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AMA / E1
SAISON 2018 / 2019

Das Spiel der Spiele

Cordial Cup 2019

18. Platz

Tränen nach einem verlorenen Spiel sind verständlich, zumal wenn man auf dem letzten Meter knapp gegen den FC Barcelona verliert. Dreizehn Minuten lang verteidigten wir tapfer und mit viel Engagement. Doch dann flog ein Eckball in unseren Strafraum und ein fulminanter Volleyschuss brachte uns aus dem Takt. Aber da war noch die Sache mit der schwer zu beurteilenden Szene im Strafraum - dreißig Sekunden vor Spielende.

Die Video-Bilder zeigen es: Geschickt setzt sich unser Spieler auf dem linken Flügel durch, dribbelt auf das Tor zu und schießt aus spitzem Winkel. Der Torhüter wehrt ab, unser Spieler bekommt den Ball zurück, nimmt ihn im Lauf mit - da kommt ein langes Bein des Abwehrspielers im Torraum hervor geschnellt, unser Spieler springt und kommt aus dem Gleichgewicht, eine Zehntelsekunde später nimmt der Torhüter den Ball mit den Händen auf, die Szene wirkt bereinigt.

Strafstoß oder nicht? Selbst wenn man die Bilder in extremer Zeitlupe betrachtet, kommt man zu keiner eindeutigen Antwort. Gut möglich, dass es einen Kontakt gegeben hat. Es kann aber auch sein, dass unser Spieler den Kontakt zu vermeiden suchte und im Sprung aus dem Gleichgewicht kam. Der Schiedsrichter jedenfalls sah kein Foul und ließ weiterspielen.

Der katalanische Nachwuchs bestimmte das Spiel, wir verteidigten respektabel und spielten durchaus in einigen Szenen mutig mit. Viel Laufarbeit war dazu nötig, denn Barça suchte emsig Lücken in unserer Defensive und verlagerte schnell von einer zur anderen Seite. Dem von Einzelkönnern aufgefädelten Systemspiel bei der Entfaltung zuzusehen, war eine Augenweide. Am Ball und in der Bewegung sind sie tadellos. Sie beeindruckten technisch, kämpferisch und rhythmisch. Sie zeigten elegante Bewegungen in allen Formen. Mit spitzen, präzisen Nadelstichen gelangten sie in die Tiefe, mit hammerharten Distanzschüssen schlossen sie ab.

Nach Ecken stand es am Ende der 15 Spielminuten Unentschieden. Nach Freistößen lagen wir sogar vorne. Nur bei den Torschüssen und im Ballbesitz zeigte sich die Überlegenheiten der Katalanen. Gleichwohl hielten wir gut dagegen und hatten selber zwei gute Einschussmöglichkeiten. Man kann durchaus behaupten, in diesem für beide Mannschaften frühen ersten Spiel des Turniers wäre für uns ein Unentschieden möglich gewesen.

Doch dann flog dieser hoch hinaus geschlagene Eckball in unseren Strafraum. Ein Barçaspieler lief auf den zweiten Pfosten zu, bog geschickt zur Mitte ab, unser Deckungsspieler reagierte zu spät, der Barça-Spieler nahm den Flugball volley und hämmerte ihn aufs Tor.

Unser Keeper war noch mit den Händen am Ball, konnte ihn aber nur noch in den Winkel ablenken, zu perfekt war der Schuss. Bitter, denn mit etwas mehr Konsequenz und Konzentration wäre der Treffer vermeidbar gewesen. So brachten wir uns um den großen Lohn, selbst wenn wir in einer vorangegangenen tumultartigen Szene viel Glück auf unserer Seite hatten und Barça kurz hintereinander nur zweimal die Latte traf.

Für unsere Verhältnisse boten wir eine sehr spannende und offene Partie, die auch das Gefallen eines berüchtigten Barça-Youtuber fand. Für uns erfüllte sich unabhängig vom Ergebnis ein großer Traum. Wann hat man schon mal das Glück, gegen den FC Barcelona zu spielen?

Ein Team der Extraklasse

Allein die Münchner von 1860 konnten den Katalanen im Verlauf des Turniers ein Unentschieden abringen, verloren aber im Neunerschießen. Im Endspiel nahm Barcelona die rotweißen Bullen aus Salzburg auseinander. Barça, so schien es, konnte je nach Belieben das Tempo noch einmal anziehen. Was sie im Endspiel zeigten, war fußballerische Extraklasse. Salzburg hatte keine Chance. Die Engelsflügel der Salzburger fielen bei dem hohen Spieltempo wie welke Blumenblätter ab. Barças Turniersieg war hoch verdient.

