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AMA / C1
SAISON 2021 / 2022

Ambivalente Begegnung

B.W. Hohen NEuendorf U15 - AMA U15

0 : 3

Ich kann mir vorstellen, dass beim Gegner im Nachgang des verloren gegangenen Matches zumindest vereinzelt kurz darüber nachgedacht wurde, den Umstand einer doppelten 14 in unserem Trikotsatz post-taktisch auszunutzen. Der sehr umsichtige und absolut integre Schiedsrichter hatte uns bereits eine gelbe Karte für den Bekleidungs-Formfehler gegeben. Das konnte man durchaus nachvollziehen, wenngleich ich die Formfehler-Regularien im Jugendbereich für absolut übertrieben finde und darauf wohl auch etwas zu lautstark hinwies. Zur besseren Übersicht drehte einer unserer beiden Vierzehner sein Trikot dann nach vorn und spielte fürderhin in einer Art Zwangsjacken-Trikot mit irritierender Brustnummer. Das änderte allerdings auch nichts an der Tatsache, dass wir das Spiel aus sportlicher Sicht völlig verdient gewannen.

Seit der letztjährigen Hertha 03 Pokalspiel-Volte traue ich keinem Verein mehr so recht über den Weg. Über Sinn und Unsinn einiger Strafgelder für falsch eingegebene Spielberichte könnte ich schon weit ausholen. Da wird von den Landesverbänden in einem Maße bei den Vereinen abgesahnt - dagegen sind Ordnungsstrafen im Straßenverkehr Killefitz. Aber schlimmer noch als der große OTTO-Strafgeldversandkatalog des BFV hinsichtlich nicht eingetragener Schiri-Assistenten und anderer zum Teil systemimmanent digital-bedingter Idiotien ist das I-Tüpfelchen der formalen Ordnungsherrschsucht, das durch findige Vereinsfunktionäre in Form nachträglich aufgestöberten Hintertürchen gesetzt wird, um real-sportliche Leistungen und Ergebnisse im Nachgang am grünen Tisch zu desavouieren. Ein langer komplizierter Satz für eine simple juristische und im Grunde lediglich unsportliche Art, die Ambivalenzen der Wirklichkeit zum eigenen Vorteil umzudeuten.

Ich bin daher gespannt, ob unser fußballerisch erspielten Ergebnis weiterhin offiziell Bestand haben wird. Mein Bauchgefühl sagt mir, dieses Blau Weiß Hohen Neuendorf hatte sich etwas anderes von dieser Partie versprochen. Aber, wie gesagt, es ist nur ein dumpfes, sehr eigenwilliges Bauchgefühl. Und höchstwahrscheinlich auch nur auf einfältigsten Vorurteilen basierend, die sich mal wieder nicht zurückhalten lassen, da mir diese eigenwillige Szene im Kasino des Clubs nicht aus dem Kopf gehen will. Ich begab mich direkt nach unserer Ankunft auf die Suche nach dem Platzwart, um eine Kabine für uns zu erbitten. Aber ich fand niemanden, so kam ich den langen Kabinenflur hinunter bis ins heilige, vereinseigene Kasino, in dem gerade die Tische sorgfältig eingedeckt wurden. Ich sagte höflich „Guten Tag!“ und wendete mich direkt an zwei Herren hinter der Theke, ob sie mir eventuell in Sachen Platzwart weiterhelfen könnten.

Die Antwort war eine klassische Breitseite der herzlichsten Willkommenskultur, bei der es vor allem zunächst darauf ankommt, den Fragenden bestmöglich auflaufen und mit kaum heruntergespielter Xenophobie gegen den Pfosten der Abneigung rennen zu lassen – frei nach dem Motto, was will denn dieser schräge Vogel in Weinrot von uns? Die beiden Herren waren in bester Altmännervereinsmanier mit einer üppigen und derart störrischen weißen Haarpracht gesegnet, dass ich kaum anderes konnte als beides ins direkte Verhältnis zu setzen: Altrockerfreiheit und Misanthropie. Der eine erinnerte mich frappierend an eine Berlin-brandenburgische Version von Carlos Valderrama (Sorry, Carlos!), während der andere eher die glorreichen Zeiten der frühen 80er Jahre zitierte, als 95 Prozent der Fußballspieler noch Schnauzbart und Vokuhila trugen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn im Hinterraum des Kasinos zwei Lederkutten mit Jeansweste gehangen hätten, hoffentlich nicht beide mit der Rückennummer 14.

