Testspiel - 1. Fc Kreuzberg
3 x 20 Min.
Was für eine Vorstellung: Drei mal zwanzig Minuten offenkundige Orientierungslosigkeit!
Wie konnte das passieren? Bis auf einen Spieler, alle Spieler unter oder außer Form. Dieser eine wiederum außer Wertung, da er ein Gastspieler war, der gerne zu uns wechseln möchte. (Möchte er immer noch? Kann man dies nach dieser Vorstellung noch wollen?) Dafür, dass er das Team nicht kannte, machte er seine Sache mehr als gut! Wir aber boten ihm ein Schauspiel grotesker Verkehrungen: Frühlingshafte Fehler und Schnitzer in allen Formen und Farben. Wer einmal sehen wollte, was wir alles nicht können, der war am richtigen Ort, zur richtigen Zeit.
Und dies im Augenblick des großen Aufbruchs. Gerade steht ein drittes Training pro Woche zur Disposition. Aber vielleicht müssen wir doch noch mal genauer hinschauen, ob die bisherige Dosis für einige nicht vielleicht schon zu hoch ist. Überfordern wir die Kinder? Wie viel Kraft, Konzentration und Ausdauer stecken in einem acht- bis neunjährigen Kind? Wann oder was ist des Guten zu viel? Wo kippt Förderung in Überforderung? Ich gebe zu, nach dem heutigen Auftritt bin ich ein wenig ratlos und geschockt über den Zustand von Teilen des Teams.
Geschockt davon, dass wir doch offenbar mehr Baustellen haben, als unser Plan, den wir umzusetzen uns in den Kopf gesetzt haben, womöglich verträgt. Wie in dieser Werbung eines großen Baumarktkonzerns, bei dem jeder frei nach Lust und Laune seine Latten an den babylonischen Hauskörper nagelt, der immer größer und überhängender wird, bis alles in schönster architektonischer Kakophonie tosend in sich zusammenbricht. Ratlos, weil ich nicht weiß, wo ich welche entscheidende Stütze einziehen muss, um diesen phantastischen Wildbau zu retten und zu erhalten?
Aber wir wollen nicht als Baumarktwerbung enden! Wir wollen eine Fußballmannschaft sein, in der jeder die basalen Grundlagen des schönen Spiels erlernt und beherrscht: Ballkontrolle, Blickkontakt, Raumgewinn. Ich verkürze das jetzt mal auf diese drei abstrakten Momente, denn alles andere würde zu weit führen. Wir brauchen, um im Bild zu bleiben, Wände, Fenster und Balkone! Aber woher nehmen und nicht stehlen?
Ballkontrolle kann man sicher erlernen, das ist wie eine Mauer akkurat hoch zu ziehen, das lernt man durch Wiederholung und Wiederholung und Wiederholung. Beim Blickkontakt wird es schon schwerer, das sind die Fenster, da kann man als Häuslebauer schon mal schreckliche Fehler begehen, zu klein, zu hässlich, zu billig, völlig falsch ausgerichtet, zu schlecht bemessen. Bleibt der Raumgewinn, der Balkon, der das Leben im Inneren erst vollendet. Was ist ein Haus ohne Balkon? Richtig, eine Garage. Was ist Fußball ohne Raumgewinn? Richtig, eine vereiste Tiefgarageneinfahrt - man kommt nicht raus und rein, nicht vor und zurück.
Ich muss diesen nach hinten losgegangenen Samstagstest beim 1. FC Kreuzberg sublimieren, ihn in eine Schublade packen, die ich nicht allzu häufig benutze, sonst wird mir noch allzu arg bewusst, auf welches ungeheure Bauvorhaben wir uns eingelassen haben. Wir brauchen eine architektonische Kehrtwenden-Kultur eines Alejandro Aravena für unseren Trainings- und Spielbetrieb, für die Errichtung dieser leistungsorientiert in den Raum entworfenen Mannschaft mit den einfachsten Mitteln fußballerischen Handelns wie Passen, Gehen, Decken, Dribbeln, Schießen! Alles andere ist BER.
Ein Ding, das nie fertig wird, das unaufhörlich Milliarden verschlingt, mit denen man alle maroden Schulen in Berlin hätte sanieren könnte, wäre man nur von Anfang an, wie es sich für aufgeklärte und kultivierte Menschen gehört, auf dem Teppich geblieben!
[TESTSPIEL 1. FC KREUZBERG / SAMSTAG, 11. MÄRZ 2017]