Überhaupt zeigte sich diese Mannschaft, die eine von zwei 2008er-Jahrgängen ist, als spielfreudige und sehr offene, sympathische Mannschaft ohne jegliche Star-Allüren. Bei dem großen Mannschaftsdefilee am Vorabend des Turniers brachten sie mit ihrem unprätentiösem Charme sogar gleich mehrere U15-Spielerinnen zum Kreischen. Die Mädchen standen Schlange, um sich mit ihnen ablichten zu lassen. Auch wir nutzten die Gelegenheit zum Gruppenfoto, wenngleich der eine oder andere etwas irritiert wirkte ob der spontanen Nähe. Einer unserer Spieler musste sich sogar überwinden, mit aufs Foto zu kommen, verständlicherweise wenn man Real-Fan ist.

Für diesen Mehraufwand an sympathischen Publikumsgesten wurde Barça vom Veranstalter zurecht mit einem vorzüglichen Hotel plus Outdoor-Pool und extra großen Doppelbetten belohnt. Wir dagegen bezogen auf der anderen Straßenseite unser Quartier in einer kleinen Familien-Pension im Tiroler Vollholzambiente.

Maria Rose

Kaum waren wir angekommen, begrüßte uns ein riesiges AMA-Logo in weinrot am Haus, passend zu den Farben der Holzfensterläden. Wohlweislich war das Banner von einem unserer Reiseorganisatoren vorausgeschickt worden, um uns zu begrüßen. Wenn unsere Vereinsbosse auf eines sicher scharf sein sollten, dann auf dieses exquisite Stück Stoff, das in Größe und Stil alles schlägt, was ich jemals von den Amateuren zu Gesicht bekommen habe. Als Botschafter des bald anstehenden 100jährigen Vereinsjubiläums machten wir unserem Verein aber auch sportlich alle Ehre. Die anfängliche Verwunderung über unseren Vereinsnamen trug uns spätestens nach dem ersten Spieltag eine ebenso große fußballerische Bewunderung ein.

Schorsch, unser Hauswirt, dirigierte uns geflissentlich durch die Tage und markierte die Essenszeiten und Speisepläne in offener Tiroler Gastfreundlichkeit. Wir teilten uns das Haus mit zwei unauffälligen Radlern, bestellten mehr oder weniger zu viel (oder zu wenig) zu trinken, aßen dafür aber brav bis auf zwei oder drei kleine Hackbraten alle Teller leer. Auch die Nachspeisen wurden weiß Gott nicht verschmäht. Der Frühstückskaffee schmeckte fantastique. Er war so eine Art Frühstück an und für sich.

Die Getränke am Abend servierte uns eine junge Ballonfahrerin, die mir den wesentlichen Unterschied zwischen Paraglidern und Ballonfahrern erklärte: Die einen suchen die Thermik, die anderen meiden sie. Angeblich bekäme man im Korb keine Höhenangst. Falls ich noch einmal nach Kirchberg kommen sollte, werde ich eine Fahrt mit ihr wagen.

Eine runde Sache. Wie die Semmeln, die wir für den Abreisetag bei Schorsch extra bestellten, um uns für die lange Zugfahrt zu wappnen, die er uns der Einfachheit halber mit 1 Euro pro Stück berechnete. Und dann war da noch dieses Muster des Teppichs auf den Treppen des Hauses, das dem der Sitzpolster der Berliner U-Bahn so prekär glich. Eine kuriose Koinzidenz. Jedes Mal, wenn ich die Treppen hoch oder runter lief, um eine der drei Vierergruppen unseres Teams auf ihrem Zimmer zu besuchen, war ich verblüfft über diese seltsame Übereinstimmung.

Vom ersten Tag an passte unser Timing, zumindest den Großteil der Reisegruppe betreffend. Einige Nachzügler hatten weniger Glück und mussten sich mit einer defekten Lok auseinandersetzten. Sie stießen erst am nächsten Tag hinzu - mitten hinein in eine Mannschaftsbesprechung auf der Terrasse des Hauses, was wohl beide Seiten ein wenig irritierte. Ein weiterer Teil der Reisegruppe traf spät in der Nacht in Kirchberg ein, er hatte sich für das Auto entschieden.

Kaum hatten wir unser Gepäck im Haus verteilt, eilten wir in Richtung eines Badesees, der sich als einzigartiges Sammelbecken alpiner Panoramaschnappschüsse entpuppte. Zu allen Himmelsrichtungen säumten grüne Berge und steile Hänge die Hochebene, verziert von malerischen Berghütten und auskragenden Liftpfeilern.

