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AMA / D1
SAISON 2020 / 2021

Luft nach oben

Testspiele gegen FC Wilmersdorf (U13) & Hertha 03 (U12)

2 : 0 und 3 : 2

Doppelprogramm am Wochenende, panischen sammeln alle Teams kostbare Wettkampfminuten. Nach der Corona-Pause versucht jeder schnell seine Bestform zu erreichen. Der Ehrgeiz ist am Anfang der Saison ohnehin bei allen sehr hoch. Einerseits muss man ein Testspiel nicht auf die Goldwaage legen, andererseits tut man es doch. Jeder weiß, was ein verpatzter Saisonstart bedeutet - an den Nerven zehrende Krise, mühseliges Heranarbeiten an ein neues Selbstbewusstsein.

Was mich zunehmend nervt bei den Testspielen, sind einzelne Spieler und Trainer, die sich immer noch nicht im Griff haben und das eigentlich schöne Spiel wegen ihrer eklatanten emotionalen Reflexe in Mitleidenschaft ziehen. Ich nehme mich nicht davon aus, an der Seitenlinie plötzlich zum Berserker zu werden und viel zu laut irgendwelche sinnlosen Kommentare ins Spiel zu krakeelen. Aber eine Grenze kenne ich schon: Unsportlichkeit kommt bei mir nicht vor und dulde ich auch nicht im Team.

Umso mehr nervt es mich, wenn wieder einmal ein Spieler der gegnerischen Mannschaft tritt oder Ellenbogen austeilt oder mit anderer schlechter Erziehung um sich wirft, nur weil er einen Zweikampf verloren oder sich generell nicht gut im Griff hat. Trainer reagieren dann immer schnell entrüstet und verbitten sich, dass ich ihre Spieler direkt anspreche, um sie an die Fairness zu erinnern. Einerseits zurecht, andererseits finde ich diese vermeintliche väterliche Schutzgeste nur vorgeschoben, denn die Trainer selber ziehen ja keine Konsequenzen aus der Unsportlichkeit ihres Schützlings. In der Regel verweisen sie nach dem Spiel erst einmal notorisch auf die Missetaten unsererseits, die ja auch nicht besser gewesen seien, und so rechtfertigt schlechtes Betragen mal wieder schlechtes Betragen und wir könnten eigentlich auch wieder die steinzeitliche Keule vorholen.

Erfolg, Gerechtigkeit, persönliche Zufriedenheit. Der eine trickst mit den Steuern, der andere macht sich die Größe seiner Karosse zu eigen, der dritte schöpft sämtliche legale, aber auch nicht unbedingt gemeinnützige Mittel aus, um seine Ziele und Zwecke zu erreichen - und im Fußball wird dann eben auch mit allen Haken und Ösen um jeden Sieg, jeden Punkt, jeden Ball gekämpft und gefeilscht. Leider sind viele Spiele dadurch nicht mehr hübsch mitanzusehen. Ein einziges verbissenes Gerangel um den Ball, viel Geschrei um Foul oder Nicht-Foul, falsche Vorteilsnahmen und andere Scheinheiligkeiten, dazu immerfort maximale Erregungszustände am Spielfeldrand. Wer die gesammelten negative Affekte einer Gesellschaft erleben will, muss eigentlich nur zum Fußball gehen oder ein paar Kilometer mit dem Rad durch die City cruisen.

Ich kann es niemandem verdenken, wenn er das Interesse an dem Sport eines Tages verliert, denn es gibt wahrlich schönere Dinge, als sich den immer gleichen Idiotien einiger weniger Vollidioten auszusetzen. Ich mag Ehrgeiz und Trainingsfleiß, Biss und Schlauheit. Jemand, der sich verbessern will und alles dafür tut, um ein kleines bisschen über sich selbst hinauszuwachsen, der genießt meine ganze Aufmerksamkeit, meinen Respekt und meine Bewunderung. Aber genauso schätze ich auch ein gesundes Maß an solider Selbsteinschätzung und vorausschauende Klugheit, um für sich zu erkennen, wo und wann ein besonderer Affekt oder ein sportlicher Aufwand lohnt oder eben nicht mehr lohnt. Insbesondere bei Vätern treffe ich dabei oft auf einen übertriebenen Ehrgeiz. Es gibt sicher auch ehrgeizige Mütter, aber Väter kommen einfach nicht davon los, in ihrem Sohn die Verwirklichung ihrer eigenen unerfüllt gebliebenen Wünsche zu sehen.

