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AMA / F1
SAISON 2016 / 2017

Alte Försterei I

Blitz-Turnier - 1. Fc Union Berlin (U8)

1. Platz

Das Wetter spielte mit. Wie wunderbar. Mit jeder Viertelstunde stieg die Sonne höher und wärmte Gesicht und Rasen. Kaum war die letzte der fünf Partien gespielt, hatte ich meinen ersten kleinen Sonnenbrand des Jahres. So etwas passiert nur beim Fußball!

Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Trainingsanlage vom 1. FC Union Berlin mag, ich glaube nicht. Sie ist mir zu offen, es fehlen Bäume und Gebäude, ich finde das Gelände unpersönlich. Nun gut, im Hintergrund erhebt sich das Stadion an der alten Försterei. Als junger Union-Spieler kann man sich quasi von Trainingsplatz zu Trainingsplatz bis ins Stadion träumen. Aber bis dahin ist es ein sehr weiter Weg. Da lobe ich mir unseren kleinen Sportplatz in der Körtestraße mit dem majestätischen Fichtebunker im Rücken und dem nicht ganz schwindelfreien Sputnik auf der anderen Seite. Kurzer Weg, direkter Spaß, beeindruckend innerstädtische Atmosphäre. Auf dem Körte wird Fußball rund um die Uhr gelebt, nicht nur zu den offiziellen Trainingszeiten. Dies allerdings zum Leidwesen der Nachbarschaft. Oder auch nicht, es kommt auf die Perspektive an.

Vom Sputnik aus beobachtete ich einmal ein Training einer Jugendmannschaft, man hat vom Balkon des Kinos eine phantastische Aussicht auf den Platz. Ich war noch nicht bei den Berliner Amateuren und hatte mit Fußball eigentlich nicht mehr viel im Sinn. Aber mir gefiel, was ich sah: Ein dynamisches, kombinationsreiches Trainingsspiel, das dort unten in der Tiefe stattfand. Es beeindruckte mich - diese Jungs, und schon so versiert! Dann startete der Film, ich glaube, es war "Der Geschmack von Rost und Knochen". Ich setzte mich in den Saal mit den ledergepolsterten Backsteinbänken und vergaß das Trainingsspiel. Es ist der schlimmste Kino-Saal der Welt im höchsten Kino der Stadt. Aber ohne ihn wäre das Sputnik nicht das Sputnik und der Film nicht dieser Film gewesen.

Das alles fällt mir ein, ohne dass ich weiß, warum? Was hat das mit dem Blitzturnier zu tun, das wir an der alten Försterei spielten? Vielleicht, weil wir den Ball zeitweilig richtig gut laufen ließen und rein rechnerisch alle dreieinhalb Minuten einen Treffer erzielten - 21 in 75 Minuten? Oder aber, weil ich das Freitags-Elterntraining noch in den Knochen hatte, den eingerosteten? Ich nehme gerne gelegentlich daran teil. Leider habe ich jedes Mal wahnsinnige und durchaus begründete Angst, mich zu verletzen. Der Körper gibt es nicht mehr her.

Meine letzte Laufeinheit liegt viereinhalb Jahre zurück, mein letztes echtes Fußball-Training knapp 28 Jahre. Nicht, dass ich nicht gerne wieder regelmäßig laufen oder Fußball spielen würde, aber es geht eben nicht. Das Knie ist nach jeder Belastung ziemlich sauer auf mich: "Lass mich in Frieden, du Blödmann!" Ich brauche mehrere Tage zur Regeneration und komme mir in dieser Zeit so ungelenk wie eine Schaufensterpuppe vor. Trotzdem kann ich, seitdem ich bei den Amateuren bin, die Finger nicht vom Kicken lassen, besser gesagt die Füße. Kaum schwillt der Wutkamm des Knies ab, juckt es in den Füßen. Das liegt auch an diesem wunderbaren Sportplatz mitten in Kreuzberg und den sympathischen Mitspielern beim Elterntraining.

Der Kunstrasen ist weich, das schont das Knie und die chronisch entzündenden Sehnen. Ich meide Zweikämpfe, schiebe den Ball nur hin und her, stelle die Räume zu, laufe, bis die Achillessehne zwickt. Ab und an verspüre ich einen alten Reflex und gehe in ein Dribbling oder ziehe zu meiner eigenen Überraschung das Tempo an. Es ist ein unbedingter Reflex, der durch meinen Körper schnellt, von dem ich ahne, woher er kommt, aber den ich nicht steuern kann. Ich ziehe an und muss dann jedes Mal schleunigst abbremsen, denn nichts wäre schlimmer, als wieder an die Krücken oder humpelnd durch den Alltag zu müssen.

Fußball kann zur Droge werden, wie jede Form des Sports. Wenn die Droge entfällt, sucht man sich eine neue. Ich gebe zu, während unseres letzten Spiels, das unentschieden endete, war ich etwas abgelenkt. Ich interessierte mich plötzlich mehr für das Geschehen am Nebenplatz, wo die U-19 von Union zu trainieren begann - ich glaube, es war die U-19. Die Dynamik, die Geschwindigkeit, das Tempo und die Ballsicherheit, mit der die annähernd ausgewachsenen Spieler agierten, nahm mich in Beschlag. Es sah phantastisch aus, ich konnte alles trotz 60 Meter Entfernung gut erkennen. Das ist es also, da wollen wir hin?

Die Geschmeidigkeit, mit der ein Körper zur Form gelangt, erstaunt mich jedes Mal. Freilich steckt wahnsinnig viel Zeit und Training in solch einer Form. Aber die Entwicklung als solche ist für sich ein Wunder! Nicht mehr lange, dann brauchen unsere Jungs nur kurz das Tempo anzuziehen, um mich bei einer Trainingseinheit wie Horst Seehofer aussehen zu lassen. Ich erinnere mich, wie ich einmal als junger Herrenspieler in der zweiten Mannschaft aushelfen musste und wie verstört ich zur Kenntnis nahm, dass ich an jeden Gegenspieler nach Belieben vorbei ziehen konnte, einfach nur durch Tempo anziehen. Es war nicht unbedingt ein Gefühl von Unterforderung, denn auch in der Kreisliga gibt es genug zu tun, aber es fühlte sich an, als ginge ich mit einem Messer durch weiche Butter.

Andersherum erlebte ich es auch: Freundschaftsspiel gegen die 96er, damals erste Liga. Sie zogen das Tempo an, ich staunte und kam schnell aus der Puste.

Nächste Woche befinden wir uns wieder am gleichen Ort und treffen auf weitere Teams, stärkere, sehr viel stärkere! Ich bin gespannt, wer wie das Tempo anziehen wird und wie wir uns dabei schlagen? Werden wir aussehen wie Horst Seehofer oder wie ein Team, das sich von Trainingsplatz zu Trainingsplatz träumt?

[BLITZ-TURNIER 1. FC UNION BERLIN / SAMSTAG, 4. MÄRZ 2017]


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1. Platz

Es spielten: Samy, Levin, Yaron, Fynn, Luca, Julius T., Julius F., Ion, Kolja, Timo

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