AMA D2 - Fc Viktoria 89 D2
15 : 5
Gegen Viktoria 89 zu spielen, ist mittlerweile wie ein regelmäßig stattfindendes Cousin- und Cousinentreffen. Wir kennen uns schon so lange, es gab so dermaßen viele Begegnungen, dass ich manchmal geneigt bin, beide Teams für ein Team zu halten. Mal gewinnen sie, mal gewinnen wir.
In der älteren F-Jugend war Viktoria für uns noch das Nonplusultra in der Staffel: Unmöglich, sie zu bezwingen, ein ungemein gut agierendes, spielerisch starkes Ensemble mit exzellenten Einzelspielern. Die gingen dann jedoch rasch zum bedeutsamen Nachbarn mit den dunkelblauen Trikots und ließen ein Team zurück, das mit einem Mal zu besiegen war.
Meist treffen wir uns auf Augenhöhe, auch wenn ich das Gefühl habe, bei uns eine andere Entwicklungskontinuität ausmachen zu können. Unser Zusammenhalt scheint ein wenig ausgeprägter zu sein. Auch zu uns sind neue Spieler hinzugekommen, aber wesentlicher ist, dass wir noch keines unserer großen Talente verloren haben. Wir müssen nicht hektisch ersetzen, sondern können in Ruhe aufbauen und jeden Einzelnen fein schleifen. Gemessen daran, welche Fluktuationen in anderen Teams und Vereinen zu beobachten sind, herrschen bei uns geradezu gleichmäßige und ideale Wachstumsbedingungen.
Natürlich fragen wir uns, wie lange wir mit den großen Vereinen sportlich noch mithalten können. Einige Vereine und Teams gehen ab der D-Jugend zu einem viermaligen Training in der Woche über. Ich bin mir nicht sicher, ob dies ein gesunder Weg ist, aber die Großen werden schon wissen, was sie tun. Gerüchte kommen auf, einige Verrückte würden gar Muskelaufbau-Pillen verabreichen. Ein ganz heißes Eisen, von dem ich mir nicht vorstellen möchte, es könnte sich dabei tatsächlich um mehr als nur ein Gerücht handeln. Gebaggert wird zweifelsfrei an allen Ecken und Enden, soviel steht fest, da ist der Markt der zukünftigen Wertanlagen längst eröffnet.
Wir sind quasi mitten in der Pubertät des geschäftlichen Leistungsfußballs angekommen. Eifersucht, Konkurrenz, Kalkül, gekränkte Eitelkeit, Selbstüberschätzung, absichtliche Ausgrenzung und liebestolle Raserei wechseln munter zwischen Vereinen, Trainern und Teams. Die Hormone der Mannschaftsbildung spielen verrückt. Kader verwandeln sich von flinken, dünnen Beinchen-Ensemblen in ochsenhafte Fleisch- und Muskelpaketgruppen. Dabei hat die biologische Pubertät bei den allermeisten Elf- bis Zwölfjährigen noch gar nicht recht eingesetzt. Es ist, als könnten es alle nicht mehr abwarten, endlich zu den ganz Großen aufzuschließen.
Mir gefällt das nicht besonders, aber ich gebe mich dem auch nicht geschlagen. Noch ist es ist nur die Spitze eines Eisberges, der bedrohlich auf uns zusteuert. Es könnte allerdings sein, dass dieser unbeirrbar schwere Koloss schneller schmilzt als er uns rammt. Heutzutage muss man ja mit allem rechnen, sogar mit dem Absurdesten. Der 1. FC Union in der 1. Bundesliga? Das ist auch schon irgendwie eine kleine Revolution von unten, wenngleich man die Kräfte des Marktes niemals unterschätzen sollte. Die Unterwanderung ist ja allgegenwärtig. Jede erfolgreiche Avantgarde wird irgendwann Teil einer Massenbewegung.
Wer oben mitspielen will, kann sich aus Imagegründen zwar die Augenklappe der Freibeuterei aufsetzen, die wahren Herrscher der Meere jedoch tragen schon lange Nadelstreifenanzüge und Modeketten aus Phosphor. Der sieht wie honigfarbener Bernstein aus, ist aber hochexplosiv.
Sagen wir es ganz offen: Das größenwahnsinnige Geld hat den Fußball fest im Griff so wie der Klimawandel die Erde und damit unsere Zukunft. Keine Ahnung, wie lange das alles noch gutgehen wird, aber bis dahin habe ich hoffentlich eine Nische entdeckt, in der sich noch einigermaßen unbeschadet trainieren, spielen und atmen lässt. Die Hauptsache ist, sich etwas Transzendenz und Klarheit für das Spiel zu bewahren, mit anderen Worten: Einen kühlen Kopf zu behalten, um jedem enormen Druck des Gegners durch präzises, schnelles Kombinationsspiel und steile Pässe in die Tiefe zu entkommen. Nicht leicht, aber auch nicht unmöglich, und wenn es klappt, sogar ein regelrechtes Kabinettstückchen.
Wie heißt es so schön: "In Gefahr und großer Not, bringt der Mittelweg den Tod!" Das bedeutet ja nicht, dass man Extreme per se gutheißen muss. Aber in der entscheidenden Phase einer Drucksituation kann es durchaus auch mal hilfreich sein, eine kleine Blendgranate zu zünden, um den Gegner zu verwirren und sich dann geschwind durch dessen Reihen zu stehlen. Warum sollten wir nicht in der Lage sein, etwas Außerordentliches zu erreichen, wenn wir es nur alle gemeinsam wollen? Wo, wenn nicht im Mannschaftssport, lernt man etwas über die Kraft des Zusammenhalts und die positiven Effekte gelebter Solidarität?
Gegen die Viktoria sah unser Spiel in den ersten zwanzig Minuten und über weite Strecken der langen zweiten Halbzeit schon sehr gut aus. Lediglich im Mittelteil des Spiels kamen wir ein wenig ins Schleudern und liefen etwas chaotisch und desorientiert über das Feld. Aber kaum setzten wir erneut erfolgreich einen Konter und wandelten ihn in einen Treffer um, eroberten wir uns beharrlich die Hoheit über das Spiel zurück. Mit der waren wir auch ins Match gegangen und hatten uns schnell eine Hand voll Tore erspielt.
Vielleicht kam uns der vor dem Spiel ausgiebig gewässerte Platz entgegen beziehungsweise die kaum aufhören wollenden langen 12 Minuten, die es für diese Rundum-Sprengung benötigte. Jedenfalls schien sie den Gegner etwas zermürbt zu haben, oder war er ganz einfach nur zu ungeduldig und verlor darüber seine Konzentration?
In jedem Fall wird es in drei Wochen in der Liga zu einem ganz anderen Spiel gegen diese unsere Viktoria kommen, da bin ich mir ziemlich sicher. Beim letzten Mal verloren wir dort relativ deutlich. Aber genau so gefällt mir der Fußball: Immer für eine Überraschung gut, nie vollständig ausrechenbar!