Friedrichshagener SV U15 - AMA U15
0 : 10
Immer wenn die Bayern bei Union zu Gast sind, sind auch wir in der unmittelbaren Gegend. Aber das ist freilich reiner Zufall!
Dieses Mal bekamen wir sogar Besuch von einem jungen und sehr netten Unionisten, der in unserem Spiel den Schiedsrichter gab. Ich musste ihm sogleich nach dem ersten Kabinengang beichten, dass einer unserer Spieler nur einen Stutzen dabei hatte und daher nur einbeinig geschützt auflaufen könne. Ein leicht schräger Blick des jungen Schiedrichters zu mir herauf, dann aber eine ebenso klare Toleranz. Bis zur Halbzeitpause war die Scharte dann auch ausgewetzt und ein neues Paar weißer Stutzen schmückte die Beine des Spielers. Es ist immer gut, eine patente Mutter und einen Bundesliga-Merchandising-Store in unmittelbarer Reichweite zu haben.
Wir begannen forsch.
Keine Minute gespielt, erster Angriff, erster Treffer. Ein zweiter folgte rasch, dann aber ging die Partie über in einen Zustand unruhig dahin hoppelnder Indifferenz. Wir erspielten zwar in großer Zahl und Regelmäßigkeit gute Gelegenheiten, aber der exzellente Heim-Keeper und unsere schlecht geschnürten Stiefel vereitelten einen höheren Pausenstand. Wie die große Koalition der letzten Legislaturperioden ließen wir es an Genauigkeit und Schnelligkeit im Aufbauspiel missen und agierten nicht konsequent genug bei den entscheidenden Abschlüssen, wir wirkten durchweg fahrig und pomadig. Am Vorabend beim Abschlusstraining lief der Ball noch so hübsch und schulmäßig durch die Reihen, dass ich eine Gänsehaut beim Zuschauen bekam, wenn auch zu gleichen Teilen den gefallenen Temperaturen des Septembers geschuldet. Doch jetzt bei der morgendlichen Kür bei allerbester Samstag-Vormittagssonne erschien die verheißungsvolle Spiegelfläche des Saisonauftakts leider etwas stumpf und unser Spiel trübe wie Milchglas.
Drei zu null zur Pause und eine eher knurrige Ansprache: Das können wir doch viel besser, bitte deutlicher und mehr über außen spielen, alles ein wenig schneller, geschmeidiger und weniger auf ellenlange Einzeldribblings bedacht! Auch mehr Spieler in die Box bringen, Übergewichte schaffen und fußballerische Dominanz bis zum Ende ausspielen. Letztlich stand der Gegner mit einem weitaus jüngeren und körperlich deutlich unterlegenem Team auf dem Feld, auch wenn die kleinen grünen Grashüpfer sehr beherzt und laufstark unsere Ballführenden umzingelten.
Die zweite Halbzeit begann wie die erste mit einem sehr schnellen Tor, setzte sich dann aber zumindest fort mit einer viel besseren Ausbeute und Verteilung der Treffer über die verbleibende Zeit. Das Aufbauspiel klappte nun besser, der Gegner brach allerdings auch mehr und mehr ein, wir hielten uns beinahe ausschließlich in seiner Hälfte auf. Ich glaube, dass unser Keeper nicht einen einzigen Schuss auf sein Tor bekam. Seine Ballkontakte in der gesamten Partie dürften an zwei Händen abzuzählen gewesen sein. Irgendwie schien diese neue Landesliga noch schwächer als die alte Bezirksliga zu sein.
Zum letzten Viertel des Spiels noch eine Umstellung eines Innenverteidigers nach vorn, der sogleich zwei weitere Buden beisteuerte und viel körperliche Präsenz zeigte. Wie eine frisch geschliffene Sense schlug er reichlich Heu auf der wilden Almwiese seines fünfzehnminütigen Einsatzes in der Sturmspitze. Am Ende dann insgesamt zehn Buden und fünfzehn weitere gute Chancen, punktgenauer Abpfiff des Schiedsrichters nach exakt 70 Minuten. Mir wäre von der Zahl her eine 11 lieber gewesen, aber das ist freilich reine Zahlenmystik, denn am sportlich-inhaltlichen Ergebnis hätte dies auch nichts geändert.
Im Grunde überdeckte der Spielverlauf ohnehin eine nicht zu unterschätzende Aufregung im Vorfeld, denn wieder einmal mussten wir mit einer äußerst knappen Spielerzahl antreten - und dies zum Saisonauftakt! Gerade mal zwölf spielfähige Spieler traten an, vier Verletzte hatten wir, zwei weitere Spieler waren verreist. Von den zwölf Angetretenen war einer noch leicht angeschlagen.
Ich gebe zu, dass es mich nervös macht, wenn ich nicht ungefähr weiß, was mich in einer neuen Saison zum ersten Punktspiel erwartet. Diese Nervosität legte sich aber recht schnell beim ersten Anblick des gegnerischen Teams, das in etwa einer Miniaturversion unserer selbst entsprach: Zwar numerisch klar überlegen, aber körperlich durchweg deutlich an eine D-Jugend erinnernd.
Leider müssen wir nun das geplante Treffen mit Union am Mittwoch aussetzen, denn beim derzeitigen Fitnessstand macht ein Testspiel wenig Sinn. Weder numerisch, noch körperlich wären wir ein adäquater Sparlingspartner.
Kleine Anekdote am Rande: Ein falsch eingetragenes Ergebnis beziehungsweise eine vergessene Eins vor der Null ließ uns für einige Stunden deutlich spüren, was es bedeutet, um seinen Lohn gebracht und unverschuldet ins Mittelmaß verbannt zu werden. Ich blieb ganz ruhig, denn ich dachte, so geht es eigentlich sehr vielen Menschen auf der Welt - und dies nicht nur für ein paar Stunden.
Ich dachte auch an den leicht schrägen Blick des Schiris auf meine Stutzenbeichte und das spätere Ergebnis zwischen Union und Bayern in der Bundesliga, und irgendwie fügte sich darüber die von mir so geliebte Zahlenmystik aufs Allerfeinste.
Genau so muss Fußball, genau so muss die Welt sein!
[1. Spieltag / Sa. 3. September 2022]