AMA U15 - SV Buchholz U15
3 : 0
Ein alter Gegner ist neu hinzugekommen, besser gesagt zurückgekehrt: Corona. Das nächste Liga-Planspiel beginnt. Was wird, wenn die Saison nicht zu Ende gespielt werden kann? Gibt es dann trotzdem Auf- und Absteiger? Oder avanciert die Bezirksliga für uns zum Ewig-grüßt-das-Murmeltier-Event?
Vor diesem Hintergrund ist es doppelt wichtig, gegen direkte Konkurrenten zu punkten. Denn welches Argument dürfte im Falle eines Falles besser greifen als der Aufweis, jeden Gegner seiner Staffel bislang klar und deutlich besiegt zu haben - zudem mit einem größtenteils jüngeren Jahrgang? Gehen wir mal vom Besten aus. Die Hinrunde ist in drei Wochen abgeschlossen. Bis dahin müssen wir Corona weiterhin von unserem Strafraum fernhalten. Schaffen wir das, dürfte einer regulären Wertung der Saison selbst bei nur einer gespielter Hinserie nichts im Wege stehen. Bei unserem derzeitigen Punktestand ginge es dann direkt ab in die Landesliga. Die Saison regulär zu Ende zu spielen, fände ich freilich viel besser.
Das Buchholzer Team, ein direkter Konkurrent um den Aufstieg, hatte meine Sympathie von Anfang an. Ein sehr geschlossener, ruhiger, aufmerksamer und gut austarierter Verbund an Spielern, der dort auf den Zülle zum Aufwärmen auflief. Sehr freundlich und ohne Allüren auch die Trainer. Alle Beteiligten wunderbar relaxed, geerdet und an gutem Jugendfußball interessiert. Das kommt leider viel zu selten vor. Immerhin stand ein Spitzenspiel auf dem Papier, da gehen anderen Teams schnell mal die Sicherungen durch und die niederen Instinkte schalten um auf Unsportlichkeit. Schon im Kleinfeld überbieten sich manche überehrgeizige Trainer mit verbalen und emotional-taktischen Übersteigern, die eher ins Privatfernsehen als ins öffentliche Leben oder auf den Sportplatz gehören.
Meine besondere Aufmerksamkeit zog dann aber recht schnell der nicht mehr ganz jugendliche Schiedsrichter auf sich, dem, wie ich fand, eine gewisse Grundnervosität anhing, die er wiederum mit ostentativ aufgesetzter Souveränität zu überspielen versuchte. Ich möchte behaupten, er bezog sehr geschickt den Mittelpunkt dieses Spieltages. Er pfiff im Grunde sogar ganz gut, brachte nur hier und da ein Element ins Spiel, dass die ruhige und vollkommen gelassene Grundanlage beider Teams konterkarierte. Ich sah nicht ein einziges übles Foul, dennoch wurden zwei gelbe Karten vergeben, eine davon, wie sich erst später herausfinden ließ, für ein vermeintliches Zupfen am Trikot, das der Getadelte wiederum eher an sich selbst verspürt hatte. Eine weitere für das dreiste Wegspitzeln des Spielballs Richtung Keeper nach einem Abseitspfiff. Kann man natürlich alles ahnden.
Zum Einlaufen verlangte er von den Spielern, ihr Trikot in die Hose zu stopfen, auch wenn sie es eine Minute später zum Spiel wieder herausziehen durften. Das fand ich dann schon etwas schräg. Für wen oder was soll eine solche Regel gut sein? Und wo steht sie überhaupt? Ich fragte den Kollegen aus Buchholz, ob er wüsste, wo eine derartige Anweisung stünde? Auch er zog die Augenbrauen fragend nach oben und die Mundwinkel ironisch nach unten. Solche Maßnahmen habe er schon verschiedentlich erlebt, aber wo die Regel dazu stünde, könne er mir auch nicht sagen. Es würde aber bei diesem Stil zweifelsfrei eine sehr interessante Begegnung werden!
Zuvor schon durfte unser Kapitän nicht ohne Kapitänsbinde auf den Platz. Ich erklärte dem Schiedsrichter, wir hätten leider keine Kapitänsbinde, seien da aber auch nicht so eitel. Er aber benötige einen Ansprechpartner, erwiderte der Schiedsrichter. Ich könnte ihm unseren Kapitän gern vorstellen, schlug ich vor, er trüge die Nummer 16. Da stand ich wahrscheinlich nichtsahnend kurz vor einem Platzverweis. Seltsam, dachte ich später, warum braucht ein Schiedsrichter einen Ansprechpartner? Ist er denn nicht in der Lage, mit allen und zu allen Spielern gleich zu sprechen?
