FV B.W. Spandau 03 U15 - AMA U15
3 : 2
Man kann durchaus sagen, dass wir an diesem Samstag Mittag unser blaues Wunder erlebten. Anderseits war dieses Wunder gar nicht so blau, denn in der Summe der Einzelaspekte spiegelt es lediglich den augenblicklichen Stand des Teams wieder. Das Spiel fällt so wenig aus der Reihe der Spiele zuvor, dass ich durchaus geneigt bin zu sagen, dass es nicht das einzige schmerzhafte Erlebnis in dieser Saison bleiben wird, sollten wir uns sportlich nicht erheblich steigern.
Natürlich hat der Pokal seine eigenen Gesetzte, und dem Spielverlauf und der Verteilung der Tore über die Zeit nach kann man an diesem erstaunlichen Ausscheiden in der ersten Runde wahrlich den Klassiker ablesen: Liga höheres Team wird auf den letzten Metern vom Außenseiter rausgeworfen. Aber ganz so erstaunlich war dieses Ausscheiden dann auch wieder nicht. Denn im Grunde setzten wir genau dort mit dem fort, was wir zuvor schon nicht überzeugend genug vortrugen. Vorne geht der Ball nicht geschmeidig genug rein, hinten stehen wir nicht sicher genug. Ich erinnere gern an den Auftakt zum Baumarkt-Cup vor zwei Wochen, da lagen wir nach den ersten Minuten erst einmal mit einem Tor zurück, bevor wir zum großen Toreschießen des Turniers übergingen. Auch da gab es dieses Moment des Erstaunens und Maulaffen Feilhaltens darüber, dass andere Teams ziemlich schnell Tore gegen uns schießen können und gewandte, dribbelstarke Spitzen haben.
Was wir dort im Laufe des Turniers noch gut kaschieren konnten, nämlich dass wir hinten anfällig sind und vorne nicht schlagkräftig genug, zeigte sich in den Punktspielen bereits viel deutlicher. Magere Chancenverwertung vorne und hinten immer wieder dünne und knackende Eisflächen, auf denen man kaum ungefährdet Eislaufen kann, insbesondere in Momenten, in denen der Gegner mit Schwung auf unsere Box zusteuert. Freilich ist die sportliche Situation durch einige Dauerverletzte und sporadisch verletzte Spieler seit Saisonbeginn nicht gerade leicht. Uns fehlen schlichtweg personelle Optionen in verschiedenen Mannschaftsteilen. Gegen Blauweiß Spandau mussten wir zur Halbzeit einen Spieler in der Abwehr einsetzen, der auf dieser Positionen nun wahrlich nicht ausgebildet ist. Da wir vorne jedoch versäumt hatten, unserer glasklar heraus gespielten Chancen zu nutzen und in einen sicheren Vorsprung umzuwandeln, brauchten wir dort weiterhin ein hohes Maß an Kreativität und Erfahrung, das durch die Bank wiederum auch nicht gegeben war. Die neuen Spieler im Team brauchen noch Zeit, um auf dem hohen Niveau anzukommen und mithalten zu können. Spiele auf Messers Schneide machen es ihnen nicht leichter, im Team anzukommen.
Auf ein Elfmeterschießen war ich nach dem Rostock-Event auch nicht unbedingt aus, weshalb ich weiterhin auf die Karte Offensive setzte und an unsere Potentiale glaubte und nur die nötigsten Wechsel wegen Erschöpfung und spieltaktischer Variation vollzog.
Und eigentlich lief die zweite Halbzeit ja durchaus für uns bis zu den unseligen letzten vier Minuten, denn wir gingen ja, wenn auch etwas schwerfällig, in Führung, drehten gewissermaßen das Spiel und den kapitalen Bock des Spielbeginns, als wir nach 6 Minuten Powerplay einen schlecht verteidigten Konter zum überraschenden Führungstreffer der Spandauer hinnehmen mussten. Unsere Führung ließ sich sogar bis zur 66 Minute relativ solvent und ungefährdet halten, im Grunde hätten wir sie nur ausbauen oder absichern müssen, auch dafür gab es hinreichend Gelegenheiten und spielerisches Potential auf dem Platz. Ach, wenn wir nur eine der vielen guten Einschussmöglichkeiten genutzt hätten! Taten wir aber nicht, und so kam es, was niemand für möglich hielt. Zwei unkonzentrierte Momente hintereinander - und dieser MANU-Effekt, den die Bayern einst erlebt hatten, als sie innerhalb von zwei Minuten ein sicher gewonnen geglaubtes CL-Finale verloren, kam plötzlich aus blau-weißem Himmel über uns.
Seinerzeit - im letzten Jahrhundert - wurden solche Kippmomente im Fußball noch nicht für möglich gehalten, in den meisten Spielen vor diesem verrückten Jahrhundertfinale kommentierten die Kommentatoren Spiele bereits fünf Minuten vor Spielende als gespielte Spiele. Olli Kahn machte 1999 die Erfahrung seines Lebens: Gib niemals auf! Seitdem hat es immer wieder unglaubliche Momente auf den letzten Metern von großartigen Spielen gegeben, die komplett in ein unerwartetes Ergebnis mündeten. Was Herberger bereits wusste, ein Spiel dauert 90 Minuten, wurde im neuen Jahrtausend erweitert zu: Ein Spiel dauert 90 Minuten und mindestens 5 Geisterminuten, in denen alles in sein Gegenbild kippen kann.
Aber so weit ins Reich der griechischen Tragödie müssen wir bei unserem Spiel gar nicht gehen. Denn trotz deutlicher spielerischer Überlegenheit und einem numerischen Übergewicht in allen Statistiken war eben auch unsere Fehlerquote in den spielentscheidenden und heiklen Momenten leider etwas zu hoch. Wir verloren das Spiel nicht nur hinten, sondern mindestens ebenso deutlich vorne. Und dies ist im Grunde die eigentliche Konstante seit Saisonbeginn, weshalb ich mich nun festlege und feststellen muss, dass wir in dieser Saison oder zumindest im Augenblick leider nicht so stark sind wie in der letzten Spielzeit, und dies obwohl wir nunmehr ein durchweg altersgerechten Jahrgang für die Altersklasse besitzen.
Von dem Ziel Meisterschaft und Aufstieg müssen wir uns nicht trennen, sehr wohl aber von der Vorstellung, es könnte genauso leicht zu erreichen sein wie in der letzten Spielzeit. Nein, das wird es nicht, ganz und gar nicht! Auf dem derzeitigen Niveau sind wir gehobenes Mittelmaß, aber kein Titelanwärter.
Um in der Liga ganz oben mitzuspielen, brauchen wir mehr als Glück.
[Pokal 1. Runde / Sa. 24. September 2022]