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AMA / D2
SAISON 2019 / 2020

Einer sah rot

BSV Kickers D1 - AMA D2

2 : 13

Einer jedenfalls erhob das Spiel, das als einfaches Freundschaftsspiel zur Saisonvorbereitung gedacht war, zu einem absolut erstrangigen Aufeinandertreffen zweier exquisiter Berliner Fußballmannschaften: Der Schiedsrichter.

Nach einer ausgiebigen Belehrung liefen beide Teams im Gänse-Watschel-Lauf auf das Spielfeld und nahmen in einer Linie Aufstellung. Sie winkten ihren Trainern an der Seitenlinie kurz zu. Die Eltern saßen derweil im rechten Winkel auf den Tribünen und staunten. Ist das hier der Supercup?

Seitenwahl, Anpfiff. Eine halbe Stunde zuvor hatte ich eine handschriftlich verfasste Spielerliste an den Unparteiischen abgegeben müssen. Ich hatte schlichtweg nicht daran gedacht, ein Spiel dieser Kategorie beim DFB-online freigeben zu müssen. Nun ja, für mich war es ein kleines, erstes Testspiel, ein lockeres Ankicken, eine Standortvergewisserung - wir hatten sogar zwei Spieler an Bord, die noch nicht einmal regulär im Verein angemeldet sind, auch wenn sie unsererseits offiziell zur Mannschaft gehören. Aber das kann der Berliner Fußball Verband, der dem DFB untertan ist, natürlich nicht wissen. Und alles soll und muss auch seine Richtigkeit haben. Deshalb ist ja derzeit selbst der DFB etwas führungslos und driftet leidlich orientiert durch die Zeit. Kleines Chaos im Großen also im Grunde, nicht wahr!

Ich gebe zu, schon oft hätte ich mir in der Vergangenheit einen solch akkuraten und in aller geflissentlichen Sachordnung agierenden Schiedsrichter gewünscht. Stattdessen hieß es auf Anfrage beim Verband: "Sorry, ihr spielt zwar in der höchsten Spielklasse, aber wir haben leider keine Kapazitäten!" In diesem Spiel hätte es nun auch jemand in Badelatschen sein können, der vom Mittelkreis aus für selige Ruhe zwischen den Toren gesorgt hätte. Nichts gegen den Unparteiischen, er machte seine Sache sehr gründlich und ordentlich. Dass es in solch einem unbedeutendem Test zur Saison-Vorbereitung dann allerdings zu einem hammerharten Platzverweis kommt, finde ich etwas übertrieben.

Was war passiert? Einer unser Spieler wurde in der 49. Spielminute beim Stand von 8:1 gefoult. Er fand das nicht schön und trat im Fallen kurz nach dem Gegenspieler, der ihn gefoult hatte, so eine Art direkt vergeltender Hakler im Fallen. Das wiederum fand der Gegenspieler genauso wenig erbaulich und trat deshalb seinerseits direkt vergeltend zurück. Rache ist Blutwurst! Schwierige Situation, schließlich ging es in diesem Spiel um nichts, unsere Führung war deutlich, die Spielanteile längst verteilt, zudem war es bis dahin absolut fair zugegangen. Doch da leuchtete schon der rote Karton in der schwülen Sommerluft auf und der gegnerische Spieler musste, ziemlich entgeistert, das Feld verlassen.

Nach den Regularien war der Platzverweis gerechtfertigt, denn es war ein Nachtreten. Aber hätte dann nicht auch unser Spieler Rot sehen müssen, letztlich hatte er sich im Fallen auch nicht gerade astrein benommen? Ein wirklich verzwickter Moment, denn die beiden Streithähne hätte man sicher auch anders an Fairness und gegenseitigen Respekt erinnern können. In einem anderen Kontext, auf dem Schulhof, im Straßenverkehr, hätte die Szene nicht einmal für ein Dutzend Schaulustige gesorgt. Aber gut, das darf nun kein Argument sein! Deshalb üben wir ja den Respekt im Sport, um auch für den Alltag gerüstet zu sein.

Ich nahm unseren Spieler direkt nach der Szene vom Feld und versuchte ihm zu erklären, das man in einem Spiel immer gefoult werden kann, dafür dann aber auch einen Freistoß zugesprochen bekommt. Mehr ist nicht und muss auch nicht sein, es sei denn, der Schiedsrichter sieht es anders!