Besonders gut kann ich das an den Zuschriften erkennen, die mich erreichen mit dem Ziel, ein Probetraining bei uns zu bekommen. Was da alles angepriesen wird, um nur ja irgendwie den eigenen Sohn im besten Licht erscheinen zu lassen. Mütter sind da meist anders, sie suchen ein Team, in dem ihr Sohn Fußball spielen kann, mehr nicht. Meistens erkläre ich ihnen dann, wer wir sind, was wir tun und was unser Vorstellungen sind, schon bewerten und sortieren sie sich selber sehr genau und treffend innerhalb des Leistungsspektrums des Vereins ein. Super! Väter dagegen wollen immer noch unbedingt das ambitionierte Probetraining in der ersten Mannschaft, obwohl bereits anhand der kurzen Vorgeschichte oder anderer kleiner Merkmale recht klar ist, dass ihr Sohnemann eher nicht im Leistungsfußball das ersehnte Glück finden wird.

Ich will nicht ausschließen, dass jemand ein Spätzünder im Fußball oder im Vereinsport ist. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die Supertalente von heute nicht unbedingt die Kracher von morgen sein werden. Deshalb denke ich auch, dass viele Spieler, die jetzt noch Probleme durch eine etwas geringere Körperkonstitution haben, nach der Pubertät ganz anders in Erscheinung treten können. Den umgekehrten Fall gibt es allerdings auch. Woran ich allerdings nicht glaube, ist, dass man sich einfach in eine erste Mannschaft wünschen oder gar betteln kann, nur weil meint, dort seien die optimale Bedingungen zur Leistungsförderung des eigenen Kindes zu finden. Jedes Kind entwickelt sich anders, und was wir tun, ist eigentlich nichts anderes, als dieser Entwicklung einen geeigneten Rahmen zu geben. Weder sollte ein Spieler unter- noch überfordert werden.

Es ist aufwendig und kompliziert genug, einem jungen Spieler überhaupt etwas zu vermitteln. Die meisten Fehler, die den Spielern wiederholt unterlaufen, sind unzählige Male angesprochen und erklärt worden. Eine besondere Nervenverbindung von Kopf und Körper ist nötig, um eine rasche Verbesserung des individuellen Spiels zu erreichen. Falsche Automatismen müssen durch richtige Automatismen ersetzt werden. Die einen werden körperlich immer einen Nachteil haben, andere wiederum lernen aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur langsamer hinzu. Und Dritte sind einfach nicht in einem Team zu integrieren, weil sie sich selbst allen Ernstes für die Besten halten. Manchmal kommt es mir so vor, als verwalteten wir nur ein kurioses Sammelsurium kleinerer bis mittelgroßer Unzulänglichkeiten. Um mich nicht falsch zu verstehen, ich mag alle diese Charakterunterschiede und diese Vielfalt im Portfolio, egal wie viel Nerven es mich manchmal kostet, und ich verzeihe jedem sogar den chronisch schlecht aufgepumpten Ball, der ins Training mitgebracht wird. Aber dafür müssen dann auch fünfzehn Ligestütze absolviert werden, die Größeren und Kräftigen schaffen entsprechend mehr!

Vieles ist ohnehin eine Frage der Persönlichkeit. Vor kurzem kam ein Junge zu mir ins Probetraining, dessen Vater mir seinen Sohn als besonderes vielseitiges Balltalent angepriesen hatte. Was er nicht erwähnt hatte, war, dass der Junge große Probleme hatte, sich überhaupt in eine Trainingssituation zu begeben. Das Probetraining hörte bereits in dem Moment auf, als der Junge etwas ausprobieren sollte, was er noch nicht kannte. Er sollte mit dem schwachen Fuß einmal durch eine simple Hütchenstafette dribbeln. Das überforderte ihn so sehr, dass er das Training direkt abbrach. Für einen Neu-Einstieg in den Vereinsfußball brauchte der Junge alles andere als ein Probetraining in der zweiten oder ersten Mannschaft. Er hätte besser völlig zwanglos bei einem Spaßkicken in einem Freizeitteam mitgemacht. Das hatte ich dem Vater zuvor auch anempfohlen, der aber wollte lieber gleich aufs Ganze gehen. So reichte es noch nicht einmal für das Warmup.

Wir Trainer kitzeln das Bestmögliche aus jedem Spieler heraus. Je niedriger das Niveau innerhalb einer Mannschaft, desto schwerer sind freilich deutliche Fortschritte bei jedem einzelnen zu erzielen. Je höher wiederum das Niveau, desto schwerer wird es für Externe, in solch ein Team hineinzugelangen. Anders herum ist man auch schnell wieder draußen, wenn das Niveau insgesamt steigt oder leistungsstarke Spieler hinzustoßen. Deswegen nennt sich das Ganze ja Leistungsfußball. Aber hey, es ist nicht schlimm, in einer zweiten Mannschaft zu kicken! Schlimm ist es nur, in einem Team zu kicken, in dem man dauerhaft über- oder unterfordert ist.

