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AMA / C1
SAISON 2021 / 2022

Auf der falschen Seite

RW Hellersdorf U15 - AMA U15

1 : 4

Als ich sechs Jahre alt wurde, schenkte mir ein Freund meinen allerersten Asterix-Band: Die Trabantenstadt. Jahrelang fragte ich mich, was dieses Wort Trabantenstadt eigentlich bedeutete?

Der Begriff kam mir so befremdlich vor wie die von dem kleinen römischen Architekten in den Gallischen Wald gesetzte Siedlung der Römer in dem Band, gleichwohl für mich eine große Faszination von diesen weißen Gebäuden voller Wohnschubladen ausging, denn Marmor und Wald bildeten eine interessante farbliche und materielle Verbindung. Zugleich befiel mich Befremden, zumal mich der umtriebige, sehr forsche kleine Architekt mit dem schwarzen Rundhaarschnitt durch sein ungeheuerliches Selbstbewusstsein irritierte, dies freilich deshalb, weil ich spürte, dass mit jeder neuen Überheblichkeit nur die dramatische Fallhöhe wuchs, in die er stürzen würde. Schließlich bekam er, wie es sich gehörte, die Hucke voll. Wald und Wildschweine eroberten sich den verbauten Raum zurück, und eine feiste Party beschloss den Band.

Nicht, dass ich eine Ähnlichkeit herbeireden wollte, aber von der Friese und dem Habitus her musste ich bei einem der beiden Hellersdorfer Trainer an eben diesen Architekten denken, der ungefähr auf gleicher unsympathischer und falscher Welle surfte. Eine Form der Unberechenbarkeit und etwas ausgesprochen Linkisches hingen ihm an. Seine Schützlinge feuerte er bereits im Hinspiel von der ersten Minute an an, als gelte es, das eigene Tor nicht nur mit Geschick und Moral, sondern vor allem durch eine modifizierte Form der Härte zu verteidigen.

Umso estaunter war ich dann beim Hinspiel, als er und sein Kollege direkt nach der Pause auf mich zukamen und im Tonfall geheuchelter Verantwortungspädagogik erklärten: Ihr Team sei nach den sechs Treffern bereits moralisch völlig am Boden zerstört, man müsse nun, um das Kindeswohl nicht zu gefährden, das Spiel abbrechen. Der Schiri notierte daraufhin eine Liste von sechs vermeintlich versehrten Spielern, deren Symptomatiken sich wie das Glossar einer Unfallklinik anhörten: Knie, Adduktoren, Knöchel, Knie, Schienbein, Kopf - das Spiel wurde also abgebrochen.

Keine Ahnung, ob der erzwungene Spielabbruch je ein Nachspiel erfahren hatte. Vielleicht war er auch angesichts anderer tatsächlicher und gar nicht in Betracht gezogener Kinderschutzpräventionen gar nicht mal so unangemessen. Gleichwohl hatten wir durch diese gestohlene zweite Halbzeit noch eine Rechnung offen mit den Hellersdorfern. Und tatsächlich setzten die beiden Trainer dieses Mal alles daran, eine erneute Traumatisierung zu vermeiden. Sie überboten sich darin, sich keine Blöße zu geben, sondern zogen sich beherzt hinter ein groteskes Schauspiel der unverstellten Antipathie zurück, das im ostentativen Vermeiden jeglicher Begrüßung, Freundlichkeit, Fairness und was immer das Sportliche Verbindende beim Fußball sein mag, lag, ganz im Gegensatz zu ihrem außerordentlich hilfsbereiten und sehr entgegenkommenden Platzwart, der uns herzlich willkommen hieß und uns in allen Belangen sehr freundlich unterstütze.

Leider wählten wir zum Warm-Up wohl die falsche Seite, weshalb die Heimtrainer ihre Hütchen kommentarlos, aber demonstrativ in unsere Übungen stellten. Auch während des Spiels wirkten sie nicht, als wollten sie etwas anderes erreichen, als uns das Leben schwer zu machen, was ihren Spielern wiederum in sportlicher Hinsicht, wie ich fand, sogar recht gut gelang. Insbesondere dem Torhüter, der an diesem Tag beinahe alles hielt und abwehrte, was auf sein Tor kam, muss man ein großes Kompliment aussprechen! Er parierte und brillierte durch großartige Reflexe und hielt sein Team lange in einem ansonsten recht einseitigen Spiel. Gefühlte 95 Prozent Ballbesitz, sechzehn zu null Ecken sowie mehrere direkte Freistöße an der Strafraumgrenze hatten uns nach 50 Minuten lediglich ein einziges Tor beschert. Erstaunlich!

Der Treffer war sogar recht früh gefallen, aber das Spiel als solches ließ lange auf sich warten. Immer wieder rannten wir uns im gegnerischen Sechzehner fest, der mir so verrammelt erschien wie der Anblick der Wohnblocks hinter dem Sportgelände, eine einzige Wand aus vielen kleinen Wohnschubladen, die sich tapfer gegen jeden schönen Blick von von außen sperrten und immer wieder ein Bein oder etwas anderes quer in unsere Schüsse stellten, so dass einfach kein Durchkommen war bis hinter die Torlinie.

Und wie es dann manchmal so ist, wenn ein Team unentwegt anrennt, aber keine weiteren Treffer erzielt, flutscht der Ball auf der anderen Seite wie von selbst durch. So brachte der einzige Torschuss der Hellersdorfer in diesem Spiel den Ausgleich.

Das kann ja heiter werden, dachte ich!

Zum Glück schien der Gegentreffer eher uns mental zu stärken als den Gegner. Wir stellten kurz um, verlegten die Wucht ins Zentrum und fanden so den entscheidenden Schlüssel für eine erneute Führung. Zwei weitere Treffer drückten das Ergebnis am Ende dann annähernd in eine angemessene Richtung, auch wenn man den Hellersdorfern zubilligen musste, dass sie ihre Lektion aus dem Hinspiel offenbar gelernt hatten, selbst wenn sie dieses Mal bereits nach dem zweiten Gegentreffer aufgaben, aber immerhin nun erst zum letzten Drittel des gesamten Spiels, das sie nicht vorzeitig beendeten. Und wer weiß, was an diesem denkkwürdigen sehr frühen Sonntagmorgen am Rande des sonnigen Wuhletals für sie noch drin gewesen wäre, hätten sie im Hinspiel nur die gesamte Spielzeit genutzt und als Chance verstanden, sich zu entwickeln, statt vorzeitig aufzugeben.

Na ja, wie auch immer, ich bin froh, dass die Akte nun geschlossen ist.

[18. Spieltag / So. 13. März 2022]


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RW Hellerdorf U15 - AMA U15
1:4 (0:1)
(1x Nuri, 2x Levi, 1x Lamin)
Es spielten: Eddie, Julius, Guillermo, Felix, Levi, Bela, Nuri, Jonas, Luca, Lamin, Levin, Jakob, Arda.



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