Eine zitronengelbe Schwellenrutsche führte direkt in den See, sie war etwa 40 Meter lang und zog sofort die Aufmerksamkeit der jungen und älteren Kinder auf sich. Auf Knien und allem, was die Fahrt beschleunigte, wurde diese aquaeske Sommerstreif bergab gerutscht, um mit vollem Schub ins dunkle Wasser zu rauschen. Andere, etwas weniger Wagemutige, schwammen eine ruhige Runde im See und beobachteten die gut genährten Forellen im Wasser. Die Erfrischung war nach der langen Zugfahrt genau das Richtige.

Zugfahren

Draußen flog die Landschaft an uns vorbei, der Wechsel von flacher zu hügeliger Landschaft hatte sich heimlich vollzogen. Irgendwo um Erfurt herum modulierten sich neue Assoziationen in meinem Kopf zusammen, ich wechselte von Prärie auf Burgenlandschaft. Bis zum ersten Hopfen in Bayern war es nicht mehr weit.

Ein Zug ist das Reisegruppen-Verkehrsmittel par excellence. Jeder kann aufstehen, wie es ihm beliebt. Plätze werden getauscht, man quetscht sich an die Tische der anderen, um mit ihnen Werwolf zu spielen. Andere verziehen sich heimlich mit dem Smartphone ins Eck, um ein Hörspiel zu hören oder ein digitales Geschicklichkeitsspiel zu spielen. Man kann auch ganz einfach eine Viertelstunde in den Schlaf sinken und krudes Zeug träumen.

Nur die Knie stemmt man besser nicht an die Rückenlehne, denn dann taucht der sehr forsche Reinigungs-Mitarbeiter der Bahn auf, um einen zurecht zu weisen. Er ist sich nicht zu schade, auf dem Weg von einem Wagon zum nächsten kleine Fettflecken auf den Abteilzwischenfenstern des Zuges mit Glasreiniger zu neutralisieren. An seinem wachsamen Auge kommt kein deplatzierter Fuß vorbei. Der nagelneue ICE muss unter allen Umständen vor den ersten Gebrauchsspuren geschützt werden. Es hätte mich nicht gewundert, wenn dieser Serviceprofi irgendwo noch ein paar private Plastikschonüberzüge für die Sitze auf Lager gehabt hätte.

Witzigerweise arbeitete seine Frau als Schaffnerin im anschließenden Europa-Express von München nach Bologna. Während er hunderte von in Rückenlehnen gestemmter Kinderknie in ehrfürchtige Sitzgrundpositionen zurück befahl, disziplinierte sie jegliche Regung von infantilem Reiseenthusiasmus mit scharfen, autoritären Ruhe-Kommandos, gegen die selbst die strengsten Heim-Aufseherinnen als liebliche Gouvernanten erscheinen dürften.

Man sieht, nicht nur an Spielfeldrändern werden die zweifelhaftesten Charaktere auf spielfreudige Kinder losgelassen. Nun gut, eine leicht überdrehte Reisegruppe freundlich daran zu erinnern, dass man sich das Abteil mit weiteren Reisenden teilt, sollte freilich immer erlaubt sein, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Nach dem Zugwechsel in München kam ich endlich auf Bergtouren. Hinter Rosenheim blickte ich angestrengt nach Osten hinüber, um nach der Kampenwand Ausschau zu halten, die ich vor Jahren einmal erklommen hatte. Und dann sah ich den felsigen Kamm in der Ferne, so klein und zart, als wäre er ein Kindergebiss.

Vigitalität

Irgendwo zwischen Bamberg und Wörgl wurden die Smartphones und Tablets der Kinder eingesammelt. Ich würde sagen, gerade noch rechtzeitig. Denn wenn ich persönlich etwas auf der nächsten Fahrt anders einrichten werde, dann das Maß der digitalen Berauschung. Ich habe nichts gegen Musikhören über Kopfhörer, aber mehr als einen MP3-Player oder ein altes Tastentelefon kommt mir nicht mehr mit auf eine Mannschaftsreise.

Ein leidiges Thema. Als Verfechter des Analogen wird man ohnehin ständig mitleidig von jenen mit digitaler Vollausstattung angeschaut, als wäre man unrettbar verloren. Gleichwohl entpuppen sich oft diejenigen, die die konventionellen Techniken der direkten Wahrnehmung, des ereignislosen Zeitvertreibs und der kognitiven Medialisierung nicht mehr beherrschen, in Momenten des transitiven Ereignisvakuums als die wahren Angeschlagenen. Ihre Medienabhängigkeit wird im Zug überdeutlich offenbar. Sie flehen nach ihren Spielzeugen, sehen aber die Berge am Rande des Zugfensters nicht mehr. Sie wandeln am gähnenden Abgrund ihrer eigenen medialen Ödnis.

