AMA U15 - Friedenauer TSC U15
5 : 0
Nachdem der plötzliche Wintereinbruch in der Vorwoche für allerhand Verwirbelungen und Neuansetzungen im Spielplan gesorgt hatte, passte das kurzfristig anberaumte Freundschaftsspiel gegen den Friedenauer TSC perfekt in den Terminkalender, zumal es eine gute Gelegenheit bot, uns ein wenig auszuprobieren.
Das Austarieren der individuellen Potentiale kommt ja nie zu einem Ende. Die Suche nach der optimalen Formation ist immer nur eine Annäherung an das unerreichbare Ideal. Kontinuierliches Verbessern gelingt dabei im Wesentlichen nur durch das Mittel der Improvisation. Ganz selten kann aus dem Vollen geschöpft werden. In den meisten Fällen bestimmt eher ein Mangel an Möglichkeiten die Vielfalt des Möglichen und fordert zur Kreativität heraus. Es gilt, Stärken und Schwächen so miteinander zu kombinieren, dass das größtmögliche Potential eines gemeinsamen Könnens erzielt wird. Nun gut, das ist jetzt ein Gemeinplatz und aus Politik und Leben bestens bekannt.
Das besondere Punctum des Spiels blieb für mich daher das eineinhalbstündige Zuspätkommen eines Spielers, der wohl verschlafen hatte. Ich baute ihn kurzfristig in den Rest des Spielgeschehens mit ein und dachte im Stillen, eigentlich geil, dass er überhaupt noch gekommen ist, selbst wenn er mich dadurch zum zweiten Mal an diesem Vormittag zur Improvisation zwang. Was tut man nicht alles, um sich und sein Team bei guter Laune zu halten?
So richtig zu meinem Vergnügen spielte das Team leider nicht auf, selbst wenn der Sieg am Ende klar und deutlich ausfiel. Aber insbesondere die erste Halbzeit kam mir doch eher mäßig gelungen vor, wenig erhellend und erheiternd, wofür ich zweifelsfrei selbst verantwortlich war, denn ich hatte das Team ja so aufgestellt, wie es dann spielte: inspirierend wie ein Stück nasse Pappe. Bezeichnend der einzige Treffer der ersten Hälfte, der in einer Mischung aus Slapstick und Zufall dem Torhüter durch die Hosenträger schlüpfte und in Minimalgeschwindigkeit über die Torlinie kullerte. Ein Treffer aus Glück und Verlegenheit, wenn man das so sagen kann. Eigentlich hatte ich mir ein knackiges Kombinationsspiel mit satten Abschlüssen gewünscht, mit richtig scharf geschliffenen Kufen und Kanten. Quasi als überzeugende Antwort auf die leicht missglückte Schlittenfahrt gegen die Hertha. Aber daraus wurde bis zur Halbzeit leider nichts.
Erst in der zweiten Halbzeit kamen wir eleganter vor das Gehäuse der Friedenauer und schlossen druckvoller ab, zumal wir umgestellt hatten und sich der Gegner mehr und mehr moralisch aufgab. Kein leichter Stand für den Gästetrainer: Ein Team, das in der Verbandsliga tief im Keller steht und sich gegen einen Bezirksligisten Minute für Minute selber dekonstruiert, das ist alles andere als ein vielversprechender Jahresausklang. Dagegen war das eineinhalbstündiges Zuspätkommen meines Spielers beinahe schon eine Heldentat. Wie soll man als Trainer reagieren, wenn ein Team sich derart selbst zerlegt? Wie kann man da noch improvisieren?
Im Grunde könnten beide Teams direkt ihre Plätze in den Ligen tauschen, dann wäre beiden womöglich sehr geholfen. Wir könnten bei entsprechender Leistung und Aufholjagd vielleicht die Klasse halten, und der Friedenauer TSC erhielte umgehend eine gute Ausgangsvoraussetzung, um nächste Saison genau dort weiter zu machen, wo er wohl ohnehin landen dürfte - mit dem Unterschied, dass er sich dann etwas besser fühlte als im Augenblick oder nach einem Abstieg. Dies nur so als Gedankenspiel, da wir beim Thema Improvisation sind. Selbst wenn sie den Aufstieg verpassen würden, wäre die Bezirksliga für den nachrückenden 2008er Jahrgang des TSC keine schlechte Umgebung, denn so stark ist er nun auch wieder nicht. Wir wiederum würden bei einem Scheitern der Mission immer noch unser derzeitiges Saisonziel erreichen: die Landesliga. Was für eine grandiose Win-Win-Situation, selbst wenn alles schief ginge. Davon kann man in der Politik doch nur träumen!
Aber so müssen wir wohl weiterhin Woche für Woche unseren hehren Aufstieg geduldig selber erspielen, wenngleich wir insgesamt beinahe mehr spielfreie Wochenenden haben werden als uns diese kariöse Ruinen-Liga noch an Gegnern zuschanzt. Man könnte diese Liga auch gut eine Spielverhinderungsliga nennen.
Die Talentförderung des BFV, der Mitglied des DFB ist, begrenzt sich dabei im Wesentlichen darauf, die spielerischen Potentiale unserer Jungs extrem offen zu halten und ihre Entwicklung in die Zukunft zu verlegen. Und dies nach zwei rudimentär zu Ende gespielten Corona-Spielzeiten. Das nenne ich mal eine offene Form! Sie wirkt auf mich wie die tatkräftigen Beschlüsse der Politik seit dem Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit von 1972. Wovor warnten die noch mal?
Nun gut, wir wollen den Tag nicht vor dem Abend beklagen, wie es in schöner Verkehrung des Sprichworts heißt, denn spielerisch war das nicht die allererste Sahne, die wir schlugen. Zur Rückrunde müssen wir uns noch etwas steigern, wenn es weiterhin so flutschen soll wie bisher!
Umso besser schmeckte mir die heiße spanische Schokolade, auf die mich mein Co-Trainer nach dem Match an seinem Edelpilz-duften Kreuzberger Marktstand einlud. Sie hinterließ einen feinen zarten Schmelz auf meinen Lippen, von dem ich nun über den Jahreswechsel zehren werde. Der Ball ruht für zwei Wochen, das innere Spannungsfeld der Improvisation kann sich in Ruhe aufladen. Wer ein persönliches Perspektivgespräch wünscht, kann das gerne bei mir anmelden. Ansonsten gilt: Mal sehen, wer wie zum nächsten Training erscheint.
Schöne Feiertage und guten Rutsch
& thanx for words, champagne and lights !
[Freundschaftsspiel / Sa. 18. Dezember 2021]