Natürlich geht es um praktische Gesprächshierarchien während des Wettkampfes, es soll ja nicht unentwegt debattiert werden zwischen allen und mit jedem der ohnehin vor Adrenalin gern überdrehenden Aktiven auf dem Platz. Also her mit einem universellen Team-Ansprechpartner, und alle anderen bitte einfach mal die Klappe halten. Ein bisschen Preußen steckt ja doch noch in vielem.
In meiner eigenen Jugend fing ich gern einmal kurze Diskussionen mit den Schiedsrichtern an, wenn mir ihre Entscheidungen nicht ganz aufgehen wollten. Die meisten Spielleitenden reagierten großzügig mit direkten Zeitstrafen, wenn auch nicht mit der Befriedigung meiner Neugierde. Selbst einfachste Verständnisfragen fielen bei ihnen per se unter das Label Beleidigung. Im Nachhinein bin ich froh, derartig plumpe Arten des infantilen Kommunikationsabschneidens mangels argumentativer Übersicht erlebt haben zu dürfen. Wie lernt man sonst bestimmte mentale und charakterliche Nuancierungen des Erwachsenen besser kennen und nach Möglichkeit auf Abstand zu halten? Zwar führten die Zeitstrafen manchmal zu völlig verqueren sportlichen Ergebnissen, weckten aber im Endeffekt erst recht meine Instinkte für übergeordnete Themen und Interpretationsfragen, die allerdings eher gesellschaftlicher, artifizieller und individualpsychologischer Natur waren, weniger sportlich ausgrichtet.
So sehe ich mittlerweile in jeder schrägen Spielleitung eines Schiedsrichters eher so eine Art künstlerische Performance, weniger ein abgeglittenes persönliches Element wie auch immer angewandter Regelkunst. Zudem ist es ja nur ein Spiel! Ich schaue gebannt zu und amüsiere mich, so weit es geht, so wie man manchmal eben Maulaffen feilbietend fasziniert ist von bestimmten außergewöhnlichen Momenten oder menschlichen Begebenheiten. Das Spiel des Schiedsrichters kann darüber sogar zum viel besseren und aufregenderen Spektakel avancieren als das immer gleiche notorische Auf und Ab der Teams mit oder ohne Ball. Es fügt dem letztlich doch sehr gewohnten Spielablauf mit seinen festen taktischen Winkelzügen eine herrlich unberechenbare Größe hinzu, dessen direkte Folge erstaunliche Ergebnisse und ungeahnte kühne Metaphern längst untergegangenen antiken Götterwesens beschert. So enden Spiele in abseitigen Komödien und bitteren Tragödien. Es ist dabei eine ganz andere ästhetische Kraft am Werke als beispielsweise bei einem überraschenden Heimsieg des FC Augsburg über die allmächtigen Bayern.
Allerdings jemanden heutzutage dazu zu nötigen, sein Trikot zum Auflaufen in die Hose zu stecken, tendiert dann doch eher zur überkommenen plumpen Kleiderordnungs-Diktatur vergangener Tage, weniger zum geschmeidigen Bild einer durchaus elegant vorzutragenden und immer wieder überraschenden Team-Sportart, zumal wenn sich der Schiedsrichter selber in bester Styling-Manier eines nicht gerade unscheinbaren Haarbandes bedient, um seine wilden, glänzenden Stirnsträhnen im Zaume zu halten. Wie auch immer, ich bin sehr froh, dass der Schiedsrichter von Wacker Lankwitz (sic!) den Weg zu unserer Begegnung gefunden hat und durch seine persönliche Art & Aura den Spieltag zu einer besonders erinnerungswürdigen Note verhalf, zu einem beinahe neobarockem Kontrapunkt der immer mehr um sich greifenden allgemeinen Professionalisierung des Amateursports. Man kann es freilich auch so sehen: Vom Haarband zum Headset sind es nur noch wenige BFV-innovative Schritte.
Thank you, Mr. young Man in Black!
Über das Spiel selbst gäbe es natürlich einiges zu sagen, aber da würde ich mich vor lauter notorischer Einlassung doch nur wiederholen: Deutliches Übergewicht in allen Belangen, leider erneut zu viele Torschüsse ohne zählbaren Erfolg. Dafür einige artistische Strafraum-Einlagen unseres neuen Neuners, die es zweifelsohne wert sind, einmal gesondert unter die Lupe genommen zu werden. Stichwort: Ballartisten unterm Sternenzelt.
Aber dazu bin ich jetzt leider zu erschöpft. Mea culpa!
[10. Spieltag / Sa. 20. November 2021]