AMA E1 - AMA D2
2 : 8
Nur ein einziges Testspiel ließ ich auf diesen Seiten bislang aus, wahrscheinlich weil es mir nicht offiziell genug vorkam. Seltsamerweise denke ich oft an dieses Spiel vom Anfang der Saison gegen den 2008er-Kader von ehemals FC Kreuzberg, nun Hansa 07 zurück - eben weil es eine Leerstelle in diesem Projekt einnimmt, aber natürlich auch, weil es ein gutes Spiel mit guten Spielern auf beiden Seiten war. Es ist, als hätte ich durch seine Unterschlagung das ganze Projekt verfälscht. Das Spiel fehlt in der Gesamtanordnung, es ist unter den Tisch gefallen.
Natürlich habe ich mir mit dem ehrenwerten Vorhaben, jedes Spiel, das wir bestreiten, auf der sprachlichen Ebene Revue passieren zu lassen, ein ziemlich anspruchsvolles und Zeit raubendes Ei ins Nest gelegt. Gelegentlich gehen mir schon mal die Worte und Bilder aus, auch finde ich immer schlechter hinein ins Spiel nach dem Spiel, weil sich im Fußball eben auch vieles wiederholt. Die Sätze sitzen nicht immer gleich nach dem Abpfiff, beim Vorantreiben der Gedanken bleibe ich immer häufiger an einer stumpfen Abwehrkette des Gewohnten hängen.
Wenn der Spielwitz nicht so recht aufkommen will, hole ich mir Ratschlag bei Norbert Elgert, einem berühmten Schalker Nachwuchstrainer, der seinen Knappen einmal sagte: "Ihr müsst geduldig ungeduldig sein!" Der Satz gilt beim Fußball so gut wie beim Schreiben. Die Geduld ist ja nichts anderes als der unnachgiebige Versuch, eine Sache ins Ziel zu bringen. Man darf nicht aufgeben, egal wie schlecht es gerade läuft. Beharrlich bleiben und lauern, irgendwann gelingt der Pass in die Tiefe.
Die Ungeduld kommt dabei als besonderes Angriffsmittel ins Spiel, sie wird zu einer Art angewandten Attacke. Im Fußball ist sie das Moment der Plötzlichkeit, des konzentrierten Mutes zur spontanen Offensive, eine gut vorbereitete, aber nicht überstürzte Entschlossenheit. Beim Schreiben stellt sich diese Offensive wiederum als etwas ganz anderes dar, wenngleich sie genauso entschlossen auftreten muss. Wenn beim Schreiben ein Text nicht gelingt, muss man irgendwann streichen und löschen! Ganze Absätze, manchmal sogar das komplette Fragment. Es tut weh, ist aber unerlässlich, wenn es insgesamt noch etwas werden soll.
Ich bin mir ohnehin mittlerweile ziemlich sicher, dass beide - die Lust zu schreiben und die Lust Fußball zu spielen - ungemein viel gemeinsam haben. Beide Spielformen unterscheiden sich lediglich in der Anwendung der erlernten Fähigkeiten. Der eine weiß, wie er den Ball richtig annehmen muss, der andere, wie er am besten einen wirkungsvollen Satz kreiert.
Natürlich vollziehen sich Fußball und Schreiben bei höchst unterschiedlichen Herzfrequenzen. Aber der spürbare Unterschied schrumpft zumindest für den Schreibenden während des Aktes marginal zusammen, denn für beide Spiel- und Ausdrucksformen gilt ein ungemein hohes Maß an Konzentration und Wachsamkeit, das in jeder Phase des Spiels benötigt wird. Allerdings würde ich behaupten, dass es durchaus nützlich ist, in seinem Leben schon einmal richtig Sport betrieben zu haben, wenn man den Herzschlagvergleich nachvollziehen möchte. Denn ein Herz höher schlagen zu lassen, mag eine gültige Metapher für viele Gefühlsregungen sein, fühlt sich im Sport aber doch ziemlich originär an, um nicht zu sagen: viel heftiger!