Anstatt ins Nichts hinein zu springen, hängen sie sich lieber ans Netz der blinkenden Displays, um ihre leeren Aufmerksamkeitsakkus mit farbigem Strom zu füllen. Durch die Sitzlücken der Bahn konnte ich eine solche leer laufende Routine gut beobachten. Da wurden minutenlang Videos angeklickt, die ob des langsamen W-LAN im Zug gar nicht luden. Statt aus dem Umstand zu lernen und sich anzupassen, wurde verzweifelt der nächste Clip angeklickt. Aber auch der funktionierte nicht. Jedes gedankenversunkene Popeln oder aus dem Fenster Starren entfaltet mehr Ergebnischarakter als solch ein verzweifeltes Herbeisehnen des nächsten flüchtigen Flimmerns.

Ich bin mir sicher, wir sammelten die Geräte kurz nach Bamberg ein, durch das ich nicht zum ersten Mal rollte in der Hoffnung, irgendein kleines Internats-Türmchen oder jenen alten ausrangierten Eisenbahnwagon des "Nichtrauchers" zu entdecken, der in der 1973er Verfilmung des Fliegenden Klassenzimmers aus Protest gegen die konventionellen gesellschaftlichen Wertvorstellungen dorthin übergesiedelt war.

Zwischen Kupplung und Deckenlampe führte er eine mehr oder weniger unauffällige Musiker-Existenz jenseits des Bürgerlichen, bis er zufällig auf seinen alten Kumpel und Internats-Rektor Dr. Johannes Bökh traf, genannt Justus, der ihn mithilfe einer attraktiven Krankenschwester zurück ins zivile Leben führte.

Was mich an dem Film immer frappierte und noch frappiert, wenn ich ihn sehe, ist der Umstand, dass einer der jungen Darsteller nicht sehr alt geworden ist.

Letztlich muss ich mir natürlich eingestehen, dass Smartphones eine absolut nützliche Sache sind, zum Beispiel wenn man wissen will, wie das Wetter in den nächsten Stunden wird.

Platz Achtzehn

Sportlich betrachtet boten wir nur einen einzigen desaströsen Auftritt an zwei Spieltagen mit insgesamt acht Partien. Im zweiten Gruppenspiel gegen die Spielvereinigung Unterhaching, so eine Art Hertha 03 des großen FC Bayern, variierten wir unser System in der fälschlichen Annahme, mehr Stabilität und Druck im Mittelfeld erzeugen zu können. Die Rechnung ging nicht auf, im Gegenteil. Der Gegner konterte uns präzise aus. Wir verloren nicht nur das Spiel, sondern mit ihm auch die Chance auf Platz 2 in unserer Gruppe, weshalb wir am zweiten Spieltag nicht mehr auf die ganz großen Kaliber stießen, um uns mit ihnen messen zu können. Schade!

Aber mit drei klaren Siegen gegen Kaarst sowie eine britische Auswahlmannschaft aus Hongkong und den FC Winterthur hielten wir zumindest den dritten Platz in der Hinrunden-Gruppe und wussten auch am zweiten Spieltag bei den Platzierungsspielen zu überzeugen. Ein klarer Sieg gegen Fortuna Chemnitz im Viertelfinale und ein verdienter, wenn auch schwer erkämpfter Erfolg über US Torcy P.V.M. im Halbfinale brachte uns direkt unter die ersten 20 Mannschaften des 48 Teams zählenden Gesamtfeldes.

Erst im Spiel um Platz 17 unterlagen wir in einem hart geführten Match der My Academy Paris unglücklich mit 1:2 Toren. Der robusten Gangart und den schnellen Angreifern der Pariser konnten wir nicht ganz bis zum Schluss Stand halten. Zwei Minuten vor Abpfiff fiel der bittere Treffer zum 1:2 Endstand. Dennoch waren wir sehr zufrieden mit der Leistung unserer Mannschaft und unserer erreichten Platzierung.

Allein der phantastische Anblick des wilden Kaisers im Hintergrund des Sportplatzes in Söll entschädigte für die vorübergehenden Unzulänglichkeiten in unserem nicht immer ganz konsequenten Spiel an diesem Pfingstsonntag. Es war, als hätte sich jeder einmal für eine Minute von diesem gewaltigen Anblick ablenken und schwer beeindrucken lassen, um dann umso gestärkter ins Spiel zurückzufinden und sich für den Erfolg der Mannschaft ins Zeug zu werfen.

