AMA - HALLENCUP
5. Platz
Das Turnier ist gespielt, das Buffet abgebaut, die Mannschaften sind längst wieder zu Hause, und doch werde ich das Gefühl nicht los, dass irgendetwas fehlt. Als wäre der Wettkampf noch nicht beendet und ein paar Spiele warteten noch auf uns.
Unsanft wurde ich gegen 4 oder 5 Uhr in der Früh von einer Gruppe feierlustiger Teenies aus dem Schlaf gerissen, die sich auf dem Kinderspielplatz in der Grimm versammelt hatten, um mit infantilem Geheul und Gegröle bis in den Sonnenaufgang zu schaukeln und sich schwindlig zu lallen. So schön der Blick aus dem dritten Stock auf einen innerstädtischen Grüngürtel sein kann, zum Wochenende hin beginne ich das verstrahlte Freizeitbegehren der Jugend zunehmend zu hassen. Aber wo sollen sie auch hin? Es gibt keine Kiesteiche und keine Reihenhaus-Partykeller in Berlin, und der Gleisdreieckpark ist überfüllt. Also weichen sie auf die morschen Parkbänke der kleinen Straßenparks aus, glimmen und dödeln mit ihren Smartphones durch die Nacht und lassen sich nicht mal von der Hundescheiße auf dem winterlichen Rasen beirren.
Ach, ja, das wär`s! Noch einmal jung sein, noch einmal vollen Saft und alle Kraft im Körper spüren, um in jedem Augenblick bereit zu sein zum Sprint, zum Zweikampf, zum Dribbling und Torschuss! Aber auch andere Tage gab es in der Kindheit und Jugend, an denen man schlapp und müde war, erschöpft von der Schule und den ständigen Ideen und Ansprüchen der Erwachsenen. Müde vom Wochenprogramm, und ausgerechnet an solchen Tagen fand dann auch noch das eigene Hallenturnier statt. Auch wir trafen auf Mannschaften, die ständig schneller am Ball waren, die viel wendiger und aktiver spielten. Keinem von uns wollte so recht etwas Überragendes gelingen. Bevor der Spaß überhaupt anfing, war das Turnier schon zu Ende.
Die berüchtigte Tagesform! Eine sehr diplomatische Erklärung, wenn man mit ihr Defizite verschleiern will, und eine legitime, wenn tatsächlich die Energie gefehlt hat. Auf der einen Seite war das in der Tat nicht unsere beste Leistung, das können wir durchaus besser. Der Spielwitz ist uns ein wenig verloren gegangen über den Winter, unser Aufbauspiel wirkte ein wenig fad und ideenlos. Möglicherweise ein Tribut an die schwierigen Trainingsbedingungen und den unsteten Rhythmus, mit dem wir seit sechs Wochen auskommen müssen, allerdings sollten wir nun langsam wieder in Schwung kommen, sonst - fürchte ich - wird sich das Gefühl des Da-fehlt-irgendwas verfestigen!
Auf der anderen Seite gab es auch sehr schöne und grandiose Momente: Strafraum-Rettungsaktionen unter kombinatorischer Mithilfe der Latte, messerscharfe Tacklings, zwei hammerharte Tore aus dem Halbfeld und ein grandioser Pfostentreffer, der den letzten unserer Spielzüge sogar noch einmal unfreiwillig verlängerte, wenngleich er auch im Tor hätte beendet werden können und uns somit zwei Punkte mehr gebracht hätte. Aber so ist Fußball nun mal: Eine nie ganz zu bändigende, unberechenbare, wilde Stute, die dem Hengst der Vernunft und klugen Raumaufteilung den Platz streitig macht.
Das Turnier war exzellent besetzt, die Ergebnisse fielen sehr eng aus. Die starken Staaken, die späteren Turniersieger, ragten zwar etwas heraus, aber auch sie wären zu bezwingen gewesen. Im Grunde gab es keine Mannschaft, die die anderen in Grund und Boden gespielt hätte. Das Tempo war sehr hoch, immer sausten zehn Hochleistungsflitzer über das Feld, wie ferngesteuerte Modellautos. Manchmal krachten sie heftig ineinander, aber im Grunde blieben die Spiele fair. Dank Johnny, der famos alle Spiele leitete und mit seiner unaufgeregten Art die Teams sicher durch das Turnier leitete. Die Gemüter kochten vielmehr auf der Tribüne hoch. Wieder bewiesen einige übereifrige Supporter einer Gastmannschaft, dass verbales Ausschütteln von verwirrten Gefühlen kein Privileg pubertierender Jugendliche ist. Johnny tat genau das richtige: Er blieb cold blooded - gut so!
Während unser Team also nicht im gewohnten Vollbesitz seiner körperlichen und geistigen Kräfte verzweifelt versuchte, sich selbst zu belohnen (immerhin gingen alle unsere Spiele sehr knapp aus), rotierte in meinem Kopf bereits der Gedanke, wie wir in den nächsten Wochen wieder zu etwas mehr Spielkultur und Trainingskontinuität finden können, denn die Rückrunde nähert sich mit schnellen Schritten. Die Zeit allein wird es nicht richten, es ist nun wieder etwas Einsatzbereitschaft nötig! Aber im Grunde bin ich optimistisch, denn ohnehin finde ich diese Phase, die wir derzeit durchlaufen, hoch interessant. Es sind kleine individuelle Verschiebungen innerhalb des Mannschaftsgefüges zu erkennen, es erinnert mich an diese simulierten Pferderennen in Spielkästen auf den Jahrmärkten, wo ein unsichtbares Antriebssystem die Pferdefiguren auf den Schienen einmal deutlich nach vorn schnellen und dann wieder ruckartig zurückfallen lässt.
Ich bin gespannt, wer in den nächsten Wochen wie durchs Training galoppiert. Ich kann an dieser Stelle bereits versprechen, dass der Parcours, den wir stecken werden, neben Koordination und exzellenter Balltechnik auch eine Menge neuen Grips verlangen wird. Wie meinte einer unserer Spieler beim letzten Training: "Das ist ja anstrengender als Schule!" Und damit meinte er nicht etwa eine knurrige, eintönige Konditionseinheit am Magath-Hügel, sondern eine relativ simple, aber durchaus kreative Übung aus dem Hause Koordination & Life Kinetik. Ein bisschen mehr Pfiff und Antrittsschnelligkeit in unserem Spiel könnten allerdings auch nicht schaden. Und so wird es wohl auf beides hinauslaufen, auf den Magath-Hügel wie auch auf den immer wieder neu zu entdeckenden Spielwitz!
Otto Rehhagel sagte einmal: "Wer richtig steht, muss weniger laufen." Allerdings unterschlug er dabei, dass man nur dann richtig stehen kann, wenn man vorher einigermaßen geschwind dorthin gelaufen ist. Die Abkürzung bei diesem Hase-und-Igel-Spiel nennt sich Spielintelligenz. Und genau das ist unser Weg!
[AMA HALLENCUP / 27. JANUAR 2018]