Mir wurde daraufhin der Schlüssel zur Kabine 3 gegeben, dessen Schloss sich als ähnlich widerspenstig erwies wie der Service im Kasino. Gleichwohl taute einer der beiden Ost-Westerner nun doch deutlich auf und ging sogar mit dem großen Besen sehr zuvorkommend durch die Kabine, um sie von liegen gebliebenen Rasenresten eines Vorgängerteams zu befreien, weshalb ich das Schloss lieber durch manuelles Geschick zu öffnen und zu schließen zu lernen versuchte, als im Kasino noch mal nach etwas WD40 zu fragen.

Wie dem auch sei, diese anfängliche Begegnung legte sich als begleitendes dumpfes Subgefühl über ein ansonsten extrem schönes und exzellent bestelltes Sportgelände in Hohen Neuendorf, dessen idyllische Waldlage und hervorragend gepflegte Rasenplätze von einem weiteren Kunstrasenplatz gekrönt wurden, wie es ihn in dieser Form in Berlin nur selten gibt. Allein Union Berlin hat da noch einen Zentimeter mehr Länge im synthetischen Halm, aber das ist auch ein Club, der mittlerweile Europa-League spielt. Ich erinnere nur zu gern an das Gelände unseren letzten Testspielgegners, der von solchen fantastischen Platzverhältnissen nur träumen kann. Bezirk Neukölln.

Leider spielten wir etwas zu pomadig für ein solch famoses Geläuf, wie ich fand, wenngleich die Neuendorfer sehr gut zu verschieben und die Räume extrem laufstark zuzustellen wussten. Wir verlagerten nicht schnell genug und waren etwas fantasielos in der Bewegung nach vorne. Da hätte der feine Kunstrasen durchaus etwas mehr Schneid und höhere Fußballkunst verdient. Es fehlten uns koordinierte Laufwege und dynamische Positionswechsel, unsere Spitzen stießen nur selten wirkungsvoll in die Tiefe. So drückten wir den Gegner zwar solide in seine Hälfte, drangen aber nicht wirklich zwingend bis zu seinem Gehäuse vor, und wenn doch einmal, dann blieben die Abschlüsse ungenau oder ähnlich verhalten wie unsere gesamte Spielanlage und Körpersprache.

Einmal passte es dann aber doch, und wir gingen in Führung. Das Tor zeigte, worauf es in dieser Saison noch häufiger ankommen wird: Handlungsschnelligkeit und Präzision, gepaart mit Geduld und sicherem Abwehrverhalten. Unsere hängende Neun reagierte blitzschnell, als ihm der Ball im Strafraum vor die Füße fiel und schloss trocken ab. Sein zweiter Treffer kurz nach der Pause war dann sogar noch etwas schöner und äußerst sehenswert, wenngleich erneut eher durch eine gekonnte Einzelaktion erzwungen. Ein harter 18-Meter-Schuss aus der Drehung, der den Torwart schneller überwand, als dieser überhaupt reagieren konnte. Erst mit zunehmender Spieldauer kamen wir durch gemeinsames Kombinieren und geschicktere tiefere Anspiele zu schön heraus gespielten Torchancen und konnten schließlich noch einen dritten Treffer markieren.

Nach dem Spiel kam ein Spieler der Hohen Neuendorfer auf mich zu, Typ markante Brille, etwas nassforsch und altklug, offenbar so eine Art Justus Jonas der Vereins-Optimierungskultur, der mir umgehend persönlich anriet, es doch mit privaten Geldern zu versuchen, wenn das Vereinsgeld für einen soliden Trikotsatz nicht ausreiche. Dabei verwies er sogleich auf unser mitgebrachtes großes AMA-Logo, das uns bei den Spieler unterstützt, für das ja offensichtlich genug Geld da wäre. Ich antwortete, das Logo sei bereits privat beschafft worden, aber er könne sich gerne direkt bei uns als Vereinsmanager bewerben. Ich würde mich persönlich für ihn beim Vorstand verwenden, da er über einen überaus progressiven Charakter verfüge, der immer sehr willkommen sei.

Ein Spieler von mir erzählte nach dem Match, dass es beim Handshake zu kleinen lächerlichen Späßen der Neuendorfer gekommen sei. Zudem sei einer unserer Spieler während des Spiels als „Spasti“ tituliert worden.

Auch so ein Begriff, dem ich schon lange nicht mehr begegnet bin.

[2. Spieltag / Sa. 28. August 2021]


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B.W. Hohen Neuendorf U15 - AMA U15
0:3 (0:1)
(2x Guillermo, 1x Jonas)
Es spielten: Bela, Arda, Jonas, Luca, Guillermo, Emil, Julius, Felix, Nuri, Noah, Eddie, Timo, Levi, Theo, John, Levin



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