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AMA / C1
SAISON 2022 / 2023

Lindener Spezial

Leistungsvergleich vs Berolina Stralau & Nordberliner SC

0:0, 0:0; 2:0, 3:0

Sechs Wochen im Sommer können die Welt verändern, mit einem Mal ist nichts mehr, wie es war. Oder es ist eben so, wie es zuvor noch nicht deutlich genug war. Jeder hat so seine Jahre, die wie nächtliche Leuchtfeuer an der Küste des Lebens lodern. Sie schreiben sich ein, markieren Wendepunkte und sind in der Dunkelheit extrem gut zu sehen, viel besser als alle anderen Jahre, die man aus der Entfernung nur noch vage erkennt.

Nach sechs Wochen Abstinenz vom Fußball vermisse ich ihn meistens null. Die Droge ist raus! Es ist nett, ein bisschen zu zocken, zu jonglieren oder in einer freien Minute im Zimmer den Fuß nach einem Ball auszustrecken, um ihn ein bisschen um das Standbein tänzeln zu lassen. Aber komplett lebenserfüllend ist der Fußball nun einmal nicht, jedenfalls nicht für mich und schon gar nicht in einem Jahr wie diesem.

Wenn er dann aber wieder losgeht, kommt die gute alte Spannungs-Hybris schnell zurück. Auf der einen Seite diese ungeheure Lust und die Leidenschaft für den Sport und das schöne Spiel, das man ebenso intensiv und ausdauernd einüben kann wie andere ihr Buch oder das Konto ihres Lebens pflegen und füllen. Auf der anderen Seite die mit dem Anschieben ebenfalls prompt aufkommenden und jede Motivation schnell zersetzenden Gegenkräfte: Organisation von Team, Material und Testspielen, mehrfach zu erklärende und wegen Unvollständigkeit zurückzugebende Anmeldeformulare, unerklärliche Verluste von Bällen oder Trikots, personelle Absagen, bevor überhaupt ein individuelles oder gar gemeinschaftliches Trainingsniveau erreicht ist, im Grunde die ganze unsichtbare sperrige Staffage um das schöne, noch gar nicht betretene grüne Spielfeld herum.

Kurzum dann die alljährliche Frage: Warum tue ich mir das an?

Na ja, die Frage ist leicht zu beantworten: Um zu lernen, all diese nebensächlichen, aber notwendigen Dinge möglichst leidenschaftslos wahrzunehmen, zu erledigen und mich von ihnen nicht weiter beeindrucken zu lassen, um einfach direkt zum Wesentlichen überzugehen, sprich dem kompletten Team freudig offen mitzuteilen, was man von ihm erwartet und was es, wenn es sich seiner Tugenden besinnt, von der Saison zurückerwarten darf. Alles andere fällt unter die Kategorie Nebenkostenabrechnung.

Das mag ein bisschen nach Abnutzungserscheinung klingen, ist aber lediglich gereifte Effizienz. Mehr denn je stehe ich für das Prinzip: Wer nicht will, der hat schon!

Und was will ich so?

Erstens will ich diesen Blog noch ein bisschen weiter (be)treiben, wenn auch nicht immer nur vordergründig hintergründig, sondern zur eigenen Erfrischung auch mal betont untergärig, und dies freilich auch nicht für irgendwen oder irgendwas, außer freilich zum Zwecke der eigenen Erbauung und unter der Prämisse einer privaten Langzeitdokumentation, wobei das Dokumentarische eher zwischen den oder jenseits der Zeilen zu finden sein dürfte als in den Zeilen selbst. Zu oft wiederholt sich leider das immer Gleiche, als dass die fußballerische Innovation in den Text springen dürfte, es geht immer wieder nur um all die hinlänglich bekannten Phänomene und Varianten des schönen und manchmal so bitter dummen Spiels mit all seinen detailreichen menschlichen und gesellschaftlichen Abgründen, Ausprägungen und Spiegelbildern.

