SV EMpor U12 - AMA U12
3 : 8
Was bleibt von diesem Treffen mit einem spielerisch deutlich verbesserten SV Empor an einem erstaunlich warmen Herbstsonntag im späten Oktober? Zunächst einmal die Einsicht, dass wir wieder einmal mit schmalem Kader gewissermaßen mit letzter Kraft gegen herbstliche Reiselust und Kurzkrankheiten zu einem Ferienspiel antreten mussten. Dann aber auch die durchaus zufrieden stellende Gewissheit, selbst mit den verbliebenen neun Spielern sehr gut über die Runden gekommen zu sein.
Ein wenig Schützenhilfe bekamen wir von einem älteren Geschwisterkind aus der D1, das zufällig Schuhe und Schienbeinschoner dabei hatte und uns somit bei den 3 x 30 Minuten weiterhelfen konnte. Andernfalls wären uns die Kräfte doch irgendwann ausgegangen. Viel Spielzeit benötigte der große Bruder nicht, um wirkungsvoll zu helfen, denn das, was er tat, war so effizient und präzise, dass uns darüber erneut bewusst wurde, wie gut wir noch einen spielstarken Spieler im Mittelfeld gebrauchen könnten. Kein Witz!
Allerdings kann man nicht immer alles haben. Und so wurde neben dem ganz ansehnlichen Spiel ein weiteres Thema thematisch. Nämlich die schwierige Frage nach der Einstellung respektive der Fähigkeit von Spielern, Kritik nicht als Angriff auf die eigene Persönlichkeit zu werten, sondern als Ausgangspunkt eines Lernprozesses, mithin als Chance, sich dezidiert zu verbessern. Eine direkte Ansprache in der ersten Pause schien da durchaus ihre erste kleine Wirkung zu erzielen, denn sowohl Spielweise als auch Einstellung zeigten sich bei den Angesprochenen prompt verbessert.
Es ist und bleibt eines der wichtigsten und schwierigsten Themen im Ausbildungsfußball überhaupt, denn die Frage nach der Kritikfähigkeit zielt vor allem auf den mentalen Anteil am Lernprozess eines Spielers ab. Was, von dem, was man einem Spieler sagt, bleibt eigentlich wie bei ihm hängen? Wie kommt man am besten an sein Verständnis heran, wo verläuft die individuelle Grenze der individuellen Auffassungsgabe? Schließlich: Wie können theoretische Einsichten in konkrete fußballerische Handlungen umgewandelt werden? Letztlich geht es ja darum, den Ball nicht nur im Kopf ins gegnerische Tor zu expedieren. Einen Spielzug lediglich zu denken oder zu verstehen, kann man getrost den Kommentatoren überlassen.
Zum Glück gibt es zu diesem unerschöpflichen Themenkomplex keine Patentrezepte, sonst würde die ganze Welt aus Spitzenteams und Spitzensportlern bestehen. Auch das Thema Disziplin und Leistungsbereitschaft gehört in diesen Bereich. Die einen Trainer lassen sich mittlerweile von den 11jährigen Spielern siezen, um eine gewisse Grundordnung und formale Disziplin in ihren Teams herzustellen und dann effizient an den Stellschrauben der Motivation und Optimierung zu drehen. Andere versuchen es weiterhin mit der kumpelhaften Ansprache und einer sehr individuellen Form der Vermittlung. Ich bevorzuge eine Mischung aus Anspruch, Ehrlichkeit, Authentizität und komplexen Spielformen, um den Spielern meine Idee von Fußball zu veranschaulichen, wenngleich ich mich oft genug dabei ertappe, relativ ahnungslos in Bezug auf tiefenpsychologische Verhaltensmuster zu sein. Am erstaunlichsten finde ich solche Phänomene des individuellen Spielerwerbs, die ganz offensichtlich eher aus einer Art von Unterbewusstsein des Trainings stammen. Fähigkeiten, die plötzlich da sind, obwohl sie gar nicht direkt angesprochen wurden.
Was wir insgesamt erreichen wollen, ist, eine Mannschaft zu bilden, die sich in jedem Moment ihres Zusammenseins als Mannschaft fühlt und erkennt und in der jeder Spieler weiß, was er an dieser Mannschaft und der Teilhabe an ihr hat. Denn dann wird er höchstwahrscheinlich auch sein Bestes für den Sport (und seine Mitspieler) geben, und dies scheint mir immer noch die günstigste Voraussetzung für einen individuellen Lernprozess zu sein. Gelingt es nicht, dieses besondere Bewusstsein bei jedem Spieler zu wecken und zu pflegen, kann man immer noch sagen: War wohl der falsche Ansatz, was soll`s, das Leben geht weiter, nächstes Mal eben nach einer anderen Methode! Mit den meisten Spielern lässt sich jedoch auf diese Weise sehr gut umgehen, insbesondere wenn der Charakter stimmt.
Natürlich soll der Fußball vor allem Freizeiterfüllung und Spaß sein, wenngleich mancher dem Sport durchaus jetzt schon weit mehr existentielle Bedeutung beimisst. Das Problem ist folgendes: Je höher und ambitionierter Fußball gespielt wird, desto deutlicher wird der ursprüngliche Antrieb auf eine weit anspruchsvollere Ebene gehoben. An die zwanglose Stelle tritt nicht selten ein extrem hohes Zeit- und Leistungsbudget, das aufzubringen ist, um sich im Sport zu verwirklichen. Wir befinden uns mittlerweile in einem Bereich, in dem der Übergang vom sporadischen Freizeitvergnügen hin zur primären Freizeitgestaltung längst vollzogen ist. Zwar sind wir im Vergleich zu anderen Teams noch relativ moderat und gelassen eingestellt. Aber insgesamt würde ich schon sagen, dass wir das Maß durchschnittlichen Engagements deutlich überschritten haben. Gleichwohl sollte niemand vergessen, dass es in dieser Altersklasse nicht darum geht, spätere Profis zu kreieren. Nicht jeder der zur Schule geht, wird später ein Nobelpreisträger.
Wenn wir auf dem erreichten Niveau erfolgreich weiter agieren wollen, kommt es für uns vor allem auf den Zusammenhalt an. Freilich haben wir keinerlei Garantien darauf, dass wir nicht doch aufgrund bestimmter Interessen irgendwann einmal komplett auseinander fallen. Die Verlockungen des noch Größeren und Bedeutsameren sind nun einmal allgegenwärtig. Ich empfehle jedem Einzelnen ausreichend Weitblick und Bedachtsamkeit.
Im Grunde befinden wir uns in einer ähnlichen, wenn auch viel undramatischeren Situation wie die Menschheit, deren Zukunft angesichts des Klimaumbruchs völlig ungewiss ist. Schon eine kleine wesentliche Veränderung, könnte das globale System zum Kippen bringen. Freilich wird die Menschheit dann nicht so gelassen reagieren können wir wir, sollte der Ansatz scheitern.
Nun ja, einen Vorteil muss es ja haben, seine Freizeit komplett in den Fußball zu stecken.
[Testspiel / So. 20. Oktober 2019]