Luft nach oben

Nach oben ist immer Luft, dennoch konnten wir eine schöne Berliner Duftnummer in diesen Sonnen verwöhnten Tälern Tirols hinterlassen, die sich mit der frischen bäuerlichen Alpenluft gut vermischte. Einige große Vereine lagen in der Schlusstabelle deutlich hinter uns. Aber auch das bedeutet nicht viel, man sollte besser nur auf sich selbst schauen.

Vieles konnten wir abrufen, einiges leider nicht ganz so gut. Dazu war die Reise dann doch von vielen neuen und für uns ungewöhnlichen Eindrücken bestimmt. Etwas Heimweh plagte den einen oder anderen, oder die Angst vor der Dunkelheit, weshalb auf nächtliche Vollbeleuchtung umgestellt wurde. Eine eigenwillige Form des Geistervertreibens. Zimmer 4 hatte zudem die besten Sprühdeos an Bord, die in einer olfaktorischen Notsituation förmlich leer gesprüht wurden, worauf es zwar zur vermeintlich besseren Luft, aber auch zu akuten Lungenverklebung kam. Ich übertreibe.

Vor der Kulisse der weit über 2200 Meter hohen Bergspitzen mit den vielen kleinen und großen Schneeresten zwischen den Felsen verlagerte sich das Sportliche ohnehin auf eine ganz andere Ebene der Wahrnehmung. Dieses bunte internationale Monsterturnier, das mit der Region seit über 20 Jahren fest verwachsen ist, brachte uns auf eine ganz wunderbare Weise zu uns selbst und zu einem Zusammenhalt, von dem wir noch gar nicht richtig einzuschätzen wissen, was er in Zukunft bewirken wird. Bislang (nach einer Woche) hat mich allerdings noch kein einziges der unzähligen geschossenen Reisefotos der Reiseteilnehmer erreicht (kaum geschrieben, da kam schon ein Fotobuch!). Lediglich das kostbare Barça-Video wurde in bester Netzkultur vom Besitzer mit allen anderen geteilt. Nun gut, gefilmt hatte das Spiel ein anderer!

Es gibt sogar einen zweiten Film, in dem allerdings das Kunststück vollbracht wurde, die zwei spielentscheidenden Szenen aus dem Blick zu verlieren. Zweimal schwenkte der Sucher in diesem Film ins Leere, beim Eckball und beim potentiellen Strafstoß. Auch das muss man erstmal hinbekommen.

So, wie wir unseren Aufenthalt mit einem Besuch des See-Schwimmbades eröffneten, beschlossen wir ihn auch. Das Wetter wurde etwas milder an diesem Pfingst-Montagmorgen, ein kleiner Platzregen ging nieder, hart tremolierende Tropfen hüpften auf der federnden Wasseroberfläche. Den Spielern machte der Guss nichts aus, sie sausten die gelbe Streif auf ihren Knien wieder hinab und enterten anschließend zwei Tretboote, mit denen sie sich gegenseitig auf dem See nachstellten. Die Besatzungen wurden rege gewechselt, niemand geriet zwischen die Fronten. Zur Kollision kam es glücklicherweise nicht. Anschließend gab es ein kleines Eis auf die Hand und eine Stunde später zwischen zwei Zügen ein großes Stück Pizza auf dieselbe, schon ging es wieder stramm Richtung Berlin.

Kurz nach Wörgl wurden die Smartphones ausgeteilt. Es war der Moment, als mancher sich schon fast wieder wie zu Hause fühlte.

Ich dachte an die kleine Maus zurück, die ich am ersten Spieltag tot auf dem Weg zum Stadion entdeckt hatte. Womöglich war sie im Getümmel der 166 einmarschierten Teams platt getreten worden.

Ich stellte mir vor, wie sie voller Panik zwischen den vielen tanzenden, springenden und marschierenden Beinen hin und her gesprungen war, ohne zu wissen, wie sie den unzähligen Tritten ausweichen sollte. Vielleicht ließe sich daraus ein digitales Geschicklichkeitsspiel kreieren, überlegte ich.

Es ist natürlich auch gut denkbar, dass sie das Opfer eines der getunten Golfs geworden war, mit dem die nicht mehr ganz so junge Dorfjugend jeden Abend durch den Ort knatterte.

Aber auch das würde gut zu dem kleinen virtuellen Spiel passen.

[Cordial Cup 2019 / Pfingsten 2019]


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18. Platz
Es spielten: Samy, Albion, Blerton, Noah, Fynn, Feris, Luca, Bela, Kolja, Levin, John, Timo



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