SV EMPOR U16 - AMA
1 : 5
Stuttgart ist das neue Union, und wir sind ein bisschen das neue Stuttgart, auch wenn Leverkusen momentan ganz oben steht. Im Spitzenspiel beim direkten Verfolger maximal zu punkten, gelingt einem meist nur in einem frühen Stadium der Saison. Wir haben erst knapp Einfünftel der Spiele absolviert, insofern halten wir uns mit vorschnellen Prognosen mal zurück und nehmen den schönen Auswärtserfolg und die gehaltene Tabellenspitze einfach so mit.
Ich hatte neben unserem Spiel noch ein zweites Event auf dem Zettel für diesen Sonntag, dem ich allerdings anders entgegen fieberte, eher skeptisch, als zuversichtlich. So radelte ich im Anschluss an unseren klaren, wenn auch in der Höhe unerwarteten Erfolg rasch hinüber Richtung Poststadion, um mir die Füchse beim BAK anzuschauen. Die erste Person indes, die ich dort traf, war wiederum jemand, den ich kaum zwei Stunden zuvor unmittelbar vor unserem Spiel kennengelernt hatte: Der Verbandssportlehrer der Berliner Jugend-Auswahl. Ich musste zwei Mal hinschauen, als ich ihn an der Barriere stehen sah, da aber auch er zweimal zu mir schaute, war das Wiedererkennen eindeutig.
Aus Höflichkeit stellte ich mir kurz zu ihm und plauderte über zwei seiner Spieler, beschrieb ihr vorausgegangenes Wirken, betonte und relativierte, alles ganz unverbindlich, da ich bereits spürte, dass ihm die Situation etwas unangenehm wurde. Was sollte er auch sagen? Ich hatte ja nicht mal bemerkt, in einen für die gewöhnlichen Zuschauer abgesperrten Bereich vorgedrungen zu sein. Also verabschiedete ich mich rasch und trollte mich auf die andere Seite, die ohnehin die von der Sonne beschienene war.
Freilich stach das tief stehende Oktoberlicht fies in die Augen und nötigte mich zum Blinzeln. Was ich durch die per Hand verschatteten Sehschlitze sah, war ein mutig auf das Füchse-Tor anrennender BAK, der allerdings keine solventen Abschlüsse kreierte. Wiederum reichten den Füchsen ein paar wuchtige Abschläge über die Mittellinie, um ihre brutal effiziente Tor-Maschine anzuwerfen, diese insbesondere in Gestalt eines virilen Spielers, der eine Mischung aus zwei der vorsaisonalen Wilmersdorf-Spielern bildete. Auch hier musste ich zweimal hinschauen, um keiner Täuschung zu erliegen. Die enorme Physis, gepaart mit Präzision, Schlitzohrigkeit und Dampfkessel-Testosteron, war wie eine Verschmelzung von Ali und Wilmersdorfer 7er aus der Vorsaison, was insofern besonders prekär war, als dass dieser Füchse-Offensivspieler tatsächlich die 7 trug und Ali gerufen wurde.
Ich fragte mich sofort, wie unsere Innenverteidiger auf diese besondere Spezies reagieren würde? Das Spiel geizte wahrlich nicht mit bitterer Ironie: Der BAK rannte und rannte, kapierte aber gar nicht, dass sein Druck bis in alle Ewigkeit ergebnislos bleiben würde, wenn er im letzten Drittel seine Bälle nicht ins Ziel brächte, sprich entweder gezielt aufs Tor oder eben mal auf einen besser positionierten Mitspieler, den es allerdings auch nicht gab. Hinten stand er wiederum so hoch aufgerückt an der Mittellinie, sodass sich die Füchse voll und ganz auf ihre Ali-Allein-Unterhaltungsmaschine verlassen konnten. Nach zwei komplett vermeidbaren Toren, die die kommode Führung auf vier Treffer erhöhten, trat ich den Heimweg an. Ich hatte genug gesehen.
Spielerisch gefiel mir Empor besser, aber was nützt spielerische Eleganz schon in einem Sport, indem es eben auch um Zweikämpfe, Schnelligkeit, Emotionen und Physis geht, deren Kräftepotentiale insbesondere im Jugendbereich sehr unterschiedlich temperiert sein können. Empor bot einen reinen 2008er- Jahrgang auf, vielleicht deutlicher als sonst machten sich auf dem Papier daher unsere drei 1 Jahr älteren Spieler im Team bemerkbar, und zumindest einer von ihnen war dann auch in der Folge des Spiels eigentlich nur durch Foul zu bremsen. Ein anderer 2007er brachte uns die erneute Führung noch vor der Pause, nachdem er am Verlust der ersten nicht ganz unbeteiligt war. Torjäger und Innenverteidiger in einem, für dieses Spiel sollte mir das recht sein.
Matchwinner war freilich einer unserer U16-Auswahlspieler, der dieses Mal zwar nicht selber traf, aber an allen fünf Treffern maßgeblich beteiligt war. Leider hatte der Verbandstrainer unser Spiel bereits kurz vor der Halbzeit verlassen und damit viele gute Aktionen der zweiten Spielhälfte verpasst. Auf meine Lobeshymne der vermeintlichen Unscheinbarkeit bestätigte er mir, dass der besagte Spieler wirklich einen sehr guten Innenspannstoß habe. Wie so oft, wenn jemand einen dieser DFB-genormten, etwas spröden Fachbegriffe benutzt, verspürte ich das plötzliche Absterben meines spielfreudigen inneren Fußballers. Wohlfeil begab ich mich auf die andere Spielfeldseite und erwärmte mich an der honigsüßen Melodie des goldenen Oktoberlichts.
Freilich bin ich sehr gespannt, welches magisch-fußballerisches Mittel mir gegen die Füchse einfallen wird.
[5. Spieltag / So. 8. Oktober 2023]