AMA U15 - MSV Normannia U15
38 : 0
"Wenn schon verrückt, dann richtig!"
(Pierrot le fou)
Staunte ich am ersten Spieltag noch über die abstrusen Ergebnisse, die in unserer Staffel möglich sind, so kann ich nun getrost sagen: 30 Buden gegen Normannia sind gar nicht s o o o o o viel. Man muss das Ganze im Grunde durch 10 teilen, um es auf normale Verhältnisse zu bringen. Leider führte ich bei unserem Spiel nur eine Statistik über die erzielten Treffer. Sinnvoller wäre es gewesen, die nicht erzielten Treffer und vergebenen Torchancen zu notieren.
Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, das Verhältnis von erzielten Treffern zu vergebenen Torchancen stand bei etwa 40:60. Rein rechnerisch wären also Ergebnisse um die 60 Treffer durchaus möglich. Es sei denn, die Normannia ändert einfach mal ihre Taktik. Ich hätte zwei ganz einfache Ideen für sie parat.
Erste Idee: Nach jedem Anstoß den Ball einfach weit nach vorne schlagen und im Pulk ungestüm nachrücken, das brächte in etwa nach jedem Gegentreffer mindestens 15 Sekunden Zeitgewinn. Generell auf Zeit spielen und verzögern, wo es nur geht. Dazu ständig auswechseln und einwechseln – aber besonders regelgerecht, also erst dann aufs Feld, wenn auszuwechselnder Spieler tatsächlich den Platz verlassen hat. Wechsel lässt die Spielordnung bei uns beliebig oft zu. Warum ein System nicht mit legalen Mitteln ad absurdum führen, wenn es schon solch völlig abstruse sportliche Begegnungen zulässt?
Zweite Idee: Optimieren der funktionalen Verdichtung des Raums. Um einen Raum zu verdichten, muss man keinen Fußball spielen können, es reicht, einfach nur viel und schnell zu laufen. Rugby-Taktik. Mit fünf Spielern immer wieder plötzlich sofort auf den Ballführenden stürzen. Ich würde mal behaupten wollen, dass man die Normannia innerhalb von vier Wochen dahin bekäme, maximal nur noch 15 Gegentreffer gegen die meisten Teams unser Staffel zu kassieren. Dazu müssten sie sich freilich mental und physisch etwas in Zeug legen. Hier gäbe es wirklich eine reizvolle Aufgabe für all die Trainer, die sich aus unerfindlichen Gründen für Pep Guardiola halten.
Es klingt überheblich, aber in diesem Spiel wäre in beiden Richtungen weit mehr möglich gewesen. Um ehrlich zu sein, wir selber erwischten keinen allzu guten Tag. Das lag auch daran, dass ich dem Team viel zu viele Vorgaben machte, statt auf seine eigene Lösungskompetenz zu vertrauen. So wollte ich unbedingt auf egoistische Dribblings durch die Mitte verzichten und lieber ein rasantes Spiel über die Außen aufziehen, überhaupt den Ball wahnsinnig schnell und geschmeidig laufen lassen, so richtig schönen vorbildlichen demokratischen Fußball zelebrieren. Diese Taktik entpuppte sich als viel zu umständlich und anmaßend, denn die Mitte war zu jedem Augenblick des Spiels komplett offen. Und wenn die Mitte offen ist, dann immer ab durch die Mitte. Hat uns die Politik in den letzten 25 Jahren ja zur Genüge eingebimst.
So rumpelten wir zwischenzeitig mehrere Minuten ohne Treffer durchs Spiel, um dann plötzlich drei Buden innerhalb von zwei Minuten zu erzielen. Der Gegner tat mir insofern leid, als dass niemand dieser abstrusen Ligazugehörigkeit ein Ende bereitet. Man hätte von verantwortlicher Seite viel früher reagieren und eine adäquate Klassen- oder Ligenzuordnung in die Wege leiten müssen. Ein Versagen der Erwachsenen so ähnlich wie beim Klimaschutz (von wegen ab durch die Mitte). Bis zum Ende der Hinserie geht dieses groteske Schauspiel nun mindestens noch fort. Zu jedem Spieltag ungebremste 20 bis 50 Tausend Quadratkilometer sportliche und mentale Brandrodung in Berlin Bezirksliga Staffel 1.
