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AMA / F1
SAISON 2016 / 2017

Kicken

Samstags in der Rosa Parks

6 x 12 Min.

Während eines Spiels schaue ich meist nur nach vorn: auf den nächsten Spielzug, die nächste Angriffswelle, die köstliche Zeit, die bis zum Spielende übrig bleibt. Wenn mich die Kinder während eines Trainingsspiels fragen, wie es steht, muss ich meistens passen. Ich vergesse den Spielstand beim Blick ins Innere des komplexen Geflechts aus kleinen, miteinander verknüpften Bewegungen.

„Wem das Ergebnis wichtig ist, soll es sich besser selber merken!“, antworte ich aus Verlegenheit. Manchmal würde ich es selber gerne wissen, aber ich achte eben nicht darauf. Die Frage fällt ohnehin immer erst spät, wenn der Spielstand längst in exorbitante Höhen enteilt ist.

Für mich ist das gefühlte Spiel, der innere Film, den ich beim Zuschauen oder Mitspielen erlebe, viel wichtiger als das numerische Ergebnis. Haben wir gut gespielt, haben wir viel miteinander kombiniert, was lief nicht so gut? Das sind die Fragen, die mich im Kontext und am Ende eines Spiels beschäftigen. Auch eine schlechte Leistung wirft neue Denkmasse in die Runde, über die nachzudenken auf eigenwillige Weise belebt: Nach dem Spiel ist noch ein Spiel.

Das gefühlte Spiel beschreibt für mich den Sinn des Spiels überhaupt. Das Ergebnis ist nur dessen symbolische Verkürzung. Wenn der FC Bayern München in der siebten Minute der Nachspielzeit im Berliner Olympiastadion den Ausgleich erzielt, dann spiegelt das Ergebnis den Spielverlauf nur unzureichend wider. Leider ist das Ergebnis von größerer Bedeutung, denn die Tabelle wird nach ihm berechnet. Es gibt einen prekären menschlichen Hang zur zwanghaften Verwertung von flüchtigen und sich selbst genügenden Ereignissen. Beim Kicken gibt es keine Tabelle, es gibt nur das Spiel. Eine einmalige Zeit ohne Vergangenheit und Zukunft, ohne Aufstieg und Abstieg. Reine Gegenwart, unmittelbares Erleben. Was will man mehr?

Ich will nicht behaupten, dass man während des Kickens nicht das Gefühl von Sieg oder Niederlage verspürt oder nicht verspüren sollte. Und wie man es verspürt! Aber 10 Gegentreffer beim Kicken sind nichts im Vergleich zu einem Ausgleich in der 97. Spielminute. Kicken macht deshalb so großen Spaß, weil es einen anderen Rahmen stiftet, innerhalb dessen Fußball gespielt, erlebt, gelitten und genossen werden kann. Beim Kicken gehen keine dicken Fische ins Netz. Ergebnisse mögen Analysten, Spezialisten, Witschaftsunternehmen und dem FC Bayern etwas nützen, aber nicht dem Gemeinwohl. Je höher eine Spielklasse, desto dicker der Fisch, der ins Netz muss.

Kicken ist eher eine Art gemeinschaftliches Angeln. Man kommt mit anderen zusammen und spielt gemeinsam eine Runde Fußball, man freut sich, am Ende unverletzt geblieben zu sein, und geht gut gelaunt und mit einem sich anbahnenden Muskelkater wieder nach Hause. Das Ergebnis ist nebensächlich. Hauptsache jeder hatte seine kleinen Glücksmomente und war in Kontakt mit anderen.

Natürlich kann man auch schrecklich scheitern beim Kicken und missgelaunt vom Platz schlurfen, unzufrieden mit sich selbst, dem Fang oder dem Anglerglück der anderen, aber da fängt das große Missverständnis bereits an. Jede Niederlage tut weh, so oder so! Deshalb muss man nicht gleich ein Tor zerbeißen. Auch die Rolle des Verlierers ist im Grunde eine exquisite. Man kann aus ihr sogar als Gewinner hervorgehen.

Kicken ist Seelenmassage, sogar wenn nichts zusammen läuft. So oder so! Es gibt keinen Druck, es gibt keine negativen Folgen. Beim nächsten Mal klappt alles wieder besser. Es geht um gelebte und erlebte Zeit mit anderen. Beim Kicken kann man eine Menge lernen, nicht nur fürs Leben, auch über sich selbst .

[ROSA PARKS HALLE / SAMSTAG, 18. FEBRUAR 2017]


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6 x 12 Min.

Es kickten: Luca, Samy, Oskar, Levin, Kolja, Ion, Yaron, Jaden, Arturo, Ruben, Fynn, Julius T, Jaro, Benny, Pancho, Uli, Georg, Christopher, Massimo, Michael, Simon, Stephan

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