AMA E1 - Köpenicker SC E1
17 : 1
"Eine Wahl zu gewinnen, ist immer leichter, als eine Wahl zu verlieren."
Die Kinder hatten vor dem Spiel die Tabelle studiert. Jemand gab beim Umziehen die Devise aus: "Wir müssen 11 Tore schießen, um an die Spitze zu kommen!" Ich ergänzte: "Geht aber nur, wenn es bei einem Anstoß für uns bleibt."
Das Spiel begann ähnlich perfekt wie gegen Berolina Stralau - mit einem kleinen Unterschied: Statt zehn Minuten, brauchten wir nur nur zwei, um mit drei Treffern in Führung zu gehen. Schneller und effizienter waren wir nie. Bis zur zehnten Minute wuchs das Konto auf sechs Treffer an. Dann hatten wir einen kleinen Durchhänger, die gierige Tormaschine kam fast zum Erliegen. Zur Pause führten wir dennoch komfortablen mit neun zu eins Toren.
Es wurden zwei Anstöße, aber das ausgegebene Ziel erreichten wir dennoch. Neuerdings soll das bessere Torverhältnis zwar nicht mehr von Bedeutung sein, wenn man Ulrich Hoeneß, dem großen Rechenkünstler des FC Bayern, Glauben schenken soll, aber schaden kann es wohl auch nicht. Das war vor dem Spiel gegen Spitzenreiter Dortmund und im direkten Vergleich mit der Borussia aus Mönchengladbach. Im Unterschlagen von numerischen Differenzen kennt Hoeneß sich ohnehin gut aus, zumindest darin ist er immer vorne weg. Und wer weiß, vielleicht seine Bayern am Ende sogar mit ihm? Ich bin jedenfalls gespannt, wie es mit den Football-Leaks weitergeht. Von mir aus können die großen Clubs geschlossen in die Wüste gehen, ich hätte nichts dagegen.
Es stimmt auch, was Hoeneß sagt: Am Ende zählt nun mal die eigentliche Essenz, die erspielten Punkte, aber die bekommt man nur, wenn man mehr Tore als der Gegner erzielt. Nun ist der Spott auf die Fußball-Bayern im Augenblick und nach dieser endlich zu Ende gegangenen unendlich langen und öden Periode des Bundesliga-Alleinunterhaltens besonders groß, in der Fallhöhe reicht sie sogar über die jüngste Drift an der Parteispitze des politisch rechten Flügels hinaus. Nur Horst Seehofer jauchzt! Gleichwohl geschieht im Augenblick sehr viel Ungeheures in der Welt, nicht nur im Hochglanz-Fußball, auch in den Niederungen des täglichen Lebens und an den Polkappen. Der sogenannte Polit-Macker ist nun auch in Deutschland zurück, wenngleich er noch kein radikaler Draufgänger ist. Und es gibt gleich zwei zur Auswahl: Den Typen mit der Bügelfalte und dem Bierdeckel oder den gesunden jungen Fortschritts-Eber mit der Designerbrille.
Ich glaube nicht, dass Frauen bessere Menschen sind, aber ich denke schon, dass sie prozentual weniger aggressiv, machtgeil oder in Waffen vernarrt sind als Männer. Sicherlich, es gab Anne Bonny, Elisabeth Báthory und Bloody Mary, aber eine berühmte weibliche Diktatorin oder Mafiosa wüsste ich aus dem Stegreif nicht. Nur im Film übernehmen die Witwen gern mal die mörderischen Geschäfte. Vielleicht kann man auf der Ebene des öffentlichen Edelverbrechens zumindest Imelda Marcos anführen. Aber phänotypisch kommt sie an einen Donald Trump nicht wirklich heran. Dazu fehlt dann doch das Extra-Quantum eingebildete Männlichkeit, wenngleich ein Schuhtick schon durchaus mit einem Kerben-am-Bettgestell-Spleen konkurrieren kann. Nur ist ein Schuhtick im Endeffekt keine reale Atomgefahr für die Menschheit, nicht mal eine Gefahr für die Unversehrtheit der männlichen Würde.
Was hat das mit unserem Spiel zu tun? Alles und nichts!
Am Morgen kurz nach sieben Uhr stand ein riesiger perfekter Regenbogen über Kreuzberg. Er sah aus wie eine Hollywood-Projektion. Vom Fenster aus betrachtet, leuchtete dieser Bogen in seinen Spektralfarben direkt über dem Urban-Gelände, als läge dahinter das gelobte Land. Ein zweiter Bogen überragte ihn hauchzart. Nach ein paar Minuten erloschen beide, aber sie gesehen zu haben, erfüllte mich dennoch mit großer Leichtigkeit. Ich wusste, es würde ein sehr guter Tag werden! Kaum trat ich aus dem Haus, begann es auch schon zu tröpfeln. Ich meine, genau so ist das Leben: Eine Mischung aus Schönheit und Regen, man kann nicht immer nur Eines haben!
So dürfen wir uns durchaus freuen, die Tabellenspitze zurück erobert zu haben und insgesamt eine unglaublich gute Hinserie zu spielen, die an Perfektion dem Regenbogen in nichts nach steht. Dennoch wird auch dieser sonnige Tabellenplatz nicht für immer bleiben, auch sein Glanz wird verblassen. Es kommen andere Tage, andere Gegner, andere Spiele, und dann wird sich zeigen, wie robust wir wirklich sind. Können wir auch mal eine Krise meistern?
Ich denke schon.
[8. Spieltag / 11. November 2018]