AMA D2 - NFC Rotweiß D1
5 : 3
Eine von mir in diesen Tagen bevorzugt aufgerufene Website ist die des Regenradars. Man erkennt recht präzise heranstürmende Regenfelder auf einer bis knapp über Europa hinausreichenden Landkarte. Bis vor kurzem genügte es mir, einen vorausschauenden Blick bis maximal Köln oder Hamburg zu werfen. Mittlerweile ziehe ich den Ausschnitt größer und blicke gern weit über den Rand des Kontinents hinaus. Ich bedaure, dass die Karte nicht bis nach Grönland reicht, denn ich meine erkannt zu haben, dass der Atlantik eine ungemein aktive Schaufeltätigkeit feister dunkelblauer Regentiefs aufgenommen hat.
Nichts gegen Fußball im Regen, wenn man selbst aktiver Kicker ist. Das kratzt einen so wenig wie ein offen stehen gelassenes Duschgel in der Dusche. Aber am Spielfeldrand als Trainer oder Zuschauer länger als eine Stunde im dauernden Februar-Nass stehen zu müssen und seinen Füßen beim langsamen Erfrieren beizuwohnen, ist nicht gerade angenehm. Abgesehen davon wird bei unbeständigen meteorologischen Verhältnissen jedes angesetzte Training zu einer Art Tageswette. Reicht die kleine Lücke im dunkelblau herannahenden Farbteppich über den Niederlanden für ein halbwegs trockenes Stündchen Freiluft-Training am Berliner Nachmittag? Lassen sich wieder ein paar Spielereltern von den Drohungen des Himmels beeindrucken?
Kaum haben wir die Hallensaison für beendet erklärt, bringt uns das Wetter also in Bredouille. Ich habe mir angewöhnt, das Wetter nicht mehr als etwas zu betrachten, das mit Regelmäßigkeit und einem uns Menschen zugewandten Gleichmaß zu tun hat. Das Wetter ist für mich zu einem potentiellen universalen Antagonisten geworden, was ich absolut sehr bedaure, denn ich mag oder mochte Wetter früher in jeder Art und Weise, ja, ich fühlte mich ihm mehr als verbunden.
Früher gab es die politische Blockbildung zwischen Ost und West, die als Richtschnur der Bedrohungslage für eine akute Achsenbildung sorgte. Mittlerweile ist diese Grenzlinie in die Senkrechte gekippt. Um einen herum marodieren unzählige Haufen moralisch degenerierter Populisten und fisseliger Altkleiderdenker. Und darüber schwelt wütend die heraufziehende Rache des Himmels, der nun endlich genug hat vom Ungemach unserer energieintensiven, unreflektierten, ach so aufgeklärten Lebensweise.
Manchmal, wenn ich einen Beitrag über die Ausrottung der indigenen Völker Amerikas sehe, denke ich, dass die Rache des Himmels an uns alten Eroberern auch mit dieser traurigen Episode der Zivilisationsgeschichte zu tun hat. Freilich beruht diese Annahme auf einer Art adaptierten magischen Denkens. Vielmehr zwingt uns der Himmel zu einem neuen mentalen und aktiven Verhältnis zwischen Draußen und Drinnen, Gegenwart und Zukunft. Ein paar Jahrzehnte litt er an uns, nun leiden wir an ihm. Auf die vermeintlichen Erfolge der Vergangenheit und all unsere lieb gewonnenen Gewohnheiten können wir nichts mehr geben. Kein politischer Geistertanz der Welt wird uns die alten Bisonherden eines uns gewogenen Klimas zurückgeben. Die neue Unbeständigkeit wird zur fatalen Konstante. Wir haben unsere eigene Existenzgrundlage geopfert auf dem Altar eines für das Allumfassende blinden Fortschritts.
Klingt übertrieben? Wartet es nur ab!
Bis dahin gilt es allerdings, unsere komfortable Tabellenposition der Herbstmeisterschaft zu verteidigen und die einmalige Chance beim Schopf zu packen, mit diesem unglaublich begabten, leider selber etwas unbeständigen, reiselustigen Jahrgang ein kleines Wunder zu vollbringen. Nämlich eine Rückrunde zu spielen, die uns noch stärker zusammen bringt, egal welche übermächtigen Erschütterungen des Himmels wir auch erleiden müssen. Denn wenn schon die Welt untergeht, dann wollen wir bis dahin wenigstens einmal Berliner Fußballmeister des 2008er Jahrgangs geworden sein. Allerdings wird dieser Titel offiziell nicht zwischen den beiden Staffelsiegern ermittelt. Auch da müssten wir uns also ans Improvisieren gewöhnen!
Das Freundschaftsspiel gegen die D1 von NFC Rotweiß brachte uns zumindest schon einmal die Gewissheit, dass wir noch einige Trainingseinheiten von unserem hehren Ziel entfernt sind. Was da an Chancen versemmelt und erneut an technischen Unzulänglichkeiten präsentiert wurde, geht auf keine Bisonhaut mehr.
Wieder einmal legten wir den Beweis vor, dass man durch die eigene Idiotie den anderen besser macht, als er in Wahrheit womöglich ist. Die Rotweißen legten durchaus eine robuste und offensiv ausgerichtete Spielkultur an den Tag und gingen nicht unverdient durch zwei präzise ausgeführte Aktionen in der ersten Halbzeit in Führung. Wir dagegen erarbeiteten uns zwar mehrere gute Gelegenheiten, um das Spiel zu drehen, blieben aber vor dem Tor in erschreckender Weise inkonsequent, ja, beinahe schon harmlos. Allerbeste Zuspiele aus der Tiefe des Mittelfeldes wurden regelrecht verstolpert oder kamen für den Angespielten scheinbar so überraschend, dass er den Ball nicht sauber und klug verwerten konnte.
Generell wurde die Devise, Ball und Gegner noch deutlicher laufen zu lassen als üblich, nicht von allen Spielern gleich intensiv und konzentriert umgesetzt, was insbesondere in der ersten Halbzeit dazu führte, dass die Binnenchemie des Aufbauspiels ziemlich unausgeglichen wirkte. Erst in der zweiten Halbzeit besserte sich das gemeinsame zielorientierte Agieren auf dem Platz, weshalb wir nach dem verdienten Ausgleich deutlich mehr Übergewicht im Mittelfeld erzeugten und schließlich unsere Torchancen auch in Treffer umwandeln konnten.
Ohne den beherzten spontanen Einsatz unseres Interimsschiedsrichters, der zweifelsfrei einen anderen, ruhigeren und zwischenmenschlich weniger nasskalten Vormittag verdient gehabt hätte, wäre das Spiel ohnehin in eine ganz andere Ecke des Ungemütlichen gelandet. So ebnete auch sein umsichtiges Wirken letztlich den Weg zu einem halbwegs versöhnlichen, nicht uninteressanten Aufeinandertreffen zweier Kiezclubs. Gleichwohl war der Trainingsrückstand einiger unserer Spieler klar zu erkennen, und auch auf der Ebene der mentalen Spielintelligenz und intrinsischen Motivation wurden erneut Defizite sichtbar. Da wartet noch ein schönes Schenkelstück Trainingsarbeit und mental-individuelles Gerben und Salzen auf uns.
Nun ja, egal wie es laufen wird in dieser Rückrunde, eines ist klar, auf das Wetter werden wir uns nicht herausreden können!
[Freundschaftsspiel gegen NFC Rotweiss D1 / So. 23. Februar 2020]