BSV 1892 F1 - AMA F1
5 : 5
Ein Wolken verhangener Vormittag, eine nasskalte Herbststimmung und ein herrlich gepflegter Rasenplatz inmitten eines weitläufigen Stadions, das sich wie ein Kessel in den Wilmersdorfer Boden senkt und selbst die nahe gelegene, laut rauschende Stadtautobahn vergessen lässt – es waren keine schlechten Ausgangsvoraussetzungen für ein intensives und aufschlussreiches Fußballspiel an diesem frühen Sonntagmorgen in Berlin. Allerdings waren wir überrascht, entgegen der letzten Ankündigung doch auf richtigem Rasen zu landen, und hatten schlichtweg das falsche Schuhwerk eingepackt.
Gleich zu Beginn des Spiels ein zweifacher Schock. Erst kassieren wir einen rasant schnellen Gegentreffer, dann kommt schon einer unserer Spieler humpelnd vom Platz und muss ersetzt werden. Den Schmerzen und Beschwerden nach hat das nasskalte Oktoberwetter sein erstes Opfer gefordert: Aber gibt es so etwas? Leistenzerrung nach verunglücktem Schuss bei Kindern?
Wie auch immer, für Luca war das Spiel schneller zu Ende, als es begonnen hatte, und dies sollte sich noch auf unser Mannschaftsgleichgewicht auswirken. Auf der rechten Seite entwickelten wir nicht den nötigen Druck, der uns zuletzt so effizient und torgefährlich gemacht hatte. Diesen Druck übernahm Fynn auf der linken Seite, und er ließ sich keine Minute Zeit, den frühen Gegentreffer zu egalisieren. Und keine weitere Minute, um noch einen drauf zu legen. Beide Treffer fielen so schnell, dass ich sie, noch mit dem verletzten Spieler beschäftigt, gar nicht mitbekam.
Es zeigte sich, dass wir zwar sehr Ball orientiert den Rasen auf und ab liefen, aber nicht klug genug in die freien Räume ausschwärmten und vor allem wieder einmal unsere Torchancen reihenweise liegen ließen. Der Gegner machte es besser. Ein kleiner, sehr gewitzter Dribbler narrte uns ein ums andere Mal, er spielte zwei Spieler geschickt aus und passte zielgenau nach vorn in die Spitze, wo ein Mitspieler eiskalt verwandelte. Mit diesem Schema wurden wir insbesondere in der zweiten Halbzeit drei mal hintereinander ausgehebelt, und so büßten wir einen sicheren Vorsprung von zwei Treffern nach der Pause ein und gerieten wie zu Anfang in Rückstand. Erst kurz vor dem Schlusspfiff egalisierte Fynn erneut den Rückstand mit einem verwandelten Strafstoß und verbuchte seinen fünften Treffer in der Partie. Ein krasses Spiel, er war unser einziger Torschütze.
Auch der kleine 11er-Dribbler vom BSV zeigte erstaunliche Fähigkeiten, er besaß alles, was einen guten Fußballer ausmacht: Super Technik, Beidfüßigkeit, Antizipation, grandiosen Instinkt für Raum und Bewegung. Er wusste sogar ganz genau, wo die Ränder der Fairness verlaufen, wie man Grenzen - kaum wahrnehmbar - überschreiten kann, ohne belangt zu werden, und sich dadurch einen Vorteil verschafft: Rechtzeitig zurückgezogene Nachhakler, geschickte Zupfer am Trikot, ein bisschen beleidigen. Ich hätte ihm sogar Schwalben zugetraut, so geschickt war er auf den Beinen und am Ball. Alles am Rande des Zulässigen und irgendwie nicht besonders schlimm, aber doch ziemlich effizient und wie ich fand: unsympathisch! Im Grunde beherrschte er die ganze Palette der psychologischen Kriegsführung, die man sonst nur von den Großen kennt. Ein großer kleiner Dribbler!
Zwei weitere Spieler standen ihm zumindest an Chuzpe nichts nach, auch wenn sie fußballerisch nicht so gut waren. Was mir missfiel, war, dass diese kleinen Regelverstöße und Nicklichkeiten ungesühnt und scheinbar unbemerkt blieben. Ich fragte mich, wo bleibt das Vorbild der Erwachsenen? Warum wird den Kindern nicht erklärt, dass sie ihren Gegner und den Sport mit Respekt zu begegnen haben? Dass es im Sport um Fairness geht, nicht um gewitzte Vorteilsnahme. In meiner Vorstellung machte ich daraus einen Schuh und ließ den BSV direkt mal gegen Hürtürkel antreten! Ach herrlich, was für ein Scharmützel! Aber im Endeffekt war mir die Vorstellung dann selber zu mimosenhaft und zu revanchistisch. Letztlich spielt sich Tag für Tag auf dem Rasen und auf den Straßen und in den Schulen nichts anderes ab, auch wenn´s schlimm genug ist.
Nun ja, um den Text, den ich dazu schrieb, ist es dennoch schade! Ich habe ihn verworfen und stattdessen diesen hier geschrieben!
P.S.
Gute Besserung, Luca! Komm bald zurück! Deine Mannschaft braucht dich!
[4. SPIELTAG / SONNTAG, 9. OKTOBER 2016]