So ist der Blog für mich eher zu einem alternativen Trainingsort geworden, an dem ich freiwillig ein paar Extraübungen absolviere und schräge nichtakademische Sprachgymnastiken teste, denn wer nicht regelmäßig für die eine oder an der anderen Öffentlichkeit vorbei schreibt, der kann auch nicht gut vor das ganz große Publikum treten. Wer aber wirksam reüssieren will, der muss täglich üben, erst dann kommt hier und da ein brauchbarer oder halbwegs garer Satz und Torschuss heraus. Wiederum ist dieser Trainingsplatz zwar öffentlich, aber derart entlegen und unzugänglich angelegt, dass selten jemand zum Zuschauen vorbei kommt, was ich wiederum in keinster Weise bedauere. Selbst zur Allianzarena schafft es wohl kaum jemand - und wenn dann nur ein Spezi wie Edmund Stoiber - in nur zehn Minuten!

Zweitens will ich in dieser Saison ein bisschen experimentieren und herausfinden, ob totaler Ballbesitz im Jugendfußball relativ schnell erlernt und im Wettkampf stetig perfektioniert werden kann? Kann sein, dass das Experiment noch schneller scheitert, als es mir einfiel, denn ich habe den Futbol Total lediglich aus einem Mangel an besseren Spielideen oder gar inhaltlichen Saisonzielen kurzerhand zum primären Topos erkoren. Besitz klingt zudem durchweg positiv, damit kann jeder etwas anfangen. Überhaupt finde ich es besser, irgendein beliebiges Ziel zu verfolgen, als ständig dem vermeintlich Besten oder im Augenblick Notwendigsten hinterher zu hecheln: Diese dauerhaft und nur vermeintlich professionelle Fokussierung und gleichzeitige Flickschusterei in allen Lebens- und Unternehmensbereichen hat uns gesellschaftlich und moralisch ja erst in diese fatale globale und geopolitische Situation gebracht. Mag Max Weber noch von dicken Brettern gesprochen haben, die man bohren muss, das war völlig okay zu seiner Zeit. So denke ich aber mittlerweile, dass selbst die dicksten Bretter bereits so dermaßen durchlöchert sind, dass man sie zu nichts mehr gebrauchen kann.

Wir haben unser Weltbrett wie die Termiten durchlöchert, allerdings dafür einen wahnsinnig großen Aufwand an Naturwissenschaft und Forschung betrieben, wenngleich zugegebenermaßen die Ideen des Kolonialismus und des freien Marktes für sich schon ein ziemlich guter Bohrstift waren!

Ich nehme es den großen Lenkern und Staatsmenschen der letzten zehn Jahrhunderte auch nicht sonderlich krumm, dass sie es im wiederholten Eifer ihres kontinuierlichen Machtstrebens zu nichts Besserem als einen nun über uns hereinbrechenden Klimawandel gebracht haben. Sie waren halt doch nicht so helle wie uns die Geschichtsbücher wissen lassen wollen. Freilich würde ich sie gerne allesamt einmal zu einem Training von mir einladen, um sie mit den simpelsten Methoden des actio est reactio vertraut zu machen und ihnen zu demonstrieren, dass sie im Grunde nichts von der Welt des schönen Spiels verstanden haben und besser mal ganz leise sind, bevor sie irgendjemanden durch ihr Tun und Lassen ein positives Lebensbeispiel geben möchten.

Es gibt sicherlich unzählig viele schlaue und weitaus intelligentere Menschen als mich, aber das hat der Welt leider auch nichts genützt. Und ich denke mal, dass selbst ich als Spitzenreiter der Bescheidenheit und Genügsamkeit immer noch einen wahnsinnig großen Fußabdruck des Verschwenderischen und Bequemen auf der Erde hinterlassen werde, auch wenn mein kleiner demnächst aussterbender Mini-Saurier-Fuß in fernen Jahrtausenden keinerlei signifikante Spur mehr aufweisen dürfte. Aber selbst der riesige und scharf gescheitelte Plattfuß von T-Rex Christian Wolfgang (sic!) Lindner dürfte im Wesentlichen nicht von besonderer Güte, Qualität oder nachhaltiger Signifikanz sein. Der Ausspruch von der Gratismentalität (ausgerechnet er!) hat jedoch ziemlich tiefe Furchen in mein sommerliches Selbstbild als Ehrenamtler gerissen, zumal ich noch nie eine staatliche Prämie dafür erhalten habe, noch nie ein Auto oder einen Geschirrspüler besessen und betrieben zu haben, stattdessen seit jeher zwei Beine zum Radeln und zwei Hände zum Spülen verwende. Ich bin es diesem kühnen Redner der Anti-Kollektivbequemlichkeit ja nicht einmal wert, für ein paar Rentenpunkte nominiert zu werden. Stattdessen wirft er sich bierselig und vollmundig der konventionellen Flächensubvention der immer gleichen Viel- und Champustrinker in die Arme.