Nach dem Spiel ging ich zum Unparteiischen und fragte nach. Ich versuchte so eine Art Schadensbegrenzung. Ob es nicht möglich wäre, die beiden Spieler anders zu ermahnen, letztlich waren sie gerade mal elf oder zwölf Jahre alt? Und vor allem: Ob die rote Karte für den einen nicht etwas übertrieben gewesen sei und wirklich hätte gegeben werden müssen? Ob eine gelbe nicht ausgereicht hätte? Oder eine Zeitstrafe für beide? Aber damit outete ich mich nur als miserabler Regelkundler. Der Trainerkollege des gegnerischen Teams war indessen sichtlich angefressen, wohl nicht nur wegen des Platzverweises, auch wegen der hohen Niederlage. Er fand keine Worte mehr, die anfängliche Offenheit und Sympathie, mit der er mich begrüßt hatte, war verflogen.

Kurz nach der Feldverweis-Szene hatte ich noch zu ihm gemeint, dass wir Trainer immer mitverantwortlich sind, wenn die Jungs auf dem Platz ausrasten. Kurz vor dem Platzverweis hatte sich die Spannung in einem Zweikampf in gefährlicher Nähe des auf der Seitenlinie stehenden Großfeldtores bereits angedeutet. Schon da hatte ich versucht, auf alle beschwichtigend einzuwirken und daran zu erinnern, dass es hier um nichts ginge und man vor allem unverletzt aus dem Spiel hervorgehen möge. Der Trainerkollege wirkte nicht beruhigend ein, sondern ließ laufen. Eine halbe Minute später holte einer seiner Spieler den unseren von den Beinen, woraufhin beide kurz überreagierten, wenngleich nur einer dafür Rot sah.

Freilich war da bereits eine Menge Frust im Spiel. Denn lediglich in den letzten fünf Minuten der ersten Halbzeit beim Stand von 1:4 waren die Kickers einmal aufgekommen und hatten druckvoller vor unserem Tor agiert. In der übrigen Zeit waren sie dem Ball eigentlich nur hinterhergelaufen. Sie kamen nicht in die Zweikämpfe und schon gar nicht in ein flüssiges Kombinationsspiel. Das verwunderte mich ein wenig, denn ich hatte sie, ohne sie wirklich zu kennen, stärker eingeschätzt. Immerhin waren sie ein Jahrgang älter und treten in ihrer Altersklasse in der zweithöchsten Berliner Liga an. Aber von einem Leistungsunterschied konnte wenn, dann nur in umgekehrter Richtung gesprochen werden.

In den letzten elf Minuten, die wir dann in Überzahl spielten, erzielten wir fünf Tore. Aber zuvor schon hatten wir neun geschossen und lediglich einen zweifelhaften Elfmeter hinnehmen müssen. Unsere beiden neuen Spieler passten sich gut in unser Spiel ein. Überhaupt wirkte das Team nach der langen Sommerpause sehr frisch und wach, ich sah kaum individuelle Fehler. Freilich stellt sich die Frage, wie wir auf einen spielstärkeren Gegner reagieren werden. Ein anderer Belastungstest dürfte da mehr über den wahren Stand der Dinge aussagen.

Bleibt zu hoffen, dass zumindest der Verband ein paar Badelatschen parat hat und den Platzverweis in salomonischer Weitsicht nicht noch mit einer retardierenden Sperre quittiert. Ich denke, beiden Spielern wird solch ein Überreagieren so schnell kein zweites Mal passieren. Und wenn doch, dann darf sie von mir aus auch die ganze Härte des Gesetzes treffen. Denn Fairness und Respekt stehen nun einmal ganz oben und sind essentiell für das Spiel und überhaupt im Leben. Selbst oder erst recht in einem Freundschaftsspiel.

[Testspiel / 3. August 2019]


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2:13 (1:4)
(4x Albion, 4x John, 3x Fynn, 2x Feris)
Es spielten: Samy, Albion, Blerton, Feris, Luca, Bela, Fynn, Levin, Arda, Ayhem, Timo, John



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