AMA Sommercup 2019
3. Platz
Ich kann es gut verstehen, wenn dem einen oder anderen am Ende einer Saison die Puste ausgeht. Zu den großen Ferien hin wird viel gefeiert und reichlich verabschiedet. Dabei fällt die sportliche Spannung allseitig ab. Schulstunden fallen aus, Trainingseinheiten werden nicht mehr ganz so ernst genommen, der Körper wird empfänglich für kleine Infekte. Da ist es nicht allzu ungewöhnlich, wenn selbst zum eigenen AMA-Cup nur eine knappe personale Besetzung an den Start geht.
Ein würdiger Saisonabschluss mag zwar anders aussehen, aber bei der Fülle der Ereignisse in den letzten Wochen kann jeder froh sein, wenn er endlich den Beckenrand der Ferien erreicht und sich auf der grünen Wiese der Entspannung ausstrecken darf. Ein bisschen Ruhe, ein bisschen dösen und beim Blick in die Wolken von der Zukunft oder der Vergangenheit träumen, mehr muss gar nicht sein. Wenn das Wetter und die Kräfte mitspielen, kann man später noch mal ins Wasser gehen, ein Runde kraulen oder sich ganz einfach gegen die Hitze abkühlen.
Mir geht es genau so, ich habe nicht mal mehr die Kraft, mich anständig darüber zu mokieren, dass wir so faserig und zerfleddert aus der letzten Woche der Saison heraus gegangen sind, schon beinahe sang und klanglos wie ein schlecht gezupftes Wiegenlied auf einer Gitarre, die nur noch drei Saiten hat. Gleichwohl weiß ich zu schätzen, was wir alles erreicht haben in dieser letzten Spielzeit: Herbstmeister, etliche Turniersiege, große Gegner geschlagen, auf weite und nahe Reisen gegangenen, in Seen geschwommen und in bedeutenden Finalspielen unterlegen, aber immer zurückgekommen und sich gefunden als verschworene Einheit und Team.
Denn darauf kommt es an! Wie meinte einer unserer Väter am Ende des letzten Trainings im Hinblick auf das traditionelle familiäre Reiseziel des Sommers: Sein Sohn sei weder dort eindeutig jener, noch sei er hier eindeutig welcher. Das typische Schicksal einer interkulturellen Veranlagung. Aber zumindest sei er zu 100 Prozent ein AMA, fügte ich hinzu, um auf etwas Drittes zu verwiesen, das mir sehr wesentlich erscheint.
Man sollte sich nichts vormachen. So, wie Rick in Casablanca auf die Frage nach seiner Nationalität mit "Alkoholiker" antwortet, bieten Sportvereine oft ein eindeutigeres Angebot zur Identitätsfindung als jene Gesellschaft, in dessen Land man lebt und geboren ist, ob es nun das angestammte Land der Väter oder Mütter ist oder eben nicht ist.
Die Sprache des Fußballs ist global. Ein jeder versteht sich schnell mit dem anderen, wenn er sich zum Fußballspielen trifft. Es mag Dialekte und kulturelle Unterschiede geben, aber wenn der Ball rollt, dann sind vor ihm alle Mitspielenden gleich. Natürlich gibt es qualitative Unterschiede, die sich ausprägen in sportlichen Lebensläufen. Der eine wird Auswahlspieler, der andere Ersatzspieler, der dritte verletzt sich schwer, ein Vierter entdeckt ganz andere interessante Ecken des Lebens, in die der Fußball nicht mehr passt, weil er letztlich doch recht groß und einförmig ist.
Für eine bestimmte Zeit kann der Fußball jedoch ein starkes Band bilden, das alle individuellen, kulturellen oder gesellschaftlichen Unterschiede nichtig werden lässt. Diese Kraft ist es auch, die eine Mannschaft im Innersten zusammenhält und ihren Kern ausmacht. Sobald jedoch verglichen und abgewogen, unterschieden und hervorgehoben, sich herausgelöst wird, lockert sich dieses Band und droht eines Tages sich vollständig zu lösen. Auch das gehört zum ganz normalen Prozess einer Mannschaft hinzu. Denn letztlich ist sie nur eine Idee, der sich alle unterwerfen und die nur solange funktioniert, wie alle an sie glauben und sich von ihr über den Trainingsplatz scheuchen lassen.
Von Zeit zu Zeit muss dieser Glaube daher aufgefrischt und neu gestärkt werden. Und das beste Mittel hierfür ist eine aktive Regeneration und bewusstes Abstandhalten vor den Geboten des Sports im Sinne eines neuen und abwechslungsreichen Erlebens. Ferien sind dazu da, den Alltag und die leidigen Mächte des Realen für eine bestimmte Zeit außer Kraft zu setzen, um sich neuen Abenteuer hinzugeben. Einfach mal die Klappe halten und nichts tun, das erscheint mir da genau das Richtige zu sein.
In diesem Sinne: Bis zur nächsten Saison, in guter alter Frische!
[AMA Sommercup 2019 / 15. Juni 2019]