Nun, ich komme ursprünglich aus der Gegend von Hannover, in dessen Arsch-der-Welt-Umgebung (Harald Schmidt) vorzugsweise auf dem Bau ein untergäriges, goldgelbes Bier getrunken wurde, das mittlerweile ob seines eigentümlichen und ungenießbaren Geschmacks wahrscheinlich sogar Kultstatus genießt. Berühmt auch für seine gedrungen-schlanke Flaschenform, werde ich in Zukunft jeden Auftritt des schnieken Nackenhaar transplantierten Finanzministers mit diesem süßen Sommermotiv einer goldbelb gefüllten Edelbierflasche assoziieren und überblenden! Von wegen Trapper-"Flasche leer!"

Drittens will ich die Sache gut bis zu ihrem Ende begleiten. Mein Ziel ist es, einen Jahrgang einmal komplett durch die Jugend zu führen, was schon übermäßig anmaßend und egoistisch daherkommt und annähernd so engstirnig und grob aufwartet wie jede Form von Staatsdespotismus. Deswegen: es würde mir auch nichts ausmachen, wenn man mich morgen stürzte und durch eine andere Marionette ersetzte, ich muss das so deutlich sagen, denn in diesem Geflecht aus künstlichen Fäden und fadenscheinigen Kulissen wird selbst die dunkelste Nacht zum hellsten Ort der Weisheit. Es gibt keine Garantie darauf, dass etwas gut ausgeht, nur darauf, dass es ausgeht! Dies wiederum sollte Ansporn genug sein, das maximal Beste und Mögliche aus dem Unmöglichen des Möglichen herauszuholen. Das ist jedenfalls meine Meinung, auch wenn ich weiß, dass die wenigsten, die diesem utopische Ideal heftig nickend zustimmen, auch dananch leben würden oder es gar leben könnten.

Ich nehme an, ich bin ein ziemlich großartiger Pessimist, da ich gelernt habe, dass durch die negative Antizipation unterm Strich immer ein kleiner gütlicher Rest (Hoffnung) übrig bleibt. Aber irgendwann ist natürlich der Krug, der täglich zum Brunnen geht, tatsächlich hinüber und muss durch einen neuen ersetzt werden. Es sei denn, es ist gar kein Brunnenwasser mehr da, wovon ich als erfahrener und langjähriger Pessimist für die nähere und mittlere Zukunft schwer ausgehe.

Wer sich jetzt freilich noch über Gasmangel und erhöhte Spaghettipreise aufregt, hat den Schuss, mit dem wir uns vor geraumer Zeit selbst gekillt haben, immer noch nicht gehört, was wiederum in der Natur der Sache liegt.

Zwei Unentschieden und zwei kleine Siege sind daher ein traumhafter Anfang für diese neue Saison des Immer-weiter-so, auch wenn es einen einzelnen Fuß leider schon schwer erwischt hat. Aber für diesen und für alle anderen machen wir uns nun besonders stark.

In diesem Sinne: Kopf hoch, AMAS – wird schon!

[LV / Sa. 20. August 2022]


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2x unentschieden, 2x gewonnen

Es spielten: Djamal, Bela, John, Levin, Noah, Hasan, Julius, Felix, Levi, Jaden, Luca, Jonas, Cem, Efe, Moritz.


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