AMA-BLITZ
2. Platz
Auf dem Trainerlehrgang wurde uns eine Lehrfolie gezeigt, die besagte, dass es zwischen Bundesliga und Landesliga nur geringe Unterschiede in der Summe der Laufleistung gibt. Wesentlicher sei die unterschiedlich hohe Intensität der ausgeführten Aktionen. Die einen laufen, spielen, denken und handeln deutlich schneller als die anderen, und genau dies mache den Klassenunterschied aus.
Ein bisschen kann man dies bereits im Kinderfußball erkennen. Auch da zeigt sich, dass in der Regel das Team gewinnt, das schneller am Ball ist, das den Gegner konsequenter unter Druck setzt und vor dem Tor kaltschnäuziger agiert. Manchen Mannschaften merkt man bereits mit dem Anpfiff an, dass sie das Diktum des DFB-Ausbildungssystems - "Wir wollen den Ball!" - voll und ganz beherzigen. Sie gehen direkt und gezielt auf den Gegner zu und versuchen ihm schnellstmöglich den Ball abzujagen. Union Berlin spielte heute so - das Ergebnis gab ihnen Recht. Sie schossen fast drei mal so viele Tore wie wir und fegten uns einmal sogar selbst mit acht zu null Toren vom Platz. Wir liefen ihnen zumindest in dieser Partie ratlos hinterher. Im Rückspiel trotzten wir ihnen ein Unentschieden ab. Dennoch: Eine krasse Bilanz!
Leider kann man nicht aus jedem Spieler einen Supersprinter oder einen technisch versierten Ballkünstler machen. Dem Körper sind natürliche Grenzen gesetzt. Hier und da kann man eine unentschlossene Muskelfaser noch dazu bewegen, sich in eine kurzzuckende zu verwandeln, um der Schnelligkeit zuzuarbeiten. Aber alles in allem sind Kinder nun mal keine Wundermaschinen.
Schusstechnik kann man üben, aber bei dem einen schwingt das Bein von Natur aus schneller durch als beim anderen. Und im Kopf geht es ohnehin noch drunter und drüber; die Kinder sind im übrigen nicht doof und spüren selbst ganz gut, wenn sie hier und da an ihre Grenzen kommen. Dann baut sich Druck bei ihnen auf, der nicht förderlich ist. Am Ende müssen wir Trainer genau darauf achten, dass sich jedes Kind in Ruhe und ohne zu großen Druck entwickeln kann, damit es den Spaß am Fußball nicht verliert. Eine schwierige Aufgabe, denn dies bedeutet zugleich, hier und da unbequeme Entscheidungen zu treffen.
Wo ist ein Spieler am besten aufgehoben? Im gewohnten Umfeld, auch wenn das Niveau der Mannschaft und der Gegner die eigenen Kräfte dauerhaft übersteigt? Oder doch besser auf einem etwas weniger anspruchsvollen Niveau, dafür auf Kosten der gewachsenen sozialen und zwischenmenschlichen Beziehungen, die sich durch einen Wechsel in eine andere Mannschaft ergeben würden?
Immer, wenn sich eine Saison dem Ende nähert, kommt diese schwierige Aufgabe auf den Trainer zu - sich zu fragen: Wo ist mein Spieler am besten aufgehoben, in der ersten oder in der zweiten Mannschaft? Sollte er es vielleicht mal mit einer anderen Sportart versuchen, um sich selber besser kennen zu lernen? Noch schwieriger ist die Frage zu beantworten, nach welchen Gesichtspunkten man schließlich entscheiden oder empfehlen soll? Soll man rein menschlich, rein sportlich, im Sinne des Einzelnen und Bestehenden oder mit Blick auf die sportliche Zukunft der Mannschaft als Ganzes entscheiden?
Ich habe schon einige Formen kennen gelernt, mal entschieden wir sportlich, mal aus menschlichen Gründen, mal im Sinne des Mannschafts-Leistungsniveaus, mal mit optimistischem Blick auf die Entwicklung eines Spielers. Auch die Reaktionen auf eine offene Empfehlung fallen sehr unterschiedlich aus. Die einen merken selber, dass etwas nicht rund läuft und sehen in einem Wechsel zurecht eine Chance. Für die anderen kommt er einer Degradierung oder Verbannung gleich, was er natürlich nicht ist.
Richtig kompliziert wird es dann, wenn sich Spieler von anderen Vereinen vorstellen, die unbedingt ins Team möchten und sowohl menschlich, als auch sportlich gesehen, sehr gut passen würden. Auch da tut jede Absage weh, denn natürlich sind die Plätze, die wir anbieten können, begrenzt. Wir können nicht beliebig viele Kinder aufnehmen. Sich wiederum auf einem Platz auszuruhen, den man inne hat, kann ich auch nicht empfehlen. Denn zum Ende der Saison wird genau beobachtet und stets neu bewertet.
Es bleibt ein Dilemma, denn natürlich fällt Veränderung jedem Menschen schwer. So oder so! Aber wer will, dass alles so bleibt, wie es ist, muss sich auch verändern können - um einmal einen berühmten Sizilianer zu zitieren. Offen zu sein für Neues, ist eine gute Voraussetzung, um seine eigene Gegenwart ins Ziel zu bringen. Wer sich aber an das Bestehende klammert, dem droht der Verlust der ganzen Zukunft.
Heute sah ich zwei Gesichter unserer Mannschaft. Zum Ende hin wirkte sie wieder einmal frischer als zu Beginn. Allerdings sah ich auch bestimmte grundlegende Dinge, an deren Optimierung wir schon sehr lange arbeiten, die jedoch nicht bei jedem Spieler gleich gut aufzugehen scheinen. Einige waren sicher sehr erschöpft von der Teilnahme am St. Pauli-Feriencamp, das sie in den letzten vier Tagen besucht hatten. Man merkte ihnen an, dass die Kräfte schnell verbraucht waren, schneller als üblich. Andere wirkten dagegen etwas blass aufgrund ihres augenblicklichen Trainingsrückstands. Auch dies sind zwei Gesichter unserer Mannschaft, die uns seit langem begleiten.
Wie auch immer, die Saison wartet nicht! Ab Montag geht es in die Vollen, und ich kann nur jedem empfehlen, sich zu zeigen, wenn er in den nächsten Wochen noch etwas erreichen will. Und sei es, dass er sich einen Platz für den Zug in Richtung Zukunft sichert. Aber keine Angst, Fußball wird überall gespielt und macht immer Spaß, wie überhaupt jede Form der Bewegung Glückshormone ausschüttet! Es sei denn, man kommt nicht gut zum Zug oder es fehlt einem die Lust und Leidenschaft. Aber das können wir im Fall unserer Spieler wohl getrost ausschließen. Jetzt müssen wir nur noch etwas mehr Biss und Spritzigkeit in unser Spiel bekommen, dann sind wir zumindest für den Rest der Saison gut gewappnet.