Vierzehn bis sechzehn Spieler im Kader einer D-Jugend-Kleinfeldmannschaft, nicht allzu große Leistungsunterschiede untereinander, alle eine positive Einstellung zum Sport und mental-charakterlich aufgeschlossen - das wäre der Idealfall. Um ehrlich zu sein, vor eineinhalb Jahren hatte ich einmal das Gefühl, dass wir in so einen Zustand der absoluten Zufriedenheit schweben durften. Davor und dahinter war das Teambuilding immer auch grandioses zwischenmenschliches Flickwerk und sportliche Improvisationskunst. Und so wird es wohl auch bleiben, mehr oder weniger erfolgreich!

Fangen wir also mit dem Besten an: In der Mitte der zweiten Halbzeit im Sonntagsspiel gegen die ein Jahr jüngeren Kicker von Hertha 03 kam bei uns das erste Mal seit langer Zeit wieder eine Art Spielfluss auf, bei dem der Ball über mehr als drei Stationen zielstrebig Richtung Tor expediert wurde. Ich hatte das Gefühl, dass etwas von dem, was uns in den letzten Jahren besonders ausgezeichnet hat, durchaus noch existierte, wenngleich ich mir in der Nachschau nicht sicher bin, ob der Ball nicht nur deshalb so gut lief, weil der Gegner ein wenig müde geworden war. Aber immerhin - wir hatten ihn müde gekämpft.

Schon im Samstagsspiel gegen die Wilmersdorfer boten wir eine kämpferisch gute Leistung, die uns einen glücklich heraus gespielten Vorsprung von zwei Toren zur Pause mehr oder weniger solide über die Zeit brachte. Nach Torschüssen lagen die Wilmersdorfer am Ende sicher vorne, aber in ihren Abschlüssen waren sie noch harmloser als wir selbst. Außerdem hatten wir noch einen famosen Torhüter, der zu unserem besten Mann wurde. Wie in der Woche zuvor gegen den Berliner SC begleiteten einige kleine unsportlichen Entgleisungen den Spielverlauf. Die Spirale der Emotionalisierung schraubte sich jedoch nicht sonderlich in die Höhe, sodass am Ende zumindest aus unserer Sicht ein fair heraus gespielter Sieg stand. Freilich konnte das Spiel nicht darüber hinwegtäuschen, wie wenig wir derzeit von unseren alten Potentialen abrufen können.

Der Ball lief nicht gut, unsere beiden Tore waren Zufallsprodukte und entstanden durch schwere individuelle Fehler des Gegners, die wir glücklich nutzen konnten. Mögen die Spiele zunehmend körperbetont geführt werden, so müssen wir auch feststellen, derzeit nicht über ausreichend spielerische Mittel zu verfügen, um einen Gegner längere Strecken fußballerisch zu dominieren. Nach vorne fehlt uns Durchschlagskraft, im Spielaufbau Ballsicherheit und Präzision. In vielen Spielsituationen kommen wir immer noch einen Schritt zu spät. Das hat einerseits konditionelle und athletische Gründe, andererseits ist der Kopf bei vielen noch nicht auf Betriebstemperatur. Wir sind weit entfernt von einem guten Verbandsliga-Niveau.

Gleichwohl ließen wir uns nicht verunsichern und brachen weder mental, noch physisch zusammen, sondern hielten den Vorsprung bravourös über die Zeit, auch Dank der großartigen Leistung unseres Keepers, der auf der Linie alles parierte, was sonst direkt ins Tor gegangen wäre.

Am Tag darauf sah das Spielerische zumindest in einer zehnminütigen Phase der zweiten Hälfte schon deutlich besser aus. So gelang es uns, den 1:2-Rückstand zur Pause zu egalisieren und sogar mit einem sehenswert heraus gespielten Treffer in Führung zu gehen.

Die ein Jahr jüngeren Spieler von Zehlendorf wirkten in allen Belangen gleichwertig, sie zeigten einen tollen Fußball, leidenschaftlich aufgezogen und absolut fair zu Ende gespielt. Und so blieb auch für das genießerische Auge weit mehr übrig als am leicht überhitzten Vortag.

Dass es für die Jüngeren nicht für ein Unentschieden reichte, lag erneut an unserem Keeper, der kurz vor Abpfiff einen Strafstoß samt Nachschuss parierte. Verdient hätten die Zehlendorfer diesen dritten Treffer allemal.

So stellen wir fest, noch sehr viel Luft nach oben zu haben, gerade weil uns die Luft am Boden leider zu schnell ausgeht.

[Testspiele / 22. u. 23. August 2020]


***

FC WIlmersdorf - AMA
0:2 (0:2)
(1 x Albion, 1 x Arda)
Es spielten: Samy, Blerton, Albion, Nuri, John, Feris, Luca, Levin, Arda, Femi


AMA - Hertha 03 U12
3:2 (1:2)
(3 x Femi)
Es spielten: Samy, Blerton, Albion, Nuri, John, Feris, Luca, Levin, Arda, Femi, Noah, Kolja



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TABELLE ANSCHAUEN
EINBLENDEN / AUSBLENDEN