Das muss man dieser Normannia wirklich lassen: Sie wirkte nicht, als könnten diese Spieltage sie völlig demoralisieren. Ihr Torhüter hielt prächtig (unter anderem einen Strafstoß), und einen Dribbler hatten sie auch, der in einer Szene, als er endlich einmal den Ball bekam, vier von unseren Spielern elegant austrickste. Riesenjubel und Beifall, völlig zurecht! Wie auch jedes Überqueren der Mittellinie und jeder abgewehrte Ball zur Ecke frenetisch gefeiert wurde. Der Anhang zahlreich und überaus engagiert, ein Trainer, der, weil er nachts arbeiten muss, dem Spiel leider nicht beiwohnen konnte und dem Sohn die hehre Aufgabe übertrug. Sie wollten einfach etwas Spaß haben, sagten sie. Gegentore schienen sie nicht mehr ernsthaft wahrzunehmen, aber gelingende Aktionen und den kleinen erfolgreichen Widerstand durchaus. Auch in Fragen der Gerechtigkeit waren sie sensibel, wenngleich ihr Blick auf Foulspiel oder nicht ein wenig eigenwillig war.
Möglicherweise bereiten sie sich einfach nur geduldig auf die alles entscheidende Begegnung gegen Liberta vor, der zweiten Rummel-Schießbude der Staffel. Dieser eine Spieltag könnte dann über Wohl und Wehe einer gesamten Hinserie entscheiden. Alles andere wird zur Nebensache. Glück ist ohnehin relativ, Leistung, Klassenzugehörigkeit, Schläge, die man einstecken kann, vom Schicksal oder von bösen Menschen ausgeteilt, und so vieles mehr im Leben, das vergessen wir zu oft, und solche abstrusen Begegnungen rufen es dann wieder in Erinnerung. Insofern sind solche Spiele auch lehrreich, wenngleich völliger sportlicher Unsinn.
Wer kann ermessen, was es bedeutet, jedes Wochenende eine derartige Packung einzustecken? Und trotzdem machen sie weiter, geben nicht auf. Okay, da gab es eine besonders unfaire Szene, als einem ihrer Spieler dann doch die Sicherung durchbrannte und er einen Schlag in die Magengrube eines unserer fairsten Spielers austeilte. Die Tätlichkeit blieb ungestraft, weil der angesetzte Schiedsrichter erst gar nicht zur Partie erschienen war und der junge Interimsschiedsrichter von der aufkochenden und eskalierenden Stimmung schlichtweg überrannt wurde. Und auch das war nicht klug von uns Verantwortlichen eingefädelt: Wir hätten von Anfang an einem Erwachsenen die Leitung des Spiels übertragen müssen. Gleichwohl war es schön, den jungen Schiedsrichter wieder einmal auf unserem Platz zu sehen, kickte er doch bis letzte Saison bei uns und nun für einen anderen Verein.
Warum war der offiziell angesetzte Schiri nicht erschienen? Wollte er sich nicht die Mühe machen, für fünfzehn Euro Spesengeld sämtliche Torschützen zu notieren und in die Spielberichtsmaske einzugeben? Wer kann es ihm verdenken. Gleichwohl bin ich selber durchaus froh, dieses Spiel miterlebt zu haben. Wenn es im Ergebnis oder aus sportlicher Sicht keinerlei positive oder rationale Bedeutung hat, so gab es aus menschlicher (siehe oben) und fußballerischer oder besser: aus Trainer-Sicht (siehe unten) zumindest einiges zu rekapitulieren.
Vertraue immer deinem Team und deinen Spielern – sie können mehr, als du denkst! Lass sie in Ruhe spielen, schau lieber genau hin! Korrigiere nur unmittelbar, wenn unbedingt nötig, kläre besser im Anschluss Fehlerstrukturen auf! Setze dich für Gerechtigkeit und faires Spiel ein! Erweise dem Spiel und dem Gegner Respekt! Jage keine Rekorde, reduziere lieber den Wahnsinn dieser Welt!
Eigentlich beherzigen wir diese Prinzipien an jedem Spieltag und zu jedem Training – aber gegen solche Gegner und bei solchen Begegnungen kann man sich wahrlich nicht genug für etwas Anderes als das Gewohnte einsetzen und die Rolle des aufmerksam Beobachtenden und Verantwortlichen übernehmen. Einen besseren Überblick über den spielerischen Stand seines Teams und einen effektiveren Einblick in seine eigenen Idiotien kann man kaum bekommen.
Fazit: Wer gegen seine Schatten nicht gut boxt, gewinnt gegen wahre Gegner erst recht nicht. Den Vereinen und dem BFV möchte ich empfehlen, das unselige Vererbungssystem im Berliner Ligabetrieb zu reformieren. Weder gehören Normannia, noch Liberta in diese Staffel! Oder anders herum gedacht: Wir in eine höhere.
[5. Spieltag / Sa. 18. September 2021]