittellinie hinaus gebaut. Dabei ist es doch einschüchternd genug, wenn man gegen den Tabellenführer einer höheren Staffel antreten muss, der zudem durchgehend ein Jahr älter ist.
Wir haben einen sehr jungen Kader, bei einigen Spielern hat das Längenwachstum noch nicht eingesetzt. So ist es kein Wunder, wenn sie hier und da an älteren Spieler nicht einfach so vorbei rauschen. Einige andere wiederum lassen keinen Altersunterschied erkennen, im Gegenteil, sie sind sehr athletisch und spielen seit Jahren auf höchstem Niveau. Mental und physisch halten sie locker mit und bestehen sogar gegen B-Jugendliche. Was uns insgesamt fehlt in der gemeinsamen Entwicklung sind insbesondere solche regelmäßigen Herausforderungen gegen solch starke Gegner wie Tasmania im Pokal. Es ist nicht leicht, in einer mittlerweile auf 11 Teams zusammen geschrumpften, dünn motivierten Bezirksligastaffel überhaupt jedes Wochenende ein Spiel und einen Gegner zu bekommen.
Wenn man nur jedes vierte oder fünfte Spiel wirklich gefordert ist und an seine Grenzen gelangt, ist es sehr schwer, die eigentlichen Schwächen im eigenen Spiel auszumachen. Wie reagiert ein Team auf Maximalbelastungen, an welchen Stellschrauben müssen Spieler und Team feinjustiert werden, in welchen Bereichen können wir uns mental-taktisch verbessern? Insofern ist der Erfolg im Pokal gleich mehrfach wertvoll. Erstens sind wir weiterhin im Rennen, das sich Runde für Runde verschärft. Wir bekommen automatisch einen neuen hochformatigen Gegner und eine weitere Spielzeit zum Ligabetrieb zugelost. Zweitens können wir insbesondere aus der zweiten Hälfte gegen Tasmania vieles lernen, um uns dezidiert zu verbessern. Und überhaupt schlägt man nicht alle Tage einen Tabellenführer einer höheren Liga und darf sich deshalb zurecht von Bengalos benebelt riesig freuen und einfach mal kurz inne halten.
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Bereits die erste Halbzeit forderte uns alles an Können ab. Aber wir waren gut eingestellt und solide vorbereitet: Kluges frühes Ablenken der gegnerischen Spieleröffnungen nach außen, beherztes kollektives Zugreifen noch vor der Mittellinie, schnelles Umschaltspiel nach Ballgewinn und hohes Tempo in Richtung des gegnerischen Tores. Beinahe jeder unserer derart präzise vorgeführten taktischen Winkelzüge führte zumindest zur Ecke, wenn nicht sogar zur gefährlichen Einschussmöglichkeit oder sogar zum Tor. So führten wir nach 25 Minuten nicht unverdient mit unglaublichen drei zu null Toren, hatten das Spiel sehr gut im Griff und lagen in allen Statistiken weit vorn. Tasmania wurde immer dann gefährlich, wenn sie ihre langen Bälle auf die schnellen, robusten Spitzen durchbringen konnten. Spielerisch kombinierten sie sich eher durchgehend ins Seitenaus.
Einer dieser steil vorgetragenen langen und präzisen Bälle von Tasmania führte dann in der 30. Minute zum Anschlusstreffer, wenngleich dem Unterlaufen des Balls durch unseren Verteidiger ein geschicktes Stoßen des Stürmers von hinten vorausging. Die Aktion hätte man auch als Foul werten können, ein geschickter Schubser. Wir gaben auf diesen Treffer eine noch bessere Antwort - moralisch wie fußballerisch: Erneut eroberten wir kompromisslos den Ball im Mittelfeld und konterten im höchsten Tempo über den linken Flügel, gaben den Ball schnell und scharf herein, wo er aus kurzer Distanz aus vollem Lauf vom mitgelaufenen Mittelstürmer volley eingelocht wurde. Ein Angriff und Abschluss, als hätten wir einmal kurz auf Maximalgeschwindigkeit gestellt.
