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AMA / E2
SAISON 2017 / 2018

Furiose Kaltstarter

Turnier Rixdorfer SV

1. Platz

Es dauerte ganze elf Sekunden, bis wir das erste Tor geschossen hatten. Zugegeben, wir hatten den Anstoß. Nach zehn Minuten stand es Sechs zu Null und wir verzeichneten zwei Hattricks. Herrliche Kombinationen, rauschhafte zehn Minuten Hallenfußball, das vierte von unseren sechs Spielen an diesem langen, stickigen Januar-Nachmittag war unser spektakulärstes.

Vier Siege, zwei Unentschieden, ganze vier Gegentreffer bei zwanzig geschossenen Toren. Leider ist der digitale Spielplan gleich nach dem Turnier gelöscht worden, so dass wir den Turniersieg nur als Ganzes in Erinnerung behalten, aber nicht mehr im Einzelnen studieren können. Das kommt davon, wenn man sich auf die Datenkrake verlässt, statt per Kugelschreiber brav alle Ergebnisse ins Tabellenblatt zu schreiben. Aber Ergebnisse sind ohnehin sekundär, es zählt die Erfahrung. In der nächsten Woche wird es anders zugehen, da erwartet uns ein solide durchgeplantes Hallenturnier mit Duellen auf Augenhöhe gegen spielstarke Mannschaften. Der Gegnerdruck wird höher sein.

Wenn man gewinnt, ist das Leben immer leicht und schön! Interessant wird es erst, wenn ein Erfolg wiederholt oder überhaupt erst eine beständige Form aufgebaut werden soll. Wenn es nur irgendwie geht, würde ich jedem Demut und Gelassenheit verschreiben, egal was passiert. Wir haben gute Voraussetzungen für eine spannende Hallen- und Rückrunde, ja für die Zukunft generell. Jeder Spieler kann sich individuell entwickeln, und die Mannschaft als solche wird ihre Spielkultur verfeinern. Erst recht, wenn wir wieder reguläre Trainingsbedingungen haben und den neuen Rasen des Züllichauers bewundern dürfen. Kleine Verschiebungen und Setzungen innerhalb des Teams wird es immer geben. Jeder durchläuft mal eine Phase, in der es nicht so gut läuft. Eine gute Mannschaft ist wie das Netz unter dem Trapez, in das jeder fallen kann, ohne Risiko. Ohne Training gelingen allerdings keine Saltos!

Ein gelungener Auftakt also. Allerdings gab es auf der Tribüne erneut einen Vorfall. Wie kann es sein, dass sich Erwachse beim Kinderfußball derart in die Wolle kriegen und ihren Konflikt mit körperlicher Gewalt austragen müssen? Sind hochkochende Emotionen Schuld? Oder liegt ein Mangel an Selbstbeherrschung bei falsch verstandenem Selbstbewusstsein vor? Schon mal was von Vorbildfunktion gehört?

Je länger ich darüber nachdenke, desto verlogener kommt mir vieles vor. Egal, wohin ich schaue, es gibt so gut wie keine überzeugenden Vorbilder mehr im großen Ganzen, sondern nur noch im Kleinen. Ja, wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, das ich selber ein ziemlicher Saubeutel bin, auch wenn ich nicht alle Nase lang jemanden gleich verprügeln will, nur weil sein Kind gerade meinen Sohn übel gefoult oder dumm beleidigt hat.

Ich bewundere Menschen, die einen Konflikt mit einem Lächeln, einem Satz oder einer schlichten Geste entschärfen können. Sie sind für mich Helden und Vorbilder, oft sind es Frauen. Leider bin ich keiner von den rhetorischen Blitzableitern, an denen jegliche Aggression wie ein Luftballon weich abprallt. Im Gegenteil, ich kann unglaublich wütend werden, wenn sich jemand zu viel raus nimmt oder mir eine Sache maßlos ungerecht vorkommt. Es ist ganz gut, dass ich keinen Tomahawk am Gürtel trage oder gar Auto fahre, auch wenn ich gerne einmal mit einem Sack Kartoffeln durch die nächtlichen Straßen ziehen würde, um allzu dicke Auspuffrohre heimlich zu verpommen.

Im Grunde bin ich fortschrittskritisch, wahrscheinlich weil ich zu viel am Bildschirm sitze. Ich hätte nicht schlecht Lust, in einer Stadt zu leben, in der es keine Autos und keine Smartphones gibt. Ich glaube, es gäbe dort weit weniger Randale auf den Fußball-Tribünen und überhaupt weniger Gewalt im Alltag. Ich bin der festen Meinung, dass der Automobilwahnsinn der Deutschen eine posttraumatische Folge ihrer missglückten Großmachtbestrebungen darstellt. Seit Jahrhunderten fließt viel zu viel thermodynamische Negativenergie in unsere Zivilisation. Es ist eine Form von mobiler Überschussenergie, die sich letztlich körperlich und amoralisch entladen muss. Das Klima reagiert mit Überhitzung, der Mensch mit einem breiten Spektrum an Maßlosigkeit. Das Fahrrad ist zweifelsfrei eine weit progressivere Erfindung als das Automobil oder die Kernkraft.

Die allgemeine Beschleunigung des Lebens hat die Welt insgesamt zu einem leichter bewohnbaren, aber dadurch nicht unbedingt zu einem besseren oder gar innovativerem Ort gemacht. Zu glauben, unsere Zivilisation sei die am höchsten entwickelte, ist nur wie ein unbedeutender Turniersieg auf dem viel längeren Weg zur wahren Meisterschaft. Und was bedeutet schon Meisterschaft? Letztlich geht es um ein Können, eine Fertigkeit, eine Form der gelebten und gemeinschaftlichen Praxis. Wir bewundern herausragende sportliche Leistungen. Aber schon das kleinste Doping macht diese Leistung und damit unser Bewunderung zunichte.

Der Sport, sowohl der professionelle, als auch der Amateursport, ist ein Spiegel des Gesellschaftlichen. Im internationalen Fußballgeschäft herrscht die gleiche Gier vor wie bei den Konstrukteuren und Profiteuren von Steueroasen. Der Sport kann nicht losgelöst von den Abgründen des Gesellschaftlichen betrachtet werden. Er wurde einst erfunden, um Konflikte friedlich auszutragen und die Spirale der Blutrache durch ein Regelsystem, das alle akzeptierten, zu durchbrechen. Hat der Videobeweis den Fußball ehrlicher, fairer gemacht? Sind Eltern die besseren Fußballtrainer am Spielfeldrand? Der Sport war einmal ein Katalysator des Gesellschaftlichen, Kriegerischen. Mittlerweile ist er zum Motor des Korrupten und Machtbesessen geworden. Wie in der Kunst geht es im Sport nicht mehr um den Inhalt, sondern um die Wertanlage.

Noch in der kleinsten, übermäßigen, unangemessenen Reaktion eines Kinderfußball-Trainers im Umgang mit seiner Mannschaft drückt sich letztlich die ganze Misere des gesellschaftlichen und individuellen Vorbildes aus.

Was ich selber nicht besser gelernt habe, kann ich auch nicht besser weitergeben. Es sei denn, ich halte einmal inne und betrachtet mich im Spiegel. Was sehe ich dort? Einen Champion, einen Helden, ein Vorbild oder einen vorbildlichen Charakter?

[Turnier RIXDORFER SV / 6. JANUAR 2018]


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1. Platz
(4 x S, 2 x U, 20:4 Tore)
Es spielten: Samy, Fynn, Albion, Timo, Luca, Gabriel, Julius


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