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AMA / F2
SAISON 2015 / 2016

KEIN SPAZIERGANG AUF ALT-STRALAU

BSV VICTORIA FRIEDRICHSHAIN II - AMA II

2 : 3


„Es hängt alles irgendwo zusammen. Sie können sich am Hintern ein Haar ausreißen, dann tränt das Auge."

Dettmar Cramer


Ist schon jemand im EM-Fieber? Frankreich gewann glücklich mit zwei zu eins Toren gegen Rumänien. England verschenkte einen Sieg. Man sah einen beeindruckenden französischen Siegtreffer, aber so richtig aufregend war noch keine Partie. Die Spiele glichen der Eröffnungsfeier: Eine Horde schlecht synchronisierter Cancan-Tänzerinnen in bunten, blickdichten Robin Hood-Strumpfhosen auf einem unübersichtlichen Barock-Spielbrett.

Selten war ich von einem Turnier so gelangweilt. Ich denke, es liegt am Umstand, dass alles, was den Fußball betrifft, noch einmal eine Nummer größer geworden ist. Panini begnügt sich nicht mehr mit dem klassischen Kader, sondern stellt auch noch eine Quali-Elf auf! Dafür ist die Hälfte der versammelten und aufgeführten Spieler gar nicht bei der EM dabei.

Je unkritischer das Publikum, desto dümmer das Theater! Der Fußball macht da wahrlich keinen Unterschied.

Erstmals nehmen auch 24 Länder am Turnier teil. Das ist einerseits erfreulich und stärkt den europäischen Gedanken. Auf der anderen Seite ist sich Europa fremder denn je und hinkt der Zeit hinterher. Es wäre schlauer gewesen, ein paar nordafrikanische Länder am Turnier teilnehmen zu lassen. So haben wir zwar ein Achtelfinale mehr, aber immer noch keine Lösung für die größte Krise aller europäischen Ideen.

Zu guter Letzt die Medien: Dieses Aufgebot an Fußball-B-Prominenz im ZDF-Studio hat etwas von Arbeitsbeschaffungsmaßnahme durch den Jobcenter, mit dem Unterschied, dass ein Hartzer niemals einfach nach Paris fahren darf, ohne vorher Urlaub anmelden zu müssen – wodurch seine Leistungen gestrichen werden. Urlaubsgeld gibt es nicht!

Hat jemand Olli Kahns Jackett gesehen? Ist das jetzt Selbstbewusstsein oder ZDF-Dresscode? Wahrscheinlich beides, anders ist dieser Ausflug in die Niederungen der Münchener P1-Folklore nicht zu erklären. Dann doch lieber gleich im Torwart-Trikot! Er hat sicher noch ein paar gute im Schrank: Buffon, Barthez, Burdenski. Alle besser als diese Joppe mit aufgesetztem Samtkragen.

Mal sehen wie es weiter geht?

Manchmal ist es auch in Ordnung, wenn der Fußball zur schönsten Nebensache zurück geschraubt wird. Ich kann ein Lied davon singen, die letzten vierzehn Tage waren alles andere als ein freudiges Fest des Sommers. Nicht, dass ich mich in Arbeit gestürzt hätte und ein paar überfällige Essays zu Ende schrieb, nein, ich schlug mich mit weit aus heikleren Dingen herum. Es war ein bisschen so, wie mit Olli Kahn die Jacke tauschen und vor versammelter ZDF-Expertenrunde Rilkes Panther zitieren zu müssen. Ich war kurz davor, mich in Luft aufzulösen! Einer aus meinem Umfeld behauptete dies sogar.

Zum Glück ließ sich Kahn dann doch auf einen einvernehmlichen Panini-Tausch ein und übernahm den Job der Rezitation selbst. Meinen 54er Toni Turek gegen seinen 06er Lehmann. Rilkes Panther dann aus dem Stehgreif aufs Parkett gebracht, ja, das Kahn richtig gut – Torlinienreflex und so! Wie auch immer, ich bin nur froh, dass die Saison nun bald zu Ende geht und ich in Ruhe meine Essays finalisieren kann.

Ein Wort noch zum letzten Spiel: Auf der schönen Alt-Stralauer Halbinsel gewannen wir gegen BSV Victoria 90 Friedrichshain mit 3 : 2 Toren. Die Halbinsel ist ein Ort voller idyllischer Vergangenheit, aber seltsam anmutender Gegenwart. Ich sag mal so: Vom Wasser aus sieht Alt-Stralau schöner aus!

Wir haben gewonnen, aber ein bisschen wie die Franzosen gespielt. Uns reichte eine starke Viertelstunde, in der wir guten Fußball zeigten und drei Treffer erzielten. Der Rest war Ausschussware: Klamotten, die wir eigentlich nicht mehr tragen wollen, Schuhe, die ausgelatscht sind.

Großes Kompliment an den Gegner, der keine herausragenden Einzelspieler besitzt, aber kollektiv gut eingestellt war, der viel kombinierte und vor allem schnelle und laufstarke Spieler in seinen Reihen hatte, die unser Spiel ständig unterminierten. Wir hatten unsere liebe Mühe, im Mittelfeld die Kontrolle zu behalten und ein flüssiges Aufbauspiel aufzuziehen. Der Indikator ist immer noch der gleiche: Wenn zwei unserer besten Einzelspieler beginnen, alles alleine lösen zu wollen, weiß ich, dass der Gegner gut steht und wir noch eine Einheit mehr in flüssiges Kombinationsspiel investieren müssen. Wir müssen einfach lernen, unseren gemeinsamen Fähigkeiten zu vertrauen.

Zu begreifen, dass es besser ist, den Ball und den Gegner laufen zu lassen, um eigene Kräfte zu schonen, ist für einen F-Junioren allerdings noch extrem schwer. Als F-Junior ist man wie ein junger Hund: Man will ständig von der Leine, um sämtlichen Bällen in der Hasenheide hinterher zu jagen. Beißt man dann rein in solch einen Ball, macht es zur eigenen großen Überraschung Peng!

Freilich kann man beim Fußball den Ball nur dann laufen lassen, wenn man selber in Bewegung ist, sich also selbstständig frei läuft oder dem Ball führenden Spieler sogar einmal entgegen geht, um kurz abzuklatschen und sich sofort wieder zu lösen. Erst wenn ich sehe, dass wir auch einmal hinten herum spielen und auf die andere Seite verlagern oder den Torwart in unser Passspiel mit einbeziehen, weiß ich, dass wir das Apportieren gelernt haben!

Aber um es einmal positiv auszudrücken: In der F-Jugend ist Wimmelfußball noch völlig normal, und Dribblings von jedem Einzelnen sind auch erwünscht, denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer!

Wir sind also insgesamt auf einem sehr guten Weg, wir könnten sogar überlegen, ob es Sinn macht, unser Team in der nächsten Saison für die Leistungsklasse anzumelden.

Das hieße dann aber auch zweimal in der Woche Hochleistungstraining! Und wir bekämen mal wieder anständig aufs Dach – eine Erfahrung, die zuletzt ausgeblieben ist, aber zweifelsfrei zum Leben und zum Fußball dazu gehört wie Olli Kahns Jackett zum ZDF. Mit dem zweiten sah er übrigens schon etwas besser aus.

[8. SPIELTAG RR / SAMSTAG, 11. JUNI 2016]


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2:3 (1:3)
(1 x Kolja, 1 x Luca, 1 x Julius F.)
Es spielten: Julius T., Julius F., Levin, Kolja, Fynn, Luca, Timo, Yaron, Oskar

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