Mit drei Toren Vorsprung zur Pause fühlten wir uns sicher, vielleicht zu sicher. Sofort machte Tasmania enormen Druck, verlegte sich nicht mehr auf spielerische Flachpass-Eröffnungen, sondern warf alles direkt nach vorn. Ein langer scharfer Ball nach dem anderen flog über das Mittelfeld hinweg zu den schnellen und robusten Spitzen, die die Bälle gut behaupten und verarbeiteten konnten. Der Druck wurde enorm, wir fanden zu keinen Entlastungsangriffen mehr, eroberten nur noch ganz wenige Bälle, schlimmer noch, wir verloren beinahe jeden ersten und zweiten Ball im Mittelfeld. So läuft man nur noch hinterher und verliert seinen eigenen Rhythmus. Der frühe zweite Treffer von Tasmania kurz nach der Pause verlieh ihrem Anstürmen zusätzliche Kräfte und gab ihrer kompromisslosen Vorwärts-Taktik recht. Sie fighteten um jeden Meter Raumgewinn. Selbst hinter unserem Tor platzierten sie zwei Mitstreiter, die nicht müde wurden, unseren Torhüter verbal zu verunsichern und zu provozieren. Nicht gerade sportlich!
Als in der 47. Minuten ihr dritter Treffer fiel, mussten wir reagieren. Die Innenverteidigung stand nicht gut, wurde zu oft überlaufen, wirkte unsicher und überfordert. Das Spiel stand hart auf der Kippe. Mit jedem Abschluss, mit jedem Vorstoß tankte Tasmania neue Motivation, während wir mehr und mehr abzubauen schienen. Das Mittelfeld wehrte sich nicht, bäumte sich nicht auf, wurde eher unsichtbar. Einige Spieler arbeiteten nicht mehr intensiv genug gegen Ball und Gegner, wirkten erschöpft, andere brachten ihn nicht schnell genug unter Kontrolle. Als wäre Luft aus einem Batura entwichen, fiel unser Spiel in sich zusammen. Unsere Spitzen verödeten und kamen nicht mehr durch, setzten keine Nadelstiche, holten nur zwei im Anschluss schlecht geschlagene Eckbälle heraus. Kurzerhand wechselten wir hinten zurück auf die Startformation, verstärkten die Defensive. Von nun an wurde es eine Abwehrschlacht auf Messers Schneide, bei der wir uns nicht zu fein waren, es selber mit langen Bällen nach vorn zu versuchen.
Wenn wir einmal durchkamen, blitzte unsere Gefährlichkeit auf. Aber dieses Mal reichte es nicht mehr für einen Treffer, zu harmlos, zu schwach, zu langsam waren wir geworden. Nur einmal kamen wir noch zwingend durch. Aber diese sehr gute, allerbeste Torschusssituation drei Minuten vor Abpfiff ließen wir ungenutzt, sie hätte uns freilich vorzeitig erlöst. Aber auch Tasmania wirkte nun nicht mehr frisch genug, um sich durchzusetzen. Unsere Außenverteidiger hatten sie müde getriezt, die Innenverteidigung alles beiseite geräumt, was da durch die Mitte wollte. So brachten wir das Spiel mit einem Tor Vorsprung zwar knapp, aber doch einigermaßen solide, wenn auch glücklich über die Runden.
In der ersten Halbzeit hatten wir das Spiel vor allem vorne und im Mittelfeld gewonnen, in der zweiten Halbzeit fünfzehn lange und brenzlige Minuten ganz weit hinten. Was dabei einer just nach einer schweren Handverletzung genesene und in den Kader zurückgekehrte Spieler an gefährlichen Situationen beinahe im Minutentakt entschärfte, war mindestens so viel wert wie die entschlossen vorgetragenen Spielzüge des gesamten Teams in der ersten Hälfte, die uns den soliden Vorsprung überhaupt erst verschafft hatten. Spieler des Tages waren aber alle, vom ersten bis zum letzten Spieler, ausnahmslos!
Solche Spiele sind letztlich Sprungbretter für jeden. Die einen landen auf den Zetteln der Scouts. Die anderen lernen, an welchen Skills sie noch arbeiten können.
So oder so, jeder kommt eine Runde weiter!
[2. Runde Pokal / Sa. 13. November 2021]