So gibt es auch große Unterschiede zwischen beiden Systemen. Ein Fußballspiel entscheidet sich im Nu, es kann nicht korrigiert werden, allenfalls wird ein Spielstand durch den Spielverlauf umgebogen. Im Schreiben ist es ähnlich, aber hier steht das Mittel der Korrektur zur Verfügung. Anders gesagt, ein Text gewinnt immer dadurch, dass er überhaupt zustande kommt. Es sei denn, es wird ein schlechter oder mäßiger Text. Das Spiel des Textes vollzieht sich dabei in Schleifen, in Stufen oder Arbeitsschritten, auch wenn der reine Akt der Niederschrift meist linear verläuft. So kann ein schlechter Text durch Nachbearbeitung meist zu einem guten Text umgebogen werden. Mit anderen Worten, eine Niederlage beim Schreiben gibt es nur in Gestalt eines vollständigen Scheiterns, einem kompletten Ausbleiben des Textes. Wobei solch einem Text unterstellt werden könnte, er hätte zumindest erkannt, dass er zu nichts taugt. Von vielen mäßigen Texten, die dennoch veröffentlich werden, kann man dies nicht unbedingt behaupten.
Das bewusste Auslassen eines Textes, ob gescheitert oder nicht, kann durch einen nachträglichen Handgriff zumindest teilweise revidiert und wie hier durch schlichte Nennung ins Projekt hinein geholt werden. In einem Langzeit-Projekt sind ohnehin ganz andere Faktoren wesentlich, die über das Ergebnis der jeweiligen Spiele weit hinaus reichen. An ein Spiel zu erinnern, das noch nicht beschrieben wurde, ist dann wie das Heraufholen und nachträgliche Beschreiben eben dieses Spiels. Im Fußball würde man dabei von einer besonderen Offensivvariante, dem Spiel über den Dritten, sprechen. Wie auch immer, der Spieltag dieses Wochenendes gehörte wie beim Testspiel gegen Hansa am Anfang der Saison einer besonderen internen Versuchsanordnung. Wir wollten sehen, wie wir uns unter Wettkampfbedingungen gegen unsere D2 schlagen würden.
Auch wenn der ein Jahr ältere Jahrgang, wie ihr Trainer ankündigte, mit dem "zweiten Anzug" auflief, schienen beide Teams den Test durchaus ernst zu nehmen. Für uns war es interessant zu sehen, wie sich unser Team auf der erweiterten Feldgröße und im neuen Spielsystem schlagen würde. Selbst wenn am Ende ein Ergebnis zustande kam, das nicht unbedingt die wahren Kräfteverhältnisse auf dem Platz beschreibt, so müssen wir doch zugeben, dass uns in der zweiten Halbzeit zwischenzeitig die Luft und Konzentration komplett ausgingen. Eine zehn minütige Phase reichte, um das Ergebnis gegen uns in die Höhe zu schrauben. Die vier bis fünf Treffer, die in dieser Zeit schnell hintereinander fielen, machten deutlich, wo unsere mentalen und körperlichen Grenzen liegen. Davor und danach zeigten wir durchaus ein sehr couragiertes und fußballerisch gefälliges Spiel. Nach Eckbällen, vergebenen Torchancen und erzwungenen Torabstößen lagen wir sogar vorne.
Nur vor dem Tor und teilweise im defensiven Zentrum fehlte uns erneut die Kaltschnäuzigkeit, der Überblick und die Präzision. Dennoch! Wir können sehr zufrieden sein mit dem Test, denn wir hielten eine Halbzeit lang mehr als respektabel mit und ließen zum Ende der zweiten durchaus durchblicken, dass wir nicht zu unterschätzen sind. Noch reicht es nicht, um auf Augenhöhe mitzuspielen, aber unter das Kinn der ein Jahr Älteren können wir schon sehr gut springen!
[Testspiel / 14. Oktober 2018]